Über das Fasten in der orthodoxen Kirche

 

Predigt über den Sinn der Fastenzeit

 

von Bischof Sebastian (Skordallos) von Zela

 

 

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

 

Wenn wir in die Große Fastenzeit eintreten, bittet uns die Kirche den guten Kampf zu kämpfen und das Rennen durch Fasten und Beten zu durchlaufen. Die Kirche bietet uns die Gelegenheit, unseren Geist und unsere Gedanken zu erneuern und unserem Herrn und Retter Jesus Christus näher zu kommen.

 

Aber manche werden fragen, was ist denn das für ein Kampf, den wir kämpfen müssen und für ein Rennen, das wir durchlaufen müssen?

 

Als Erstes bittet uns die Kirche uns gewisser Speisen zu enthalten und gewisse Einschränkungenin unserer Nahrungsaufnahme einzuhalten. Warum denn? Als menschliche Wesen bestehen wir aus Leib und Seele. Wir haben auch einen Willen, der manchmal Sachen auswählt, die nicht gut für uns sind. Als Gott Adam und Eva befahl, nicht von der Frucht eines gewissen Baumes im Garten Eden zuessen, prüfte er ihren Willen. Ihr Problem war, entweder denWillen Gottes zu tun und weiter im Paradies zu leben oder ihrem eigenen Willen zu folgen und zu sterben. In ähnlicher Weise lehrt uns die Kirche durch Einschränkungen in den Speisen den Willen Gottes zu tun und nicht unsrem eigenen zu folgen. Mit anderen Worten, wir lernen „nein“ zu uns selbst zu sagen und „ja“ zu Gott, indem wir unseren Körper und unseren Willen erziehen.

 

Beim Fasten sollten wir darauf achten, dass wir es nicht auf falsche sondern auf die richtige Art und Weise tun. Unser Herr und Erlöser Jesus Christus kritisierte die Pharisäer wenn sie fasteten,denn sie wollten von anderen gesehen werden. Christus lehrt uns, nicht beim Fasten die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, sondern das Fasten in Demut auszuüben.

 

Ein anderer Punkt, auf den wir aufpassen sollen ist, dass wir vielleicht dem Buchstaben des Gesetzes folgen, nicht aber seinem Geist. Wir können die Einschränkungen beiden Speisen befolgen und doch Edles genießen und mehr essen als zuvor. Wir sollen aber genau das Gegenteil tun, einfach essen und weniger.

 

Neben der leiblichen Enthaltsamkeit, die wir beachten sollen, bittet uns die Kirche auch, uns unserer Sünden zu enthalten. Wieder gilt Gottes Wille und nicht der unsere. Die Kirchenväter sagen uns, dass wir uns in dem zurückhalten sollen was wir sehen, was wir hören, was wir essen, was wir fühlen und was wi rtun. Neid, Gier, Wut, Rache, Stolz, Klatsch und böses Begehren soll gefastet werden und ersetzt durch Gottes Willen zu Liebe, Frieden, Zufriedenheit, Vergebung, Demut, Teilen mit derKirche und mit Anderen, die in Not sind. Also ist Fasten nicht nur eine Abtrennung der Sünden aus unserem Leben, sondern ihr Ersetzung durch die Tugenden.

 

Die Große Fastenzeit ist der Zeitabschnitt, der uns hilft uns unserer Verantwortung bewusster zu werden, das Evangelium Jesu Christi durch die Verkündigung des Evangeliums und durch Mission zu verbreiten. Wir sind auch aufgefordert nicht nur unsere eigenen Bedürfnisse und die unserer Familie zu sehen, sondern uns des Rufes Christi, anderen zu helfen, bewusst zu machen und die Kirche beider Betreuung anderer zu unterstützen. Liebe Brüder und Schwestern in Christus, hört auf den Ruf Christi in dieser Großen Fastenzeit und kämpft den guten Kampf und lauft das Rennen, damit ihr durch den Herrn mit der Krone des Lebens gekrönt werden könnt. Amen.

 

 

Wissenswertes über das Fasten

und die Fastenzeiten in der orthodoxen Kirche

 

Thomas Zmija

 

Das Fasten ist in der orthodoxen Kirche eine geistlich-asketische Übung, zu der die Kirche uns in Laufe einer Woche zweimal (am Mittwoch und an Freitag) und viermal im Laufe des Kirchenjahres einlädt, jedoch kein Ritualgesetz, dass in der Strenge des Vollzuges für alle Gläubigen gleich wäre. Deshalb gilt die Regel, dass jeder einzelne Gläubige die Strenge seines Fasten in Verantwortung vor Gott, in Übereinstimmung mit seinem Gewissen und in Absprache mit seinem geistlichen Vater oder Beichtvater abklären soll. Ein Fasten quasi „auf eigene Faust“ wird von den Heiligen Vätern nicht gutgeheißen, ist doch eine demütige Geistes- und Herzenshaltung Grundvorausssetzung allen Fastens. So geht es im Fasten nicht in erster Linie um eine diätische Enthaltsamkeit, denn nicht der Nahrungsverzicht ist der wichtige Teil des Fastens ,sondern die Beschränkung unserer Speise ist nur als Hilfsmittel, gleichsam als Leitplanke gedacht, um uns zu helfen, dass wir uns vermehrt auf das Gebet konzentrieren und dass wir uns immer konsequenter der Sünden zu enthalten suchen.

 

Die orthodoxe Kirche orientiert sich bei ihren Fastenregeln auch heute noch an den Regeln der Heiligen Väter der ersten Jahrhunderte. Sie wurden von Anfang an stark durch das monastische Leben und dessen besonderen Augenmerk auf der Askese geprägt. Daher hat sich in der Orthodoxie – stärker als in der Kirche des Westen - bis heute eine stärker asketisches Verständnis der Fastenregeln erhalten. Auch wenn in der heutigen Zeit nur noch eine kleine Minderheit der orthodoxen Gläubigen die Fastenregeln strikt und komplett beachtet, so gibt esohne das Fasten – ebenso wie ohne das tägliche Beten – kein wirkliches Christentum.

 

Ein strenges Beachten der Fastenregeln nach den Regeln der Akribia  (ἀκρίβεια), bedeutet ein streng veganes Fasten, bei dem außer Honig keinerlei tierische Produkte verzehrt werden dürfen. Außerdem werden weder Öl und alkoholische Getränke in dieser Zeit nicht konsumiert.

 

Dagegen sind beim „Leichten Fasten“ Wein, Öl und Meeresfrüchte erlaubt und an speziellen Fastentagen ist zusätzlich noch Fisch gestattet. Für orthodoxe Mönche und Nonnen gelten weitere besondere Regeln: So wird in Klöstern die erste der zwei Mahlzeit des Tages erst ab 15:00 Uhr eingenommen und die Mönche und Nonnen fasten zusätzlich an jedem Montag (Engelsfasten).

 

In der orthodoxen Kirche gibt es vier längere Fastenzeiten:

 

Die Weihnachts- oder Philippus-Fastenzeit, die dem westlichen Advent entspricht und wie die Adventszeit der Vorbereitung auf Weihnachten dient. Das Weihnachtsfasten umfasst die Zeit vom 15. November bis einschließlich dem 24. Dezember. Sie ist nach dem heiligen Apostel Philippus benannt, da es nach dessen Gedenktag am 14. November beginnt.

 

Das Weihnachtsfasten wird in den kirchlichen Büchern seit dem vierten Jahrhundert erwähnt. In seiner heutigen Ausprägung stammt es jedoch erst aus dem 12. Jahrhundert. Je nach der Lokaltradition gibt es verschiedene Fastenstufen. Generell gilt, dass Fisch, Wein und Öl samstags und sonntags erlaubt und Wein und Öl dienstags und donnerstags zulässig sind. Montags, mittwochs und freitags sind weder Wein noch Öl erlaubt. Das bedeutet, dass der Speiseplan an diesen Tagen praktisch nur aus pflanzlichen Lebensmitteln und Gemüse, das ohne Öl gekocht wurde, besteht. Wein und Öl sind an diesen Tagen auch gestattet, wenn ein Gedenktag eines wichtigen Heiligen auf diesen Tag fällt. In den Zeiten vom 20.-24. Dezember nimmt die strenge des Fastens dann zu: in dieser Zeit sind selbst samstags und sonntags kein Fisch erlaubt. Der Vortag vor Weihnachten (24. Dezember = Heilig Abend) ist ein strenger Fastentag, an dem weder gegessen noch getrunken wird, bis der "erste Stern des Heiligen Abends“ am Nachthimmel erscheint. 

 

In der lateinischen (römisch-katholischen) Kirche hatte der heilige Gregor von Tours (+ 594) beginnend nach dem Sankt-Martini-Tag (11. November) eine vierwöchige Fastenzeit eingeführt. Über die Jahrhunderte wurde der Fastengedanke dann jedoch im Denken der abendländischen Christen immer mehr abgeschwächt. Heute sind bei den katholischen Christen nur noch der erste Tag der Großen Fastenzeit (Aschermittwoch) und der Karfreitag gebotene Abstinenztage. 

 

Die Heilige und Große vierzigtägige Fastenzeit beginnt sieben Wochen vor Pascha (Ostern) und dauert bis zum Freitag vor dem Lazarus-Samstag an. An die große Fastenzeit schließt unmittelbar das Fasten des Lazarus-Samstages, des Palmsonntages und der Große und Heilige Woche (Karwoche) an. Das Fasten zur Vorbereitung auf das Fest der Auferstehung Christi erinnert an die 40 Tage, an denen Christus fastend und betend in der Wüste verbrachte (vgl.: Matthäus 4: 1-11). Darüberhinaus fasteten die Täuflinge (Katechumenen)  zuerst nur in der Karwoche, später dann in der gesammten Großen Fastenzeit zur Vorbereitung auf den Empfang des Mysterion der Heiligen Taufe in der Osternacht. Um ihren Glauben zu stärken fastete die gesamte Gemeinde mit ihnen gemeinsam. 

 

Die erste Vorfastenwoche ist fastenfrei; in der zweiten wird mittwochs und freitags gefastet und in der dritten Vorfastenwoche, die auch als "Milch- oder Butterwoche", russisch "Masleniza" bezeichnet, wird zwar kein Fleisch mehr gegessen, dafür aber ausgiebig Milch, Milchprodukte und Eier. In vielen orthodoxen Volkskulturen werden in der Butterwoche regional verschiedene karnevalistische Gebräuche gepflegt. In der ersten bis sechsten Fastenwoche gilt ein strenges Fasten, wobei am ersten Tag (Reiner Montag) Enthaltsamkeit bis mindestens 15:00 Uhr geübt wird und an den Wochenenden Leichtes Fasten erlaubt ist. In der (siebenten) Großen und Heiligen Woche (Karwoche) gilt durchgehend strenges Fasten und am Karfreitag wiederum Enthaltsamkeit bis zum Heraustragen des Grabtuches Christi (griechisch: Epitaphios/ russisch:  Plaschenitza) am Nachmittag gegen 15:00 Uhr.

 

In der evangelischen Kirche wird die "Fastenzeit" vor dem Osterfest als "Passionszeit" und römisch-katholisch als "Österliche Bußzeit (katholisch) bezeichnet. Sie dauert vom Aschermittwoch bis zum Karsamstag. Die Gründer der protestantischen Glaubensgemeinschaften Luther, Calvin, Zwingli und andere sprachen sich wegen ihrer theologisch motivierten Ablehnung der Heilnotwendigkeit der guten Werke konsequent gegen eine Beibehaltung altkirchliche Fastenpraxis als dem Lebensrythmus in der Kirche aus. Jedoch kennen heute auch evangelische Mitchristen das Fasten als persönliche private Frömmigkeitsübung in besonderen Not- und Lebensituationen. Einen besonderen Bußcharakter trägt auch der evangelische Buß- und Bettag. Er wird am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag des protestantischen Kirchenjahres, begangen. Die römisch-katholische Kirche sieht heute noch ein Fasten von Aschermittwoch bis Ostern vor, an denen kein Fleisch zu sich genommen werden sollte und an jedem Tag nur eine sättigende Mahlzeit und eine weitere kleine Stärkung erlaubt sind. 

 

In der Apostel-Fastenzeit, wird ein leichtes Fasten beachtet, das heißt es ist Fisch, Öl und Wein außer montags, mittwochs und freitags erlaubt. Das Apostelfasten dauert vom ersten Sonntag nach Pfingsten bis zum Fest der Heiligen Koryphäen und Apostelfürsten Petrus und Paulus am 12. Juli. Die genaue Dauer dieser Fastenzeit hängt vom Datum des orthodoxen Osterfestes ab. So kann diese Fastenzeit längstens sechs Wochen und kürzesten nur acht Tage dauern. Der Ursprung dieses Fastens reicht bis in apostolische Zeit zurück, denn sie schon in den Apostolischen Konstitutionen vorgeschrieben und häufig seit dem sechsten Jahrhundert erwähnt.

 

In der Mariä-Entschlafenen-Fastenzeit bereiten sich die orthodoxen Christen  auf den Heimgang der allheiligen Gottesgebärerin vor. Es wird streng gefastet, das heißt, Wein und Öl dürfen nur samstags und sonntags genossen werden.

 

Schon die Schriften des Alten Testamentes berichten uns mehrfach vom Fasten als Zeichen der Trauer. Schon im antiken Judentum entwickelte sich die Praxis, dass man zweimal pro Woche fastete. Die Schriften des Neuen Testamentes berichten uns an mehreren Stellen, dass auch unser Herr Jesus Christus fastete. Insofern lag es schon in apostolischer Zeit nahe, dass auch die orthodoxe Kirche dem Bespiel ihres Herrn folgte und besondere Zeiten des Fastens beachtete. Schnell bürgerte sich der noch heute geübte Brauch ein, zum Gedenken an die Passion Christi am  Mittwoch und am Freitag zu fasten.

 

Das Fasten der Katechumenen vor dem Empfang der Heiligen Taufe gab es schon in frühchristlicher Zeit. Die gallische Pilgerin Egeria, die von 381 bis 384 das Heilige Land bereiste, berichtet uns auch von diesem Fasten. Hieraus entwickelte sich das Fasten vor den höchsten Festen des Kirchenjahres. Als Letztes kamen dann die Fasttage besonderer Feiertag wie die Enthauptung Johannes des Täufers und die Kreuzerhöhung hinzu. Darüberhinaus können von Patriarchen und dem Diözesanbischof in besonderen Notzeiten weitere Fasttage angeordnet werden.

 

Der Sinn unseres Fastens

 

Das Gebot des Fastens ist das erste Gebot, das der Mensch nach seiner Erschaffung erhalten hat.

 

Adam hat gesündigt, als er die Frucht des verbotenen Baumes aß, und das schreckliche Verderben der Sünde durchdrang die ganze Menschheit. Seit diesem Zeitpunkt hat der Teufel Zugang zum Herzen des gefallenen Menschen bekommen. Seit diesem Zeitpunkt war die perfekte Schöpfung Gottes – Adam, der vorher weder Bosheit noch Trauer kannte – den Leidenschaften ausgesetzt, in denen bis heute wie im Teer der Hölle unsere Herzen brodeln, die die gesegnete Gemeinschaft mit Gott verloren haben.

 

Hat nicht deshalb der Herr Jesus Christus Selbst, als er zur Rettung der dem verderben geweihten Sünder in die Welt kam und Seinen Dienst auf der Erde begann, vierzig Tage und Nächte lang in der Wüste gefastet und uns durch Sein Beispiel an die Heilsamkeit und Unabdingbarkeit des Fastens erinnert? Hat Er uns nicht deshalb durch die dreifache Verwerfung feindlicher Angriffe ein Beispiel des geistlichen Kampfes gezeigt, der für jeden unausweichlich ist, der die gute Frucht der Enthaltsamkeit des Fastens mit innerem geistlichen Wachstum zu verbinden strebt?

 

Jedoch muss man, um ohne Anstoß zu erregen den schmalen Weg des Heils zu beschreiten und den breiten Weg zu vermeiden, der nach den Worten des Heilands ins Verderben führt, klar verstehen, dass die Sünde nicht allein durch Enthaltsamkeit beim Essen und beim fleischlichen Leben besiegt wird, sondern durch Reinigung des Herzens und eifriges Streben nach makelloser Reinheit der Seele. Dieses heilige Streben, diesen segensreichen und heilsamen Eifer zu unterstützen – das ist der Hauptsinn des Fastens.

 

Wende dich ab vom Bösen und tue Gutes” (1. Brief des Petrus 3, 11), – vor allem diese Worte der Heiligen Schrift müssen wir während der Großen Fastenzeit im Gedächtnis haben.

 

Leider sind selbst unter kirchennahen Leuten heutzutage Verirrte und Unvernünftige anzutreffen, die den hohen geistlichen Sinn der Großen Fastenzeit nicht verstehen und für sich den einfachen Verzicht auf den Genuss verbotener Speise als ausreichend und erschöpfend ansehen.

 

Ach wir Unvernünftigen, und wehe uns Heuchlern!

 

Sinne nach, der du kein Fleisch isst, ob du nicht deinen Nächsten betrübt hast? ob du nicht gegen Gott gemurrt hast in den Leiden und Lasten der Seele? ob du nicht gegen jemanden Kränkung, Bosheit oder Neid hegst? ob du nicht auf deine vermeintlichen Stärken stolz bist? ob du dem Herrn für all das dankst, was dir gegeben ist? ob dein Herz nicht von vergänglichen weltlichen Sorgen gefangen ist?

 

Oder bist du, der du Fleisch von deinem Tisch verbannt hast, nachlässig gegenüber deiner eigenen Seele und zögerst, aus deinem Herzen Zorn und Heuchelei, Habsucht und Eigensinn, Hochmut und Stolz zu verbannen?

 

Streng ermahnt uns die Heilige Orthodoxe Kirche, dass uns körperliche Enthaltsamkeit nicht zum Nutzen ist, wenn wir sie nicht mit geistlicher Enthaltsamkeit – von Bösem, von Leidenschaften, von der uns quälenden Sünde – verbinden.

 

“Wenn du von Speisen fastest, meine Seele”, – so hören wir es in den Gebeten der Großen Fastenzeit, – “und von den Leidenschaften dich nicht reinigst, so freust du dich deines Fastens umsonst: denn wenn nach Besserung dein Streben nicht ist, wirst du als Lügnerin von Gott verworfen.”

 

Metropolit Johannes (Snychev), Auszug aus “Vorbereitung und Durchleben der Großen Fastenzeit – Leben in einer modernen ungeistlichen Welt” – Orginal in russischer Sprache)

 

 

Die Zeit des Fastens als Zeit des Heiles

 

Thomas Zmija

 

Zur Vorbereitung auf das Fest der lichten Auferstehung unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus, aber auch zum Gedächtnis seines bitteren Leiden und Todes um unseres Heiles willen hat unsere orthodoxe Kirche eine Zeit des Fastens, der Buße und des vermehrten Betens eingerichtet: die Große und Heilige vierzigtägige Fastenzeit. An vielen Stellen zeigen uns die Heiligen Schriftn des Alten und des Neuen Testamentes und die Heilige Tradition die große Bedeutung des Fastens für das geistige Leben der Christen. Bereits im Paradies gab der HERR unserem Stammvater Adam das Gebot der Enthaltsamkeit: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen“ (Genesis 2: 16 f). Die heiligen Propheten des Alten Testaments Moses und Elias fasteten beide vierzig Tage, bevor sie dem Herrn begegneten (vgl. Deuteomium 10: 10; 1. Könige 19: 8). Durch Fasten retteten sich die Einwohner der Stadt Ninive vor dem Untergang. Die Heilige Schrift berichtet uns über dieses fasten und dass damals die Menschen und die Tiere nichts zu sich nahmen (vgl.: Jona 3:7). Ein unübertreffliches Vorbild des christlichen Fasten gab uns auch unser HERR UND ERLÖSER JESUS CHRISTUS  Selbst, als Er vom Heiligen Geist in die Wüste geführt wurde und dort vierzig Tage und vierzig Nächte fastete. Daraufhin hat ER die Versuchung des Teufels zurückwies (vgl. Matthäus 4: 1-11). Und Christus lehrt uns auch, wie wir fasten sollen: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler“ (Matthäus 6: 16). Von den ersten Christen in Antiochia berichtet uns die Aufzeichnung der Taten der Heiligen Apostel, dass sie „zu Ehren des HERRN den Gottesdienst feierten und fasteten“ (Apostelgeschichte 13: 2). In der Nachfolge des Herrn und Seiner Apostel sind die Heiligen Orthodoxen Väter und alle Heiligen zu allen Zeiten diesen Weg der Askese zur Heiligkeit gegangen. Insofern ist es ein Irrtum, wenn die protestantischen Reformatoren meinten, infolge der Übertreibungen der mittelalterlichen lateinischen Kirche das Fasten in der Kirche gering schätzen zu dürfen und das biblische Fastengebot und Beispiel in Frage stellen zu sollen. Zwar ist das Fasten immer eine Übung, die der rechten geistlichen Einstellung und der Einbindung in das Gebetsleben des Christen bedarf, jedoch ist sie ein seit der Urkirche vielfach bezeugtes und bewährtes Mittel auf dem Weg zur Erlangung der Heiligkeit,  ein Weg der wahren asketischen Erfahrung des gesitlichen Wachsens im Leben eines jeden Christen und ein beredtes Zeugnis für das Wort des HERRN, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, welches durch den Mund Gottes ausgeht (vgl.: Matthäus 4: 4).

 

Das Fasten bedeutet eine Enthaltsamkeit und Einschränkung im Essen, aber auch im Gebrauch aller uns geschenkten materiellen Güter. Nach christlichem Verständnis sind die Gaben der Schöpfung von Gott gut geschaffen worden, aber durch den Sündenfall haben wir es durch unsere Selbstauslieferung an die Leidenschaften sozusagen verlernt, sie im rechten von Gott gesetzten Schöpfungsmaßstab zu gebrauchen. Fasten ist eine asketische Übung, die der wiedererlangung dieses richtigen Maßes dienen soll. Fasten ist deshalb nach orthodoxem Verständnis nichts, was wir dem geistlichen Leben hinzufügen oder das wir halt auch weglassen könnten, sondern recht verstandenes Fasten ist ein wesentlicher unverzichtbarer Bestandteil des geistlichen Lebens eines jeden Christen. Nach dem orthodoxen Verständnis der menschlichen Natur bilden nämlich im Menschen Seele und Leib eine untrennbare Einheit. Der Mensch drückt sein geistiges und geistliches Leben vermittels seines Körper aus. Daher ist das körperliche Fasten eine notwendige Vorbedingung, die durch die Sünde zerstörte Harmonie (das sind nach der lehre der Heiligen Väter die Leidenschaften) zwischen Seele und Leib wiederherzustellen. Indem sich der Mensch im Essen und in leiblichen Vergnügungen einschränkt, erweist er also seiner Seele eine Wohltat und hilft ihr, ihre durch die Sünde bewirkte Versklavung durch das Fleisch zu überwinden.

 

Ein orthodoxer Heiliger aus unseren Tagen mag hier stellvertretend für alle anderen Orthodoxen Heiligen Väter und Asketen stehen, wenn er sagt: „Durch das Fasten wird das Gefäß des Körpers und der Seele von unreinem Inhalt gereinigt, von irdischen Leidenschaften und Begierden.“ (Heiliger Bischof Nikolaj Velmirovic (1880-1956)). Doch das leibliche Fasten allein wäre zu wenig, da unsere menschliche Natur ein leiblich-seelischer Mikrokosmos ist. So ist das leibliche Fasten nur die notwendige Vorbereitung für die Anstrengungen sind, die nun auch von Seiten der Seele erforderlich sind. Unsere Heilige Orthodoxe Kirche ruft uns deshalb ihre Kinder auf: „Wenn wir, Brüder, leiblich fasten, lasst uns auch geistlich fasten...“ (Stichire zum Psalm 140 in der Vesper am Mittwoch der ersten Fastenwoche). Die mit unserer körperlichen Askese untrennbar verbundene notwendige geistliche Dimension des Fasten ist auf unsere Bereitschaft zur Buße und aufrichtiger Umkehr gerichtet. Diese wird uns in der Zeit der großen Fasten immer wieder durch ein besonderes Gebet für die Zeit der Großen Fasten vor Augen geführt. In seinem berühmten Bußgebet faßt der Heilige Ephräm der Syrers den Sinn unseres Fasten in den Worten zusammen:

 

Herr und Gebieter meines Lebens, den Geist des Müßiggangs, des Kleinmuts, der Herrschsucht und unnützer Worte gib mir nicht.

 

Gib mir hingegen, deinem Diener, den Geist der Keuschheit, der Demut, der Geduld und der Liebe.

 

Ja mein Herr und König, lass mich meine eigenen Sünden erkennen und nicht meinen Bruder und meine Schwester verurteilen; denn Du bist gepriesen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

 

Wenn der wir als orthodoxe Christen diese Zeit der Großen Fasten mit vermehrtem Gebet, dem Besuch der Gottesdienste in der Kirche, den gute Werken der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, dem heilsamem Empfang des Bußsakramentes und dem würdigen Empfang der Allheiligen Kommunion mit unserem leiblichen und geistlichen Fasten zu verbinden wissen, so wird auch Gottes Menschenliebe und Erbarmen uns Schritt für Schritt helfen die Knechtschaft der Sünde in uns zu überwinden und den Weg des Heils zu betreten. Insofern wünsche ich für die nun kommende Zeit der Großen Fasten allen an unseren gemeinsamen HERRN JESUS CHRISTUS Gläubigen mit den Worten, die aus der Tradition unserer griechischen Mitbrüder und Schwestern stammen: "Einen guten Kampf"

 

 

…zu viele Leute beginnen mit Begeisterung zu fasten,

 

um dann bei dem ersten Schwachwerden aufzugeben.Ich würde sagen, die wahre Prüfung fällt genau mit diesem ersten Fall zusammen: wenn wir uns, nachdem wir schwach geworden waren und unseren Begierden und Leidenschaften freien Lauf gelassen hatten, wieder mutig an die Aufgabe machen, ohne aufzugeben, egal, wie häufig wir schwach werden, dann wird früher oder später unser Fasten geistige Früchte tragen, gleichgültig, wie häufig wir vorher schwach geworden sind.

 

Zwischen der Heiligkeit und dem Zynismus ist Platz für die große und göttliche Tugend der Geduld - der Geduld vor allem mit sich selbst. Es gibt keine Abkürzung, um zur Heiligkeit zu gelangen; für jeden Schritt vorwärts müssen wir den vollen Preis entrichten. Es ist deshalb besser und sicherer, mit einem Minimum, das gerade ein wenig über unseren natürlichen Möglichkeiten liegt, zu beginnen und unsere Anstrengung schrittweise zu vergrößern als zu versuchen, zu Beginn sehr hoch zu springen und sich beim Sturz zur Erde die Knochen zu brechen…

 

Quelle: Erzpriester Alexander Schmemann.

Auszug aus dem Buch "Die Große Fastenzeit -

Askese und Liturgie in der Orthodoxen Kirche"

 

 

Über das Fasten in der orthodoxen Kirche

 

In der Orthodoxen Kirche wird das Fasten stehts aus der Perspektive, das heißt im Lichte und in seiner Verbindung zum des geistlichen Lebens zu betrachten. Orthodoxes Fasten ist kein diätisches körperliches Heilprogramm, sondern erhält seinen Sinn erst darin, dass sich der Mensch auf einen fortschreitenden Weg zu Gegenwart Gottes - und nichts anderes ist das geistliche Leben- begibt. Als Ausdruck der Beziehung zwischen Gott und dem Menschen wird uns das gilt das Gebot des Fastens bereits in der Schöpfungsgeschichte (Genesis 2:7) gegeben. Insofern beinhaltet orthodoxes Fasten immer ein bewußtes Hören auf das Wort Gottes und die Bereitschaft, sich auf Gott und auch auf seinen Nächsten zuzubewegen. Ansonsten verfehlte der Mensch das Hauptziel seines Wesen (die Heiligen Väter reden dann hier von seiner Natur), nämlich sich selbst und den gesamten geschaffenen Kosmos mit Gott zu vereinen. Da wir uns durch den Sündenfall von der Theosis, der innigen Gemeinschaft mit Gott in Liebe und Anbetung, getrennt haben, ist das Fasten ein körperlicher Ausdruck unserer Umkehr und unseres geistlichen Bemühens auf unserem Weg zu Gott. Insofern bleibt unser körperliches Fasten der Weg zum geistlichen Fasten. Und beides - in rechter Weise verbunden - eröffnet uns den Weg unserer Rückkehr zu Gott.

 

In der kirchlichen Praxis äußert sich das leibliche Fasten - neben seiner besonders strengen Form des absoluten Verzicht auf Nahrung, den die orthodoxe Kirche nur am Großen und Heiligen Freitag (Karfreitag) und an den Vorabenden der Feste der Geburt Christi und der Theophanie für die Gläubigen angeordnet hat - in der Regel durch die Enthaltung von tierischen Lebensmitteln, das heißt, durch die Enthaltung von Fleisch, Milch und Eiern und an bestimmten Tagen auch von Öl und Wein in unserem Speiseplan. An welchen Tagen das Fasten wie in Übereinstimmung mit dem kirchlich-liturgischen Leben der orthodoxen Kirche gestaltet werden kann, entnehmen wir dem kirchlichen Kalender.

 

In gewisser Weise will uns das leibliche Fasten als einer Form der körperlichen Enthaltung an den ursprünglichen, paradiesgemäßen Zustand des Menschen erinnern. So ist Fasten auch immer ein innerer Anruf an uns, uns erneut unserer schöpfungs- und wesensgemäßen menschlichen Bestimmung, also das rechte Maß der Dinge bei unserem Umgang mit Gottes Schöpfung erneut wieder ins Gedächtnis rufen. Fasten ist also immer auch ein Mittel, die ganzheitliche Dimension unseres Lebenswandels in unserer Beziehung zu Gott, zu Seiner Schöpfung und am Ende auch zu uns selbst auszuloten und auszudrücken.

 

Für den orthodoxen Christen ist das Fasten mit dem kirchlichen Leben, also mit dem Leben in Christus verbunden. Orthodoxes Fasten vollzieht sich dabei auch als eine "Nachahmung Christi", Der nach Seiner Taufe vom Heiligen Geist in die Wüste geführt wurde und dort als Vorbereitung auf Sein öffentliches Wirken vierzig Tage fastete (Matthäus 4: 1-11). Er selbst empfiehlt uns ausdrücklich das Fasten, das vom Gebet begleitet wird (Matthäus 17,21). Insofern wissen wir als orthodoxe Christen, dass das Fasten sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament angeordnet und bezeugt ist und dass die Fastenden sich nach der Anordnung und dem Beispiel des Herrn Selbst richten. Das Fasten ist aber kein Selbstzweck, denn was der Mensch im leiblichen Fasten verspürt, ist nur körperlicher Ausdruck - gleichsam der Geschmack - sein geistlichen Sehnsucht nach Gott. Das leibliche Fasten kann deshalb nach orthodoxer Auffassung nicht diätisch-isoliert vollzogen werden - auch wenn viele unter uns Orthodoxen das "Fasten" in diese Richtung vereinseitigend missverstehen - es bedarf grundsätzlich einer Einbettung und Ausrichtung am geistlichen Leben, also an der Askese als dem geistlichen und geistigen sich Bemühens, um sich mehr und mehr der Göttlichen Wirklichkeit und unserer gnadenhaften Teilhabe an ihren Unerschaffenen Energien, also unserem gnadenhaften Fortschreiten an der Aneignung der Theosis, bewußt zu werden.

 

Dieses biblische Fastenverständnis findet sich im orthodoxen Fasten wieder. Denn das Neue Testament bestätigt an vielen Stellen das vom Gebet begleitete Fasten des alttestamentlichen Volkes Gottes als Mittel der Enthaltsamkeit, der Buße, der geistlichen Aufrichtung und der Vorbereitung auf wichtige Entscheidungen und Ereignisse; also seiner Begegnung mit Gott. Gleichzeitig lesen wir in den biblischen Schriften und bei den Heiligen Vätern immer wieder von der Ablehnung eines Fasten, das zu reinen äußerlich-religiösen Ritual verkommen ist. Die Heiligen Schriften und die Orthodoxen Väter heißen unmissverständlich nur das aufrichtige Fasten gut, das mit einer entsprechenden inneren geistlichen Haltung einhergeht. Das orthodoxe Fasten wird deshalb als ein Mittel zur seelischen, geistigen und körperlichen Läuterung und Enthaltsamkeit verstanden. Es dient der Stärkung des Glaubens und des geistlichen Lebens und will den Gläubigen zur Heiligung führen. Deshalb kann es nach orthodoxem Verständnis auch niemals um ein äußerliches rituelles "Fastengesetz" gehen. Bei aller orthodoxen Wertschätzung eines geregelten kirchlichen Lebens geht es im geistlichen Verständnis des kirchlichen Lebens in der Orthodoxie niemals darum, das Ritual als einem äußerlichen Mittel, sondern stehts dem angestrebten geistlichen Ziel, gerecht zu werden. Deshalb kann und soll die Fastenpraxis des Einzelnen mit dem Segen des geistlichen Vaters an die jeweiligen persönlichen Lebensumstände angepasst sein.

 

Aus diesem Grunde wird uns das orthodoxe Fastenverständnis an den Sonntagen der Vorfastenzeit wieder erneut ins Gedächtnis gerufen. Bestimmend für das orthodoxe Verständnis eines gottgefälligen Fastens sind die Evangeliumslesungen dieser drei Vorfastensonntage, die den Gläubigen dann in den Gesängen und Hymnen der Gottesdienste in der darauffolgenden Woche ausgelegt werden: Das Gleichnis vom Zöllner und Pharisäer (Lukas 18:10-14), das Gleichnis vom Verlorenen Sohn (Lukas 15: 11-32) und vom Jüngsten Gericht (Lukas 2:22-40).

 

So gilt es in einem orthodoxen Verständnis der Großen Fastenzeit die Demut des Zöllners zu erhalten, sich des drastischen Zustandes der Sünde, also der Abkehr von Gott, erneut bewusst zu werden, entschlossene Umkehr zu wagen, auf die Liebe Gottes zu hoffen und Ihn im Anlitz eines jedem Mitmenschen zu erkennen. Deshalb auch geht der ersten Woche der Großen Fastenzeit gleichsam als erster Schritt auf dem Weg durch die Zeit der Läuterung die Vesper der Vergebung voraus, in der die orthodoxen Gläubigen einander um Verzeihung bitten.

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija

 

Über die Fastenregeln

 

Am Tag nach dem Sonntag der Entsagung der Milchspeisen, dem Reinen Montag beginnen die 40 Tage des Großen Fastens, die bis zum Lazarus-Samstag vor der Großen Woche dauern. In dieser Zeit sollten weder Fleisch noch Milchprodukte, Eier, Öl oder Wein genossen werden; an Samstagen und Sonntagen sind aber zum Beispiel Tintenfisch oder Muscheln und Öl und Wein erlaubt. Diese Fastenregeln unserer Kirche sind sehr alt und nehmen Bezug auf die Eßgewohnheiten in der antiken und byzantinischen Gesellschaft rund um das Mittelmeer. Es versteht sich daher von selbst, dass wir das heutige Fasten an unsere Lebenssituation anpassen müssen.

 

Da nach dem strengen Gebot des Herrn und der Tradition unserer Kirche, das Fasten im Verborgenen geschehen soll (Matthäus 6: 16-18), bleibt es dem Gewissen der einzelnen Gläubigen selbst überlassen, wie sie sich am Fasten der Kirche beteiligen. Man erwartet nicht, dass die Fastenregeln vollständig eingehalten werden. Alle sollen tun, was sie können und was in ihrer Lebenssituation sinnvoll ist. Doch ist wichtig, dass sich niemand allzu leichtfertig über das gemeinsame Fasten der Kirche hinwegsetzt. Denn irgendein Enthalten, eine Vertiefung im Gebet und eine Befleißigung in der Ausübung der Nächstenliebe ist einem jedem Christen möglich. Ohne sie gibt es kein Wachsen auf dem Wege der Theosis.

 

Quelle: The Orthodox Messenger

 

 

Die Fastenregeln in der Orthodoxen Kirche

 

Grundsätzlich sollte jeder orthodoxe Gläubige seine individuelle Gestaltung der Fastenregeln in Verantwortung vor Gott und in Absprache mit dem Priester seiner Pfarrgemeinde, seinem Beichtvater oder seinem geistlichen Vater festlegen.

 

Wie alle Regeln im geistlichen Leben wird auch ein Fasten „auf eigene Faust“ nicht empfohlen. Als geistliche Übung (von griechisch Askese askesis) steht nicht der Nahrungsverzicht, sondern die Intensivierung des Gebetslebens, die Meidung der Gelegenheiten zur Sünde im Zentrum unserer Bemühungen während der Fastenzeiten.

 

Alles Folgende ist also nur als ein Vorschlag zur persönlichen Gestaltung des je eigenen Fastens zu verstehen. Auch wird es nur von einer kleinen Minderheit unter den Gläubigen, zumal in den Gegebenheiten des modernen Lebens und der Eingebundenheit der meisten von uns in die Lebensabläufe einer nicht-orthodoxen Umwelt vollständig eingehalten werden können. Auch unter den meisten frommen Orthodoxen wird das strenge Fasten nur in der Großen und Heiligen Woche (Karwoche), das ist die Woche unmittelbar vor dem Osterfest, unter möglichst weitgehender Beachtung der Regeln weiterhin eingehalten.

 

Die orthodoxe Kirche kennt grundsätzlich drei Stufen des Fastens:

 

a) Strenges Fasten: ein streng veganes Fasten, bei dem außer Honig keinerlei tierische Produkte verzehrt werden. Außerdem werden weder Öl noch Alkohol konsumiert.

 

b) Leichtes Fasten: Im Gegensatz zu a) sind Wein, Öl und Meeresfrüchte (Muscheln & Krebse) sowie Weichtiere (Schnecken) erlaubt. Im Gegensatz zu heute waren Muscheln und Krebse keine Delikatessen, sondern der Abfall der Fischer und wie die Schnecken das Essen der „armen Leute“.

 

c) Fisch: Im Gegensatz zu b) ist zusätzlich noch Fisch erlaubt.

 

In Klöstern gibt es noch eine zusätzliche Form des Fastens, die Xerophagia, die sich durch kompletten Nahrungsverzicht bis zur neunten Stunde (15 Uhr) auszeichnet und danach nur Brot, Früchte und Wasser erlaubt. Diese Form ist für die Große Fastenzeit vor Ostern vorgesehen und wird von Laien bisweilen am Reinen Montag (erster Fastentag) und am Großen Freitag(Karfreitag) eingehalten. 

 

Zu beachten ist, dass diese grundsätzlichen Fastenstufen nach der Lokaltradition in den einzelnen orthodoxen Landeskirchen verschieden gehandhabt werden können.

 

In der orthodoxen Kirche gibt es vier mehrtägige Fastenzeiten:

 

Die Heilige und Große vierzigtägige Fastenzeit beginnt sieben Wochen vor Ostern und dauert bis zum Freitag vor dem Lazarus-Samstag an. Der vierzigtägigen Fastenzeit geht die Butterwoche voraus, in der kein Fleisch mehr, aber ausgiebig Milchprodukte und Eier verzehrt werden. An die große Fastenzeit schließt unmittelbar das Fasten des Lazarus-Samstages, des Palmsonntages und der Karwoche an.

 

Das Apostelfasten, in der ein leichtes Fasten gilt, dauert vom ersten Sonntag nach Pfingsten bis zum Hochfest Peter und Paul am 29. Juni. Die Dauer hängt vom Osterdatum ab.

 

Das Marienfasten vor dem Fest der Entschlafung der allheiligen Gottesgebärerin. Es wird streng gefastet. Diese Fastenzeit dauert vom 01. bis zum 14. August.

 

Das Philippusfasten, das zeitlich der westlichen Adventszeit entspricht, dauert vom 15. November bis 24. Dezember. Vor dem Fest des heiligen Spyridon am 12. Dezember gilt leichtes Fasten, danach bis zum Weihnachtsfest strenges Fasten. Am Vorabend des Weihnachtsfestes(Heiliger Abend) wird „bis zum ersten Stern“ gefastet, das heißt bis zur Vesperliturgie gilt eucharistisches Fasten. Das gleiche gilt für den Vorabend des Festes der Theophanie.

 

Außerdem soll an jedem Mittwoch und Freitag gefastet werden (strenges Fasten), außer in den Wochen direkt nach Ostern und Pfingsten (Oktav) und in den zwei Wochen nach Weihnachten.

 

Während der Fastenzeiten sollte sowohl die Anzahl der täglichen Mahlzeiten wie auch deren Gehalt eingeschränkt werden. An Samstagen und Sonntagen wird das Fasten jeweils um eine „Stufe“ gelockert.

 

Für orthodoxe Mönche und Nonnen gelten weitere Regeln: Allgemein fasten sie zusätzlich an jedem Montag. Die weitere Ausgestaltung ist von Kloster zu Kloster je nach der Klostertradition und deren Auslegung des Typikons und den geistlichen Entscheidungen des Igumen verschieden. 

 

Quelle: Zusammengestellt von Thomas Zmija

unter Verwendung von: http://orth-gemeinschaft-stuttgart.jimdo.com/verschiedene-texte/fastenzeiten/ 

 

 

Zur Geschichte der Fastenzeit

 

Die genaue Zahl vierzig wird auf diese Weise erreicht: sieben Tage zwischen dem Montag, dem ersten Tag der Fastenzeit, und dem folgenden Sonntag, dem ersten Sonntag der Fastenzeit; sieben Tage zwischen dem Montag, der folgt, und dem zweiten Sonntag, zwischen dem folgenden Montag und dem dritten Sonntag — usw. bis zum fünften Sonntag der Fastenzeit; dann gibt es fünf Tage zwischen dem Montag, der auf den fünften Sonntag der Fastenzeit folgt, und dem folgenden Freitagabend, an dem mit der Vesper der Lazarus-Samstag beginnt. Vom Lazarus-Samstag an sind wir nicht mehr in den vierzig Tagen der Fastenzeit, sondern in der Heiligen Woche.

 

Der Ursprung dieses Fastens ist das absolute Fasten am Karfreitag und Karsamstag im 2. und 3. Jahrhundert. Dieses zweitägige Fasten zeigte die Abwesenheit Christi zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung an. Man sah darin eine Übereinstimmung mit dem durch diese Worte Jesu beschriebenen Zustand: ,,Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; dann werden sie fasten“ (Matthäus 9,15). Diese Bedeutung des Fastens als Trauer wegen der Abwesenheit Christi ist vielleicht den modernen Christen nicht sehr vertraut, und doch liegt hier der innigste, der tiefgründigste, der bewegendste Grund für das Fasten. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts erwähnt die Didaskalia ein Fasten von sechs Tagen während der Heiligen Woche. Im 4. Jahrhundert finden wir ein vierzigtägiges Fasten in Jerusalem im Gedenken an das Fasten Jesu in der Wüste. Die Pilgerin Aetheria und der heilige Kyrill von Jerusalem erwähnen diese vierzig Tage. Um das Jahr 400 schreiben die Apostolischen Konstitutionen das vierzigtägige Fasten vom Morgen bis zur neunten Stunde (drei Uhr nachmittags) vor. Es geht darum, sich während des Tages jeglicher Nahrung zu enthalten. Der Verzehr von Fleisch und die Tyrophagia, Milchprodukte und Eier, sind verboten. Zu den Mahlzeiten sind allein die xerophagia, der Genuss trockener Nahrung, erlaubt. Der Verzehr von Fisch und Wein gibt Anlass zu wankelmütigen Betrachtungen. Die Konstitutionen sprechen von Fasten im allgemeinen und sagen: ,,Wenn eure Gesundheit es euch erlaubt...“ Das ist die Form, unter der Basilius, Chrysostomos und Augustinus die Fastenzeit gekannt haben. Es scheint auch, dass sie eher Ratschläge als strikte Vorschriften gegeben haben. Das Konzil im Trullo (692) spricht von sieben Wochen Fastenzeit als im Osten allgemein üblich. Die Beachtung der Fastenzeit ist in der griechischen Kirche im 8. und 9. Jahrhundert fest etabliert. Es ist schwierig, in der Tradition des Fastens festzustellen, was klösterlichen Ursprungs und Eingebung ist und was dafür bestimmt ist, von Laien beachtet zu werden. Viele von ihnen beachten ein recht strenges Fasten während der ganzen Fastenzeit. Der Großteil beachtet eine gemäßigte, gemilderte Fastenzeit. Einige fasten während der ersten Woche der Fastenzeit und während der Heiligen Woche. Welch genaue Bedeutung haben die Vorschriften des Fastens? Das hängt von den Dokumenten ab, die sie belegen. Es ist selbstverständlich, dass ein apokrypher Text wie die um das 5. Jahrhundert zusammengestellten sogenannten Apostolischen Konstitutionen (die Bezeichnung apokryph trifft hier nicht zu, denn es handelt sich um eine umfangreiche Kirchenordnung einer späteren Zeit, die einen falschen Titel trägt) in keiner Weise dieselbe Autorität haben, die den authentisch von den Aposteln stammenden Texten oder einer durch ein Ökumenisches Konzil getroffenen Entscheidung zukommt. Die orthodoxe Kirche gibt im allgemeinen eher Richtlinien als buchstabengetreue Vorschriften. Sie gibt Ziele an, sie zeigt Modelle, sie sagt, wonach man streben soll; aber da die orthodoxe Kirche (im Gegensatz zur römischen Kirche) keine menschlichen Autoritäten hat, die Dispens erteilen können, lässt sie jedes Gewissen darüber urteilen, was angesichts einer zur Regel gewordenen Tradition die Anpassung an die persönlichen Umstände gebietet oder erlaubt. Auf dem Gebiet des Fastens muss man den Geist und den Buchstaben unterscheiden. Jemand, der auf Fleisch verzichtet, aber seltenen Fisch isst oder eine raffinierte und teure vegetarische Diät befolgt, mag dem Buchstaben treu sein, aber er ist nicht dem Geist des Fastens treu. Jemand, der die einfachsten Fleischsorten isst, die weniger als die Fische oder ein Großteil des Gemüses kosten, und der sich jeder ausgesuchten Küche enthält, verstößt vielleicht gegen den Buchstaben, bleibt aber im Geist des Fastens. Darüber hinaus hat das ernährungsmäßige Fasten keinen Wert, wenn es nicht von wichtigeren Konsequenzen begleitet wird.

 

Ist es möglich, die Aufmerksamkeit auf Jesus gerichtet zu halten, zu ihm zu schauen, wenn man sein Vergnügen in Tänzen, dem Radio, Femsehen, Filmen, Theater, Romanen findet? Und ich spreche nicht nur von erotischen Romanen oder Schauspielen. Selbst Dinge, die in sich nicht schlecht sind, z. B. dieser oder jener Krimi, lenken unsere Aufmerksamkeit ab vom Erlöser, machen uns für seine Gegenwart „unempfänglich“. Ein Heiliger kann Jesus überall wiederfinden. Aber für den gewöhnlichen Christen ist es schwierig. 

 

Quelle: A Monk of the Eastern Church, The Year of Grace of the Lord.

 

 

Über das Fasten vom Heiligen Johannes Klimakus
 
1. Allgemeine Lobpreisung der Fasten
Das Fasten ist die Erleuchtung der erblindeten Herzen, ein Licht der Seele, die Wache des Geistes, die Tür zur Demut, die Quelle der zerknirschten Seufzer, der Tod der Geschwätzigkeit, der Anlass zur geistlichen Sammlung, die fröhliche Trauer des bußfertigen Herzens, der Wächter des Gehorsams, die Ursache beseligender Ruhe, das Heil des Körpers, das Mittel zur Vergebung von Sünden und das Tor zur Seligkeit des Paradieses.
2. Von der physischen Natur des Fastens
Wenn unsere Seele nach verschiedenen Speisen verlangt, so finden wir das als etwas der Natur entsprechendes. Doch ist umsichtige Wachsamkeit vonnöten, damit wir nicht in die Fallstricke unserer schlauen Feindin, der Essbegierde, geraten. Lasst uns auf jene Speisen verzichten, die fett machen und die im Körper die Hitzigkeit anfachen. Nach unserer Beobachtung sind es vor allem Fleischspeisen, die im Körper die Flamme der Geilheit nähren. Halten wir Maß! Mit überfüllten Eingeweiden lässt sich nicht enthaltsam leben. Lasst uns auf Naschwerk verzichten, das süß und wohlschmeckend ist, aber nur dem Gaumenreiz dient. Dann werden wir frei von den Geiseln des Leibes.
3. Von der rechten körperlichen Einstellung zum Fasten
Wenn du zu Tische sitzt, so vergiss inmitten der Speisen nicht das Andenken des Todes. Wenn du an das Gericht Gottes denkst, wirst du nicht geneigt sein, im Übermaß deinen Teller anzuhäufen. Wenn du zum Becher greifst, erinnere dich des Essigs und des Gallentranks, den man unserem Herrn gereicht hat, dann wirst du nicht geneigt sein, dich zu betrinken. Du wirst gen Himmel seufzen und bescheidener werden. Ein Sklave seines Bauches ist der Mensch, der die Feiertage nur im Hinblick auf die Köstlichkeiten des Tisches erwartet und nicht an die Gnadenschätze des Himmels denkt, die ihn erwarten.
4. Warnung vor der Sklaverei durch die Leidenschaft
Beherrsche deinen Bauch, bevor er dich beherrscht, damit du nicht eines Tages plötzlich in Schanden gezwungen bist, zu einer mäßigeren Lebensart zurückzukehren! Die Menschen, die der Gefräßigkeit und der Trunksucht verfallen sind, träumen nur von ihren Gelüsten. Wer aber in der wahren geistlichen Bußtrauer lebt, weiß, dass ihn das furchtgebietende Gericht Gottes erwartet.
5. Vom Kampf mit der Unreinheit
Der Geist des Fasters ist nüchtern und klar. Der Geist des Unmäßigen aber ist voll unreiner Vorstellungen. Die Völlerei bewirkt die Verführbarkeit des Blickes, sie ist eine Quelle der Geilheit. Die Betrübnisse des Bauches aber bahnen den Weg zur Keuschheit.
6. Durch guten Willen allein besiegt man nicht das Fleisch
Wer sein Fleisch durch Besinnung auf seine Tugenden mit gutem Willen allein bekämpfen und überwinden will, kämpft vergeblich. Wenn Gott nicht selbst das Haus fleischlicher Gelüste zerstört und dafür das Haus des Geistes errichtet, so kannst du fasten und wachen und alles ist umsonst. Stelle dem HERRN die Schwachheit deiner Natur vor Augen! Erkenne dabei deine eigene Ohnmacht und du wirst die Gnade der Keuschheit empfangen und erfahren, wie du dich erhebst über die Fesseln deiner Körperlichkeit.
7. Das Fasten als Gnadenquelle
Übersättigung trocknet alle Gnadenquellen aus, durch Fasten aber fließen die Tränen der Reue und durch Reue findest du zur Buße und Vergebung.
8. Günstige Begleiterscheinungen des Fastens
Wird der Bauch durch Fasten beherrscht, demütigt sich auch unser stolzes Herz, denn der Geist der Hoffart wird bei Tisch ernährt. Bezähmst du deine unersättliche Begierde nach den Tafelfreuden, so wirst du auch deine Zunge beherrschen, denn von der Menge der Speisen gewinnt sie ihre Kraft.
9. Anfragen an das Laster und Beantwortung der Fragen
Die Gefräßigkeit ist Herrin über alle Übel. Frage diese Herrin und sie wird dir Auskunft geben, Auskunft über Adams Fall, Auskunft über Noahs Schande, Auskunft über Sodom und Gomorrhas Verderben, Auskunft über die Vertilgung der Söhne Elis, Auskunft über den Untergang der Israeliten!
Fragt doch diese Herrin: 
Woher bekamst du die Erlaubnis, über uns zu herrschen? 
Was bezweckst du und wie lange währt deine Herrschaft? 
Wird sie antworten? 
Sie wird schon antworten, weil sie der Beschimpfung durch diese Anfragen überdrüssig wird: 
Was schmäht ihr mich? 
Ihr seid mir unterworfen! 
Wie wollt ihr euch von mir trennen, wo uns doch die Natur miteinander verbunden hat! 
Das Tor, durch das ich einzog, ist die Verlockung der Völlerei. 
Die Ursache meiner Herrschaft ist die Fühllosigkeit des Geistes, euer gewohnheitsstarres Wesen und die Vergessenheit euerer Vergänglichkeit.
Kennt ihr meine Kinder? 
Ihre Namen wollt ihr wissen?
So hört!
Meine vielgeliebten Söhne heißen:
Herzenskälte, 
unreiner Traum, 
Befleckung.
Meine vielgeliebten Töchter heißen: 
Trägheit, 
Geschwätzigkeit, 
Narretei,
Frechheit, 
Vorurteil, 
Prahlerei, 
Eitelkeit.
Mich bekämpft man, mich überwindet man aber nicht. Das Gedenken der Vergänglichkeit verfolgt mich zwar, aber es gibt nichts im sterblichen Leben, das mich ganz vernichtet. Wer den Heiligen Geist hat, kämpft gegen mich und jener verhindert auf innigstes Anflehen hin eine gottlose Handlung. Diejenigen aber, die den himmlischen Tröster nicht verkostet haben, unterliegen meinen verführerischen Reizen.
10. Schlussgedanke
Wer die Laster überwand, schreitet auf offener Straße zum Glück der Mäßigung und zum Seelenfrieden.
Anmerkung: Der Heilige Igumen Abt Johannes vom Sinaikloster hat die „Paradiesleiter“ als geistliche Anleitung für seine ihm anvertrauten Mönche geschrieben. Insofern läßt sich nicht alles und jedes, was wir in diesem wichtigen asketischen Buch lesen, im Leben eines Christen, der eine Familie hat, beziehungsweise in seinem Beruf arbeitet, vollständig verwirklichen. Gerade Hochmut und Übertreibung sind geeignete Fallstricke, mit denen der Teufel uns dann zu Fall zu bringen versucht, wenn wir versuchen, ein geistliches Leben zu führen. Insofern holen wir uns als orthodoxe Christen, die wir in der in der Welt leben, unsere Orientierung zwar am Leben der Klöster, besprechen das rechte Maß im Einzelnen jedoch mit unserem geistlichen Vater.

 

Die Zeit der großen Fasten

 

Thomas Zmija

 

Mit dem "Versöhnungssonntag", auch "Sonntag des Vergebens" genannt, beginnt in der orthodoxen Kirche die vierzigtägige Große Fastenzeit vor Ostern. An sie schließt die Karwoche, "Große und Heilige Woche" genannt, an. Diese mündet ein in die Feier der lichten Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus.

 

Beim Fasten meint die orthodoxe Kirche einerseits die Enthaltung von jeglichen tierischen Produkten und Erzeugnissen, sowie von Vergnügungen und anderen zerstreuenden Beschäftigungen um das Hinwenden unserer Gedanken und unseres Geistes auf das Gebet, die Reue und die Buße zu ermöglichen, damit wir unser Leben dadurch wieder Gott annähern. Halten wir jedoch die Fastenzeit nur für ein diätisches Programm mit lästigen kulinarischen Einschränkungen und für eine Beschneidung unser persönlichen Freiheit, so verliert das Fasten seine wesentliche und grundsätzliche Bedeutung. Es gibt Tausende von Menschen, die sich vegetarisch ernähren, was selbstverständlich nicht bedeutet, dass sie im geistigen Sinne fasten. Das leibliche und moralische Fasten sind für die orthodoxe Kirche gleichwertige Bestandteile einer geistiglichen Reise aus der Finsternis ins Licht.

 

Das geistliche Ziel des Fastens ist die Buße, in anderen Worten, das Reinigen von den Sünden und die Befreiung von unseren Leidenschaften. Unsere Sünden sind gleich einem Krebsgeschwür die höchste Präsenz des Bösen bei jedem einem Einzelnen von uns und damit in unserer Gemeinschaft, denn sie trennen uns von Gott, der uns trotz unseren unvollkommenheiten liebt und möchte, dass wir gleich dem verloren Sohn zu ihn zurückkehren. Nur sind unsere Sünden gleichsam Steine einer Trennmauer, die wir gegenüber Gottes Liebe und Gnade aufbauen, durch die wir uns im Gefängnis unserer Verstrickung in Sünde und Schuld selbst einsperren. Insofern ist die heilige Fastenzeit recht verstanden keine Zeit der Einschränkung, sondern der Befreiung zur Fülle in der durch Gottes Gnade uns wiedergeschenkten Fülle seiner Gegenwart. Denn wenn der Mensch sich seiner moralischen Werte beraubt, hört er auf, Mensch zu sein. Das, was uns von den anderen Geschöpfen unterscheidet, ist nicht unser äußerliches Aussehen, sondern unser moralisches Bewusstsein, unser Gewissen und die Fähigkeit, Gott kennenzulernen und sich an Ihn Im Gebet zu wenden.

 

Es muss auch erwähnt werden, dass durch das Fasten allein keine Vergebung der Sünden erreicht wird. Gott allein ist derjenige, der uns vergibt. Das Fasten ist eine wichtige Hilfe in diesem Vergebungsprozess. Reue, Gebet und Buße, die Bestandteile des Fastens sein müssen, schaffen die Grundvoraussetzungen, in denen Gottes heilende und vergebende Kraft wirkt. Dies geschieht dann im Mysterium der heiligen Beichte.

 

Einige praktische Fastenregeln:

 

1. Das Fasten beginnt mit der Vergebungsvesper am Sonntag der Vergebung.

 

2. Ab diesen Tag bis zum Vorabend des Osterfestes bzw. bis zum Osterfest enthält man sich von allen tierischen Produkten (Fleisch, Fisch, Wurst usw.) und Erzeugnissen (Eier, Butter, Milch, Käse usw.) Eine Ausnahme bildet nur der Honig.

 

3. Neben dem „normalen“ Fasten gibt es auch das strenge bzw. totale Fasten, wenn man für eine bestimmte Zeit nichts zu sich nimmt. Heute ist dies noch der Karfeitag in der Großen und Heiligen Woche. Traditionell wird ein strenges Fasten auch am Mittwoch und Freitag der Großen Fastenzeit eingehalten. Es ist eigentlich ein eucharistisches Fasten zur Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Gaben während der Liturgie der Vorgeweihten Gaben. Danach kann man wieder pflanzliche Kost in sich nehmen.

 

4. Das eigentliche Fasten endet traditionell mit dem Ritus des Fastenbrechens nach der Liturgie am Karsamstagmorgen, jedoch essen wir noch keine tierischen Produkte bis zum Abschluss der Auferstehungsfeier, das Heißt bis nach der Feier der Göttlichen Liturgie in der Osternacht, denn am Ende der heiligen Fasten soll man in die Kirche gehen, an der Feier der Heiligen Liturgie teilnehmen und mit dem Empfang der Heiligen Kommunion das Fasten beenden.

 

5. Die Heilige Kirche erwartet, dass die Fastenden während der Großen Fastenzeit intensiv zur Kirche kommen und den speziellen Gottesdiensten während der Fastenzeit beiwohnen, sowie das Lesen der Bibel und ihre individuellen Gebete intensivieren.

 

6. Es ist auch sehr wichtig, sich wenigstens während der Großen Fastenzeit von schädlichen Gewohnheiten (z. B. dem Rauchen) fernzuhalten.

 

7. Während der gesamten Fastenzeit finden in der Kirche keine Trauungen statt.

 

8. Die orthodoxen Gemeinden und Vereine, aber auch die einzelnen Familien werden gebeten, keine geselligen Veranstaltungen wie private Einlandungen- und Feiern, Kino-, Theater- und Konzertbesuche zu organisieren.

 

 

Das Triodion

 

Das liturgische Buch für die Zeit der Großen Fasten

 

Das "Triodion"  (griechisch Τριῴδιον, kirchenslawisch Трїωдь) ist das gottesdienstliche Buch, das die liturgischen Texte der Zeit vom Sonntag des Zöllners und Pharisäers (ab der Vesper des Vorabends) bis zum Abend des Großen und Heiligen Samstags enthält. Das darauffolgende "Pentekostarion" (griechisch Πεντηκοστάριον kirchenslawisch Цвѣтнаѧ Трїωдь) beginnt mit den Texten für die der österlichen Auferstehungsfeier.

 

Die Orthodoxe Kirche benutzt das Triodion in seiner heutigen Form etwa seit fünfhundert Jahren. Die Entwicklung zu dieser Form umfaßt einen Zeitraum von rund tausend Jahren (vom 5. bis zum 15. Jahrhundert).

 

Das "Triodion" heißt so, weil die meisten Kanones im Morgengottesdienst in der Großen Fastenzeit nur drei Oden haben, während in der übrigen Zeit des Kirchenjahres acht bzw. neun Oden umfassen.

 

Die erste Phase seiner Entstehung (vom 5. bis 8. Jahrhundert) formte die Texte für die Gottesdienste in der Großen und Heiligen Woche (Katwoche) aus.

 

Im 7. und 8. Jahrhundert wurden dann die Kanon-Hymnen für die Sonntage geschrieben, die das ältere System mit einer Kontakien-Dichtung ablösten. Die bekanntesten Kanondichter dieser Zeit sind Kosmas der Melode, Theophanes Graptos und der Heilige Andreas von Kreta. Sie verstanden die Bilder der Bibel - ähnlich wie die Darstellungsform auf den Heiligen Ikonen - in einprägsamen hymnischen Dichtungen zu umschreiben.

 

In einer zweiten Phase ab dem 9. Jahrhundert begann man dann in Konstantinopel die Texte zu einer Synthese für die Gottesdienste in der Hagia Sophia zu strukturieren. Auch wurde das Triodion nun durch die Texte für die Werktagsgottesdienste ergänzt. Wesentlich beeinflusst wurde diese Entwicklung vom Studionkloster in Konstantinopel. Hier erfuhr das Triodion auch seine heutige Prägung durch die monastische Spiritualität.

 

In einer dritten Phase (vom 10. bis zum 15. Jahrhundert) wurden das Buch um die später eingeführten Themen der Sonntage "Sieg der Orthodoxie", "Heiliger Gregor Palamas" und "Heiliger Johannes Climacus" ergänzt.

 

In seiner heutigen Synthese ist das Triodion wesentlicher Ausdruck der liturgischen und spirituellen  Prägung der Gottesdienste und des geistlichen Lebens in der Orthodoxie während der Großen Fastenzeit. 

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija

 

 

Die Große Fastenzeit

 

Vater Elias Bagas, Erzpriester der Griechischen Orthodoxen Erzdiözese in Australien 

 

Die Fastenzeit hat begonnen und einige wurden wohl gerne wissen warum wir diesem alten Brauch des Fastens folgen sollen. Viele konnten das Fasten abtun mit den Worten: „Wir sind am Anfang des 21. Jahrhunderts und die Fastenregeln sind von Menschen gemacht." Gleichgültig was manche Leute denken oder sagen, es ist aber Tatsache, dass das Fasten auf der Heiligen Schrift (der Bibel) und auf der Tradition der Kirche bis zurück zu der Zeit der Apostel beruht. Fasten wurde von jüdischen Gemeinden schon vor der Geburt Christi praktiziert. Interessant ist, dass die Frühe Kirche das jüdische wöchentliche Fasten am Montag und Donnerstag übernahm, um des Verrats Christi durch Judas Ischariot am Mittwoch und Seiner Kreuzigung am Freitag zu gedenken. Wir wissen auch, dass Christus 40 Tage lang in der Wüste fastete (Matthäus 4: 2) und dass Elias (wie im Alten Testament beschrieben) und Johannes der Taufer fasteten und dass Christus sagte, dass wir fasten und beten sollten, um gewisse Damonen auszutreiben (vgl.: Markus 9: 29).

 

Christus rat uns: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Matthäus 6: 19-21). Fasten hilft uns, uns nicht mehr um das Essen für den Magen zu kümmern und hilft uns zu erkennen, dass wir durch unsere Gebete und die geistige Speise für unsere Seelen für uns Schatze sammeln im Himmel. Christus sagte auch: „Nicht das, was durch den Mund in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern was aus dem Mund des Menschen herauskommt, das macht ihn unrein" (Matthäus 15: 11). Das ist ein anderer Fastentyp an dem wir teilnehmen müssen, um Schatze im Himmel zurück zu legen, aber wir müssen unauffällig fasten und unser Haar salben und das Gesicht waschen, „damit die Leute nicht merken, dass du fastest" (Matthäus 6: 18).

 

Gott braucht unser Fasten nicht und Er bittet uns nicht zu Seinem Wohl zu fasten. Wir gewinnen Seine Liebe nicht wenn wir einem Regelsystem folgen. Gott verlangt keine Opfer oder Brandopfer, sondern „ein Opfer für Gott ist ein verwundeter Geist, ein verwundetes und erniedrigtes Herz ...", das wird Gott nicht verachten (vgl.: Psalm 50: 18-19). Es ist ein persönlicher und geistiger Kampf, der gegründet ist auf die Liebe zu Gott und er wird nicht daran gemessen wie viel oder wie streng wir fasten oder ob wir die ganzen 40 Tage fasten. Vielleicht erinnern wir uns an die Worte des Heiligen Johannes Chrysostomos zu diesem Thema: „Wer sich erst zur elften Stunde einfand, verscheuche alles Bangen wegen seiner Verspätung. Denn großmütig ist der Herr, Er empfängt den Letzten wie den Ersten." Mit anderen Worten: Wir können die Liebe oder die Gnade Gottes nicht durch das Befolgen einer mechanischen Fastenformel erkaufen, denn die Liebe Gottes ist immer freiwillig gegeben. Aber diese Liebe wird uns nicht aufgezwungen, wir müssen sie annehmen, uns ihr öffnen und ihr erlauben uns zu verändern.Fasten ist ein Weg, der uns öffnet um die Liebe Gottes annehmen zu könnenWir fasten weil wir Gott lieben (nicht weil es Vorschrift ist).

 

Warum fasten wir? Wir fasten in Vorbereitung auf ein Kirchenfest. Wir Fasten in Vorbereitung auf die Eucharistiefeier und fasten vor dem Osterfest und Weihnachten. Diese Vorbereitung umfasst Teilnahme und Erwartung, und es gibt sogar eine noch tiefere Bedeutung des Fastens. Die Kirche trennt nicht die Seele vom Leib sondern sieht die Person als Ganzes. Sie ruft das Ganze (Leib und Seele) auf, an den Vorbereitungen für Fasten und Feste teilzunehmen. Unser orthodoxer Glaube ist nicht beschrankt auf geistige Aktivitäten sondern bezieht alle Sinne mit ein. Folglich ruft die Kirche unser ganzes Wesen auf, am Leben der Kirche teilzuhaben (im Besonderen: an allen Festen und Fastenzeiten). Übrigens, ihr habt wahrscheinlich bemerkt, dass die Göttliche Liturgie alle Sinne aktiviert: den Geschmackssinn (zum Beispiel die Kommunion), den Tastsinn (zum Beispiel beim Küssen der Hand des Priesters), den Geruchssinn (zum Beispiel durch den Weihrauch), das Sehen (zum Beispiel beim Anblick der Ikonen in der Kirche) und das Gehör (zum Beispiel beim Singen und den Lesungen). All diese Empfindungen brauchen die Zusammenarbeit von Geist und Leib. Analog dazu beten und fasten wir wahrend der Fastenzeiten (vgl. in Lukas 2: 37 die Prophetin Hanna).

 

Fasten heißt nicht die Zurückweisung von Nahrung oder der Welt, sondern ist eine Suche nach dem Reich Gottes. In gleicher Weise enthalten wir uns aller Speise vor der Göttlichen Liturgie, damit wir die heilige Kommunion empfangen können, welche die wahre Speise ist.

 

Die Kirchenvater legen uns noch einen anderen Aspekt des Fastens ans Herz, nämlich das Geld, das wir durch Fasten sparen zur Speisung der Armen zu verwenden.

 

Fasten ist also ein Weg, den uns unsere Orthodoxe Kirche lehrt, um Gott zu lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all unseren Gedanken und unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst (vgl. Matthäus 22,37-39).

 

Quelle: Elias Bagas; The Truth, 1998, Perth, Western Australia

 

 

Die Fastenzeit: Eine Reise auf Ostern zu

Erzpresbyter Alexander Schmemann

Wenn ein Mensch eine Reise antritt, sollte er wissen, wohin er geht. So verhält es sich auch mit der Fastenzeit. Die Fastenzeit ist vor allem eine geistliche Reise und ihre Bestimmung heißt Ostern, das „Fest der Feste“. Sie ist die Vorbereitung auf die „Erfüllung des Paschas, der wirklichen Offenbarung“. Wir sollten somit zu Beginn diese Verbindung zwischen der Fastenzeit und Ostern zu verstehen suchen; denn sie offenbart etwas für unseren Glauben und unser christliches Leben sehr Wesentliches und Entscheidendes....

 

 

Zum Beginn der Großen und Heiligen Fastenzeit

 

Am Tag nach dem Käse-Fastensonntag (in diesem Jahr am 20. Februar) beginnen die 40 Tage der Großen Fastenzeit, die bis zum Lazarus-Samstag vor der Großen Woche (in diesem Jahr am 08. April) dauern. In dieser Zeit sollten weder Fleisch noch Milchprodukte, Eier, Öl oder Wein genossen werden; an Samstagen und Sonntagen sind aber Öl und Wein, nach der griechischen Tradition aber auch Tintenfisch, Krebse Muscheln oder Fischrogen erlaubt. Diese Fastenregeln unserer orthodoxen Kirche sind sehr alt und nehmen Bezug auf die Essgewohnheiten der Mittelmeerländer. Es versteht sich daher von selbst, dass wir die praktische Fastenpraxis an unsere jeweilige Lebenssituation anpassen müssen. Da nach dem strengen Gebot des Herrn und der Heiligen Tradition unserer Kirche, das Fasten im Verborgenen geschehen soll (Matthäus 6: 16-18), bleibt es dem Gewissen des einzelnen Gläubigen selbst überlassen, wie sie sich am Fasten der Kirche beteiligen will. In der Regel wird von einen berufstätigen Christen, von einer Familie mit Kinder und  von den übrigen in der Welt lebenden Gläubigen nicht erwartet, dass sie die Fastenregeln so vollständig eingehalten, wie das in der Lebensgemeinschaft eines Klosters möglich ist. Aber auch sie können und sollen das tun, was in ihrer Lebenssituation möglich und sinnvoll ist. Was dies sein kann, sollte ein jeder Gläubige mit seinem Beichtvater vertrauensvoll besprechen. Denn es ist wichtig, dass sich niemand allzu leichtfertig über das gemeinsame Fasten der Kirche hinwegsetzt. Irgendein Enthalten und Verzicht, eine Vertiefung im Gebetsleben und eine Befleißigung in der Ausübung der Nächstenliebe ist jedem Christen möglich. Und ohne diese Bemühungen gibt es auch kein Wachsen auf dem Wege der Theosis, einer vertieften Gemeinschaft mit Gott.

 

 

Über den geistlichen Sinn der Großen Fastenzeit

 

An der Großen Fastenzeit vor Ostern nehmen wir Christen teil, um unsere Seele in rechter Weise auf die Begegnung mit unseren GOTT und HERRN und HEILAND vorzubereiten und IHN nicht nur mit unseren Herzen und Lippen, sondern auch durch unsere Taten in rechter Weise zu preisen und zu verherrlichen. So ist die Große Fastenzeit gleichsam eine „Werkstatt“ in der unser Charakter geistlich erhoben und gestärkt wird, in der unser Leben wieder an den den Prinzipien und Idealen des Evangeliums ausgerichtet, in der tiefen Überzeugungen unseres Lebens von Neuem Gott geweiht, die Flamme des Glaube ´neu zum Leuchten gebracht und die inzwischen in unserem Herzen wuchernde Gleichgültigkeit und unser aufkeimendes spirituelles Desinteresse in kraftvolle Taten des Glaubens und der guten Werke umgewandelt werden. Deshalb ist die Fastenzeit auch nicht um der Fastenzeit willen da und das Fasten wird nicht um des Verzichtes auf bestimmte Speisen gehalten. Die Fastenzeit ist ein asketisches  Mittel, ein Weg hin zum spirituellen Wachstum, mit dem der einzelne Gläubige sich darauf vorbereitet, den Ruf seiner ERRETTERS nicht nur zu hören, sondern mit allen seinen seelischen, geistigen und leiblichen Aspekten anzunehmen und so den Weg der Nachfolge zu erreichen und (wieder erneut) beschreiten zu können. Deshalb wird die Bedeutung der Großen und Heiligen Fasten in der orthodoxen Kirche so hoch geschätzt und nicht allein von den Mönchen gepriesen, sondern auch von den in der Welt lebenden Gläubigen, auch wenn sie die Fasten angepasst an die ihnen jeweils gegebenen Möglichkeiten halten. Die Große Fastenzeit ist für uns ein durch Christi Beispiel Selbst und das all Seiner Heiligen vorgelebter Weg zur Erlangung der Heiligkeit. Diesen Weg zur Theosis empfiehlt uns die Heilige Kirche und legt ihn uns auch wärmstens an Herz. Denn die Heilige Kirche will einem jedem einzelnen Gläubigen dienen,  damit er als ein lebendiges Glied des Mystischen Leibes Christi geistlich zu wachsen und im Laufe seines irdischen Lebens sein Glaubensfundament und seine Tugenden in einem auf die Nachfolge Christi ausgerichteten Leben zu stärken vermag. Insofern sollte es das Ziel und die Absicht eines jeden orthodoxen Gläubigen in der kommenden Großen Fastenzeit sein, zu vergessen, was hinter ihm liegt und sich auszustrecken nach dem, was vor liegt ist. Das Ziel vor Augen, jage er dem Siegespreis nach: der himmlischen Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt hat ( vgl.: Philemon 3: 13-14).

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija

unter Verwendung von eines Beitrages auf www.goarch.org

 

 

Wie können wir die Großen Fastenzeit

sinnvoll gestalten?

 

Gebet

 

Alle guten Dinge beginnen mit Gebet. Denke einmal so dar- über: Wenn wir Leute treffen, die wir mögen, nehmen wir uns gerne Zeit mit ihnen zu reden. Je mehr wir mit ihnen reden, desto besser lernen wir sie kennen. Das Gebet ist ein Gespräch mit Gott. Wir erzählen ihm unsere Ängste, bitten ihn im Rat und danken ihm für seinen Segen. Wenn Du kein orthodoxes Gebetbuch hast, besorge Dir eines, wenn Du besser deutsch als die Sprache deiner Eltern oder Großeltern verstehst: Es gibt das orthodoxe Gebetbuch auch in deutscher Sprache.

 

Geh in die Kirche

 

Wir wissen, dass manche glauben, Kirche gibt es nur am Sonntag. Falsch! Die Orthodoxe Kirche bietet das ganze Jahr über einen Kreis von Gottesdiensten. Zu keiner Zeit ist es offensichtlicher als zur Großen Fastenzeit. Wir sollten am Sonntag in die Göttliche Liturgie gehen, aber wir sollten auch andere Gottesdienste besuchen (Vesper, Komplet, Akathistos-Hymnus, Liturgie der Vorgeweihten Gaben). Aber jetzt kommen wir zum wichtigen Teil: Wir sollten nicht nur in die Gottesdienste „gehen“ ... wir müssen auch aktiv daran teilnehmen. Frag Deinen Priester, den Kantor oder die Chorleiterin in deiner Gemeinde, wo Du die Bücher für die Gottesdienste bekommst, damit Du durch Mitlesen und Mitsingen den Gottesdienst mitverfolgen kannst. Auch die gibt es inzwischen größtenteils auch auf Deutsch.

 

Reue und das Sakrament der Heiligen Beichte

 

Wir wissen, dass das es vielen Menschen schwer fällt, aber Beichte ist notwendig für das geistliche Wachstum. Stell Dir das nicht so vor, dass Du mit Deiner Liste von Sünden hingehst und sie dann so schnell wie möglich herunterratterst. Sieh das eher an als eine Gelegenheit Deine Beziehung zu Gott durch die Reue neu zu begründen und zu festigen. Reue heißt, dass wir zugeben etwas Falsches gemacht zu haben und (jetzt kommt der schwierige Teil) dass wir uns ganz, ganz fest vornehmen, nicht mehr in diese Sünden zurück zu fallen. 

 

Lies in der Heiligen Schrift

 

Wenn du noch keine Bibel hast, besorg Dir bitte eine Ausgabe. Auf Deutsch gibt es sehr unterschiedliche Übersetzungen. Neben den Übersetzungen finden sich auch freiere Übertragungen in die deutsche Alltagssprache. Unter den heutigen Bibelübersetzungen sind die katholische "Einheitsübersetzung" und die evangelische "Lutherbibel" die Bekanntesten.  Jede dieser Bibelübersetzung ist zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten kirchlich-theologischen Umfeld entstanden. So hat auch Luther die Bibel nicht ohne theologische Vorannahmen ins Deutsche übersetzt, sondern hat sich in seiner Wortwahl von seiner protestantischen Meinung leiten lassen. Eine vollständige orthodoxe Übersetzung der Bibel in Deutsche gibt es leider bisher noch nicht. Für die Evangelien gibt es aber die von der griechischen orthodoxen Kirche in Österreich herausgegebene "orthodoxe Schulbibel". Ihr deutscher Text wurde von orthodoxen Theologen nach dem Text des griechischen orthodoxen Neuen Testamentes, wie er von der Kirche von Konstantinopel gebraucht wird, redigiert. Außer den vier Evangelien enthält sie auch die wichtigsten Psalmen des aus orthodoxen Gottesdienstes. Wer gut Englisch kann, kann auch die "Orthodox Study Bible" lesen. Sie verwendet den anglikanischen Bibeltext mit vielen orthodoxen Anmerkungen und Erklärungen. Als orthodoxe Christen können wir auch die Einheitsübersetzung oder die Lutherbibel lesen. Jedoch lesen wir als orthodoxe Gläubige die Bibel nicht als ein selbstständiges Buch, sondern als ein Buch unserer Kirche. So lesen wir die Heilige Schrift mit den Augen der Kirche und hören sie als ihre Stimme. Außer einer Bibel solltest Du dir auch einen orthodoxen Kirchenkalender besorgen. Auch diesen gibt es inzwischen in deutscher Sprache. Dort findest Du zu jedem Tag eine Liste der täglichen Bibellesungen. Das wird dir auf deiner Reise durch die Große Fastenzeit und durch das weitere Kirchenjahr helfen. 

 

Faste

 

Wir wissen was ihr alle denkt ... "Bohnen, Gemüse und Reis, wie macht das einen besseren Christen?" Beim Fasten geht es im Grunde um das Einüben und Erlernen von Disziplin. Auch in unserem sonstigen Leben trainieren wir unsere Beharrlichkeit mit Fleiß und Ausdauer. Wir gewöhnen uns daran, in dem was wir erreichen wollen, Disziplin zu üben (z.B. im Sport & im Studium). Dies sollten wir auch im geistlichen Leben und gegenüber unseren Essgewohnheiten tun.

 

Gib

 

Nimm Dir die Zeit in der Fastenzeit, wieder diejenigen in den Blick zu bekommen, die bedürftig sind, die deine Zeit und Zuwendung brauchen. Beginne von neuen auch denen zu geben, die in Not geraten sind. Du brauchst dafür nicht immer nur Geld. Überlege einmal selbst, wie du deine Zeit, Talente und geistlichen Schätze zum Lobe Gottes anwenden kannst.

 

 Heilige Kommunion

 

Die Heiligen Väter werden nicht müde, uns wieder und wieder zum Empfang der Heiligen Sakramente als Basis unseres geistlichen Lebens einzuladen. Die ist besonders wichtig für unser geistliches Wachstum hin zu einem Leben in der Gemeinschaft mit Christus (Theosis). An erster stelle steht dabei der Empfang des Heiligen Kommunion. Sie ist für uns die geistliche Nahrung und stärkt uns auf dem Weg hin zu einer immer innigeren Gemeinschaft mit Gott. Aus diesem Grunde sollten wir oft und regelmäßig - aber auch nach entsprechender Vorbereitung - die Heiligen Gaben voll Ehrfurcht empfangen. Um uns dies gerade auch in der Großen Fastenzeit zu ermöglichen, wird die Göttliche Liturgie nicht nur am Samstag und Sonntag gefeiert, sondern jeden Mittwoch und Freitag zusätzlich noch die Liturgie der Vorgeweihten Gaben. Diese am Nachmittag oder frühen Abend gefeierte Form der Liturgie ist jedoch eine feierliche Vesper mit anschließender Spendung der Heiligen Kommunion. Diese liturgische Ordnung enthält deshalb auch keine Darbringung des Opfers (Anaphora) und keine Verwandlung der dargebrachten Gaben (Epiklese). Die Heiligen Gaben für die Kommunionspendung wurden bereits in der Göttlichen Liturgie am vorangegangen Sonntag konsekriert.

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija

 

 

Über das orthodoxe Fasten

 

Diakon Thomas Zmija

 

In der alten Kirche war die große Fastenzeit eine Zeit der Vorbereitung für die Katechumenen auf Ihre Taufe während der Osternacht. Da es sich beim Leben in der Kirche aber um eine tätige Teilhabe am Leben im mystischen Leib Christi geht, nahmen auch die bereits getauften Christen an diesem Fasten teil, um die Katechumenen in dieser Zeit der Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Taufe durch ihr mittragendes Beispiel zu unterstützen.

 

Die tätige Solidarität im Glaubensleben ist heute im Bewusstsein vieler orthodoxer Christen einer eher individualistisch geprägten Frömmigkeitsauffassung gewichen. Dabei werden die Regeln der Kirche entweder ganz übersehen oder nur noch soweit akzeptiert, wie sie der einzelne Christ denn subjektiv noch anerkennen möchte. Dieser geistliche Egoismus drückt sich vor allem in einer starken Individualisierung der religiösen Praxis aus. In dieser subjektiven Interpretation der orthodoxen Frömmigkeit wird die ursprünglich grundsätzlich kirchliche Natur des orthodoxen Fasten entweder libertinistisch oder rigoristisch missverstanden. Denn auch unter vielen traditionell frommen orthodoxen Christen herrschen verwirrende und oft verkehrte Ansichten über die Anwendung der kirchlichen Fastenregeln vor. So ist der kirchliche Maßstab des orthodoxen Fastens heutzutage zu einem der am meisten vernachlässigten geistlichen Werte in unserer Kirche geworden. Viele heutige orthodoxe Christen fasten entweder aus rein rituellen oder traditionalistischen Gründen oder sie fasten wenig oder überhaupt nicht.

 

Da es beim Fasten, wie bei allen anderen Übungen im geistlichen Leben nicht um den Vollzug eines überkommenen altertümlichen Rituals, sondern um einen gelebten Ausdruck der im kirchlichen Leben verwurzelten Frömmigkeit eines jeden orthodoxen Christen handelt, lohnt es sich, dass wir uns zunächst einige Eckpunkte des orthodoxen Denkens über das Fastens wieder ins Gedächtnis rufen, damit unsere Fastenpraxis als ein wichtiges Mittel des geistigen Wachstums, wieder den ihm zustehenden Platz im Leben der orthodoxen Christen finden kann.

 

Entgegen modernistischen oder protestantisierenden Ansichten ist das Fastengebot der Kirche zutiefst in der Heiligen Schrift und der apostolischen Tradition begründet. Das Fasten wurde vom Herrn Selbst geübt. Nachdem Er vierzig Tage lang in der Wüste gebetet und gefastet hatte, konnte Er dem Teufel siegreich begegnen (vgl. Matthäus 4:1-11). Und der Herr Selbst bat Seine Jünger das Fasten als eine wichtige Waffe für den geistlichen Kampf zu nutzen (Matthäus 17:21; Markus 9:29; Lukas 2:37). Die heiligen Jünger und Apostel, aber auch deren Schüler, die heiligen apostolischen Väter, folgten diesem Beispiel des Herrn (vgl. Apostelgeschichte 14:23.27,9; 1. Korinther 7:5; 2. Korinther 6:5.11,7 usw.).

 

Was also ist das orthodoxe Fasten? Warum ist es so wichtig? Und warum geht den bedeutenden kirchlichen Festen Ostern, Weihnachten, Entschlafen der Gottesmutter und Gedächtnis der Apostel Petrus und Paulus eine Fastenzeit voraus?

 

Die Wichtigkeit, die die orthodoxe Kirche auch in der heutigen Zeit dem Fasten beimisst, hängt von seiner großen geistlichen Bedeutung ab. Viele heilige Väter haben über das Fasten geschrieben. Unter ihnen hat uns der heilige Basilius der Große einen zum orthodoxen Verständnis des Fastens besonders wichtigen Kommentar hinterlassen. Der heilige Basilius sagt, dass das Fasten nicht nur die Enthaltsamkeit von Nahrung bedeutet, sondern dass es ist zu allererst Enthaltsamkeit von der Sünde bedeutet. Die heiligen Väter der Kirche beschreiben in ihren Hymnen, die wir im Gottesdienstbuch für die große Fastenzeit (Fasten-Triod) finden, das Fasten als die Mutter der Keuschheit und Umsicht; als den Ankläger der Sünden und den Anwalt der Reue; als einen Wegweiser zu einem den Engeln würdigen Leben und zur Erlösung des Menschen. Alles das kann das Fasten für uns werden, wenn wir es im rechten Geist beachten.

 

In der Heiligen Schrift und darauf fußend bei den Heiligen Vätern lesen wir, dass der Mensch von Gott als ein mit Geist Seele und Leib ausgestattetes Lebewesen erschaffen wurde. Unser Körper besitzt fünf einzelne Sinne, durch die wir die Welt um uns wahrnehmen und mit ihr kommunizieren. Wir können deshalb durchaus sagen, dass unser Körper als Ganzer ebenfalls ein Kontaktsinn des Menschen ist, mit dem wir mit unserer Umwelt in Gemeinschaft und Austausch stehen.

 

Laut dem Schöpfungsbericht wollte Gott, dass unser Kontakt mit unserer Umwelt, Seiner Schöpfung, nicht egoistisch, sondern als eine Kommunion erfolgt. Deshalb gab er dem Menschen das Gebot, nicht vom Baum des Lebens im Paradiesgarten zu essen. Denn das wahre Leben des Menschen entspringt der Kommunion, also einer liebenden Gemeinschaft mit Gott, seinem Mitmenschen und der gesamten Schöpfung, nicht einer egoistischen Aneignung. Der Teufel aber wollte die Menschen von dieser liebenden und empfangenden Gemeinschaft mit Gott trennen. Deshalb behauptete die Schlange, dass die Menschen nach dem Genuss der Frucht „wie Gott sein“ würden. Nachdem der Mensch diese Lüge geglaubt hatte, tat sich eine Kluft auf, die den Menschen von Gott, seinen Mitmenschen und seinen Mitgeschöpfen trennte. Mit dieser Kluft traten mit Verderben und Tod auch die Mächte des Bösen und die Herrschaftszeichen des Teufels in das Leben des Menschen und durch ihn in die gesamte Schöpfung Gottes ein.

 

So haben unsere Ureltern Adam und Eva durch die Übertretung des einzigen Gebotes Gottes, ein Fastengebot zur Enthaltung von einer Frucht, das gesamte Menschengeschlecht in den Zustand des Verderbens, des Schmerzes und des Todes mit hinein gezogen. In einen Zustand, den wir alle kennen und täglich immer wieder neu erleben müssen. Aber durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes, durch die Fülle Seine Heilstaten und Seinem gnadenreichen Erlösungshandeln durch Seinen Tod am Kreuz und Seine glorreiche Auferstehung nach drei Tagen wurde dem Menschengeschlecht der Rückweg in die Gemeinschaft mit Gott eröffnet. Deshalb sind wir in den Tagen der heiligen und großen Fastenzeit aufgerufen dieses erste und alte Gebot Gottes an uns Menschen, das Fasten, mit besonderer Intensität und Entschiedenheit zu halten.

 

Wollen wir uns also dem Heil und der Erlösung, die unser Herr und Erlöser Jesus Christus gebracht hat erneut zuwenden, so müssen wir es nicht nur mit Geist und Seele, sondern auch mit unserem Leib tun. Aus diesem Grunde werden alle Sakramente der Kirche an unserem Leib vollzogen und durch ihn empfangen und wirken dann dadurch auch an unserer Seele und unserem Geist. So ist es im menschlichen Leben auch mit der geistlichen Umkehr, der Buße. Auch unsere Abkehr von der Sünde muss ihren Anfang an unserem Leib nehmen, um dann unsere gesamte Person erfassen zu können.

 

Deshalb beginnt (aber erschöpft sich nicht) das orthodoxe Fasten am menschlichen Leib mit der Enthaltsamkeit von Nahrung. Diese Enthaltsamkeit von Nahrung hilft uns, uns von unseren egoistischen Abhängigkeiten an die irdischen Gütern und Zwänge loszulösen. Das Fasten hat also zu aller erst einen befreienden Effekt für uns und macht uns würdig zu einem Leben im Geiste, einem Leben ähnlich dem der heiligen Engel.

 

Zweitens ist das Fasten die konsequente Abkehr und zukünftige Enthaltsamkeit von schlechten Gewohnheiten und Sünden. Der Mensch ist ein durch und durch konditioniertes Wesen: Das woran wir uns im Laufe der Zeit gewöhnen und in was wir uns beständig einüben, prägt am Ende auch unser gesamtes Leben. Nicht nur Drogenabhängige, Raucher oder Trinker sind in vielfältigen Lüsten und Lastern gefangen. Ein jeder von uns ist durch unzählige geistige Bande der Abhängigkeit an seine Leidenschaften und die von ihnen ausgehenden Konditionierungen gefesselt. Unsere schlechten Gewohnheiten sind gleichsam mit unserem Selbst verwachsen. Und diese schlechten Gewohnheiten, unsere Verhaftung an die Leidenschaften, werden nicht einfach von Selbst verschwinden. Wir müssen sie bekämpfen und allmählich mehr und mehr  aus unserem Herzen verbannen durch die beständige und geduldige Einübung in die christlichen Tugenden.

 

Aus diesem Grunde wird die Fastenzeit auch die Mutter der christlichen Tugenden genannt. Die Heiligen Väter sprechen von ihr als der Mutter des vernünftigen und nützlichen Denkens. Die Zeit der heiligen Fasten ist eine Zeit, in der wir unsere Wertmaßstäbe neu justieren können. Wir können nun die richtigen Prioritäten setzen zwischen dem Materiellen und dem Spirituellen und dadurch dem geistlichen Leben als einer Liebesgemeinschaft mit Gott erneut den ihm gebührenden Vorrang in unserem Leben geben.

 

Für ein wahrhaft orthodoxes Fasten müssen wir uns also von unseren bösen Gedanken und Taten fernhalten. Dies ist für die meisten von uns der große geistliche Stolperstein. Ohne dass wir es bewusst bemerken, sind viele unserer bösen und schlechten Angewohnheiten zu Dauergästen in unserem Leben geworden. Längst hat sich unser Gewissen an ihre permanente Anwesenheit gewohnt. Aber was für einen Sinn hat es, wenn wir am Tisch fasten, unsere Seele und unser Geist jedoch nicht? Gerade durch die Einhaltung eines „ganzheitlichen Fastens“ besinnt sich unser Gewissen wieder und ruft unsere Seele erneut dazu auf, sich auf Gott hin zu zubewegen. Gerade diese Enthaltung von unseren Leidenschaften ist unsere reine und wohlgefällige Opfergabe an Gott. Dieses geistliche Fasten können übrigens alle Menschen einhalten, auch jene, die aus gesundheitlichen oder familiären Gründen daran gehindert sind, die Enthaltung von Speisen vollständig mit einzuhalten.

 

Diese Enthaltung von unseren schlechten Angewohnheiten aber ist ein steiniger und dorniger Weg. Wir werden auf ihm viele Fehlschläge und Rückschläge erfahren. Die Zeit der Fasten ist deshalb zugleich eine Zeit, um etwas über das geistliche Leben an sich zu lernen. Wenn wir auf diesem Weg fallen, sollten wir nicht verzweifeln und vorschnell aufgeben, sondern wir sollten erneut geistlich aufstehen, Gottes Gnade und Vergebung im Sakrament der heiligen Beichte erbitten und fortschreiten auf den Weg der Einübung in die christlichen Tugenden.

 

Deshalb wird die Fastenzeit auch der Anwalt der Reue genannt. Adam und Eva waren Gott gegenüber ungehorsam. Sie verweigerten, sich der verbotenen Frucht vom Baum des Lebens zu enthalten. Sie wurden Sklaven des eigenen Begehrens. Nun aber können wir durch Fasten, durch Gehorsam gegenüber den Regeln der Kirche, welche die geistigen und materiellen Güter betreffen, geistlich in ein Leben des Paradieses zurückkehren, zu einem Leben in der Liebesgemeinschaft mit Gott. So ist das Fasten kein rituell zu verstehender Zwang, sondern vielmehr ein uns innerlich befreiendes Mittel zur Annahme unserer Erlösung.

 

In der Möglichkeit zu Fasten und zu Beten unterscheidet sich der Mensch von den vernunftlosen Lebewesen, den Tieren. Jene sind, ihren Instinkten folgend, nicht in der Lage sich zu enthalten und zu fasten. Wahrhaft Mensch zu sein bedeutet es also auch, dass wir uns freiwillig und aus Liebe zu Gott durch Fasten und Beten erneut der erlösenden Gemeinschaft mit Gott zuwenden. Aber nicht wir Selbst, sondern Gott ist es dann, der uns von den uns versklavenden Leidenschaften und Abhängigkeiten befreit. Echtes orthodoxes Fasten ist stets eine lebendige Erfahrung der an uns wirkenden Gnade Gottes.

 

Aber auch der Mensch muss seinen Part in diesem Akt der göttlichen Befreiung übernehmen. Denn der Mensch wurde von Gott mit der Gabe des freien Willens beschenkt. Nach orthodoxem Verständnis sind Heil und Erlösung keine bloßen Gedankenfiguren in einem philosophischen oder theologischen Denkspiel. Durch seinen freien Willen ist der Mensch zum Freund und Mitarbeiter Gottes berufen. Deshalb hat die Rechtfertigung des Sünders und die Aneignung der Erlösung einen ganz konkreten Ort: Das Leben jedes einzelnen Christenmenschen. Die Erlösung ist nach orthodoxem Verständnis auch kein bloßes „Gefühl des Gerettet-seins“, sondern sie ist ein Leben, das wir im Einklang mit dem göttlichen Willen und in Gemeinschaft mit Gott leben und das dann seine Krönung in der Gabe des Paradieses finden wird.

 

Der heilige Johannes Chrysostomus sagt uns: „Wenn du ohne Barmherzigkeit fastest, lohnt sich das Fasten nicht.“ Wie Chrysostomus, so weisen uns auch die übrigen Heiligen Väter auf die unauflösbare Verbindung zwischen dem christlichen Fasten und der mitmenschlichen Barmherzigkeit hin. Denn das, was letztlich nicht auf unseren Tisch kommt, was wir materiell jetzt nicht für unsere eigene Lebenshaltung aufbringen müssen, wird unseren Brüdern und Schwestern in Christus dargebracht, die keine Möglichkeit haben, es selbst für sich bereitzustellen. Die „Tafeln“ in Deutschland, aber auch die „Bahnhofsmission“ sind für Spenden und Lebensmittelgaben nicht nur während der Fastenzeit stets dankbar.

 

Menschliche Not und Hilfsbedürftigkeit kann aber heutzutage in einem reichen Land wie Deutschland viele Gesichter haben. Gerade hier kann für viele fromme Orthodoxe ein Stolperstein in der Fastenzeit liegen. Wir reihen voller Eifer Gebetszeit an Gebetszeit, besuchen eine Vielzahl von Gottesdiensten und finden dabei dann keine Zeit mehr, die wir den einsamen und an den Rand geratenen Menschen, aber auch unseren Familien, den Alten und Kindern widmen könnten. Orthodoxes Fasten ist im Grunde eben gerade keine individuell fromme Angelegenheit, kein Fitnessprogramm für unseren eigenen geistlichen Fortschritt. Die heiligen Väter weisen uns immer wieder deutlich auf den Gemeinschaftscharakter des orthodoxen Fastens hin. Gerade in unserer Zeit mit ihren überbordenden Terminanforderungen und Aktivitäten bedeutet Fasten auch den erneuten Freiraum, Zeit füreinander haben zu können.

 

Das in vorhergehenden Absatz Gesagte will jedoch im orthodoxen kirchlichen Geist verstanden werden. Die Diakonia, die tätige Nächstenliebe, hat ihren Ausgangspunkt und ihre Kraftquelle immer in Gottesdienst und Gebet. Weil in der orthodoxen Kirche kein geistiges Bestreben für sich alleine steht, werden in der großen Fastenzeit auch vermehrt Gottesdienste gehalten. Die orthodoxe Fastenzeit bildet damit zugleich auch eine besondere liturgische Landschaft des intensivierten Gebetes. Unsere geistlichen und mitmenschlichen Fastenanstrengungen und unser Gebet stehen also nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie unterstützen vielmehr einander. Sie sind die beiden geistlichen Lungen der orthodoxen Fastenzeit, die beiden geistlichen Flügel, auf denen wir uns zu Christus hin erheben.

 

In unseren meist kleinen orthodoxen Diasporagemeinden können wir oft nur einen Teil des geistlich-liturgischen Reichtums der Fastengottesdienste entfalten. Aber, wie in den meisten kleinen Gemeinden, wird auch bei uns in Albstadt und Balingen der Andreas-Kanon gelesen werden und zumindest einmal in der Zeit der großen Fasten die Liturgie der Vorgeweihten Gaben gefeiert werden.

 

Die Fastenzeit verweist uns auf eine notwendige Veränderung in unserer Lebenshaltung. So ist das gesamte Fasten ein Akt unserer Umkehr, der im Empfang des heiligen Bußsakramentes und des Sakramentes des Heiligen Öls seinen Höhepunkt findet. Dort erbitten wir das Erbarmen des Herrn und Seine Vergebung für unsere vielen Sünden und Verfehlungen.

 

Wegen seines befreienden Effekts, sowohl im materiellen wie im geistigen Sinne, hat die orthodoxe Kirche das Fasten mit der Feier der vier großen Kirchenfeste verknüpft. Pas´cha oder Ostern ist natürlich unser größtes und heiligstes Fest. Es ist das „Fest der Feste“ und die „Feier der Feiern“. Es ist das große Fest der Freude über unsere Befreiung von den Fesseln der Sünde, von der verderbten Natur, vom leiblichen und geistlichen Tod. Denn an diesem Tag hat Christus uns durch Seine lichte Auferstehung „vom Tod zum Leben und von der Erde zum Himmel“ (vgl. Auferstehungskanon) erhoben. Dies ist das „neue Pas´cha“, das wir feiern: Christus hat uns aus dem Land der Sklaverei, der Sünde und des Todes befreit und ins gelobte Land der Freiheit, der Wonne und der Herrlichkeit geführt; aus unserem sündhaften Zustand zum auferstandenen Leben.

 

Aber genauso, wie wir die durch den Empfang der Sakramente empfangene Gnade in unserem Leben aktualisieren müssen, genau so ist es nur recht und angemessen sich auf diese Feier des Osterfestes durch ein befreiendes Fasten, sowohl materiell als auch spirituell vorzubereiten. Das ist die Bedeutung, der tiefere Sinn für das Fasten während der Vierzig Tage vor Ostern.

 

Machen wir uns also die geistlichen Reichtümer der Kirche durch einen würdigen Mitvollzug der heiligen Fasten zu Eigen. Nützen wir diese Gnadenzeit. Machen wir Gebrauch von den erlösenden Gnadengaben, die uns durch das sakramentale Leben der Kirche geschenkt werden. Gehen wir in dieser Zeit zur Beichte und zur Heiligen Kommunion und empfangen wir das Sakrament des heiligen Öls am Mittwoch der Karwoche.

 

Bedienen wir uns in der kommenden Zeit der heiligen Fasten der geistlichen Waffen, die Christus für uns bereit hält, um: „den guten Kampf zu kämpfen, den Lauf der Fasten zu vollenden, den Glauben unversehrt zu bewahren, die Häupter der unsichtbaren Schlangen zu zermalmen, als Sieger über die Sünde zu erscheinen und ohne dem Gericht zu verfallen auch zur Anbetung der heiligen Auferstehung zu gelangen“.

 

(Aus der Liturgie der vorgeweihten Gaben: Gebet hinter dem Ambo)