Orthodoxe Heilige der Gegenwart

 

Die Geschichte von Vater Dimitri Klepinin

 

von Antoine Arjakovsky 

 

Antoine Arjakovsky zitiert hier einige Teile aus den Erinnerungen, die seine Mutter Elena Dimitrievna im Jahre 1994 über seinen Großvater Priester Dimtri Klepinin niedergeschrieben hat.

 

Dimitri Andreevič Klepinin wurde im Jahre 1904 in Pjatigorsk geboren. Er war das dritte Kind von Andrej Nikolaevič und Sophie Alexandrovna geb. Stepanova. Sein Vater war der Sohn eines Staatsrats am kaiserlichen Hof. Er selbst war Architekt und hatte mehrere Gebäude in Kislovodsk und in Odessa errichtet. Seine Mutter war die Cousine von Zinaida Hippius [1869-1945, Lyrikerin], was erklärt, warum der Pate meines Großvaters niemand anders als der Schriftsteller Dimitri Mereškovsky [1866-1941] war.

 

Die Familie war gläubig und verlangte nach einer Erneuerung der Orthodoxie. Sophie Alexandrovna gründete in Odessa eine Schule, in welcher man die Orthodoxie nach neuen Methoden lehrte. Sie war mit sozialer Tätigkeit in den vernachlässigten Vierteln Odessas beschäftigt. Sie war eine der ersten russischen Frauen, die Friedensrichterin wurde.

 

Als sie durch die Tscheka im Jahre 1919 ins Gefängnis geworfen wurde, war es ein junger Tschekist, der von ihrer Hilfe gegenüber den Armen wusste und sie aus dem Gefängnis befreite. Danach kam das Exil. Sebastopol, Konstantinopel, Belgrad (wo Andrej Nikolaevič eine neue Kirche erbaute) und schließlich 1924 Paris. Nikolaj Andreevič, der Bruder von Dimitri begann eine Karriere als Historiker. Er beteiligte sich an der Zeitschrift Put’ von Berdjaev und veröffentlichte ein Buch über den heiligen Alexander Nevsky, den Großfürsten, der vorgezogen hatte, die teutonischen Ritter mehr als die Horde des Khan zu bekämpfen.

 

Die eurasischen Theorien von Nikolaj Andreevič führten ihn 1937 zurück zum sovjetischen Russland und schließlich zur Hinrichtung zusammen mit seiner Ehefrau im Jahre 1941. Es überlebte nur eine kleine Tochter: Sophie.

 

Die Schwester Dimitri´s, Sonja Andreevna reiste nach England. Dort bekam sie einen Sohn, der zukünftig Tänzer und Choreograph werden sollte.

 

Was Dimitrij betrifft – er wählte das Studium der Theologie am Institut Saint-Serge bei Vater Serge Bulgakov. Nachdem er seine erste Beförderung bei Paul Evdokimov erhalten hatte, um das Examen des Instituts der Rue de Crimée zu erlangen, reiste er in die Vereinigten Staaten, wo er während eines Jahres die Theologie des heiligen Paulus studierte. Er kehrte dann nach Europa zurück, sah seinen Vater in Belgrad wieder, der dort in den Kupferminen arbeitete, reiste weiter nach Bratislava, wo er Chorsänger bei Vater Serge Tchetverikov wurde und kehrte schließlich 1933 nach Paris zurück. Dort wurde er Chorsänger in der russischen christlichen Studentenbewegung und nahm an einem Seminar bei Berdjajew mit Tamara Fedorovna Baimakova teil, der wissenschaftlichen Sekretärin des Philosophen [Berdjaev]. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wurde er Reiniger von Parkettfußböden. Mit dem Segen des Metropoliten Eulogius [1868- 1946] heiratete er im Jahre 1937 Tamara Fedorovna. Zwei Kinder gingen aus ihrer Ehe hervor: Meine Mutter Hélène, geboren im Jahre 1939 und mein Onkel mit Vornamen Paul, wie es sich ergab, 1942.

 

Er [Dimitri] wurde vom Metropoliten Eulogius 1937 in Gegenwart von Vater Serge Bulgakov zum Priester geweiht. Er zelebrierte zunächst in der rue Olivier de Serres, wo er die Väter Georges Florovsky und Serge Četverikov ersetzte, beide abgereist nach Paris, nachdem die intellektuelle und spirituelle Schlacht des Kampfes über die Sophia verloren gegangen war.

 

Als es danach Metropolit Eulogius nicht gelang, einen fähigen Priester zu finden, der die Gemeinde der "Action Orthodoxe", gegründet von Mutter Marie Skobcov, belebte, lud er ihn [Vater Dimitri] im Oktober 1939 ein, den Vater Cyprian Kern Rue de Lourmel, zu ersetzen. Vater Dimitri verstand sich ausgezeichnet mit der Mutter Maria und den Mitgliedern der Gemeinde wie Georges Fedotov oder Konstantin Močulsky. Alle bewahren die Erinnerung an ihn auf als an einen berühmten, unvergleichlichen, hervorragenden Beichtvater und geistlichen Vater.

 

Seitdem der Krieg ausgebrochen war, nahm er mit der ganzen Gruppe der "Action Orthodoxe" am Widerstand teil. Er verbarg eine jüdische Familie in seiner Wohnung, stellte hunderte von Taufbescheinigungen für jüdische Verfolgte aus und beschützte einige Geisteskranke.

 

Als ihn schließlich die Gestapo im Februar 1943 festnahm, wies er es zurück, sich von der Aktion von Mutter Maria loszusagen. Damals geschah es, als ein deutscher  Offizier [mit Namen Hoffmann] ihn fragte, warum er sich leidenschaftlich dafür einsetzte, Juden zu schützen. Er antwortete, indem er auf sein Brustkreuz zeigte und sagte: "Und diesen Juden hier – kennen Sie ihn?" Er [der Offizier] schlug ihn, er machte sich über ihn lächerlich, und er schickte ihn in das Lager von Romainville bei de Compiègne.

 

Im Gefängnis erbaute er mit Hilfe von Juri Skobcov [*27. Februar 1921], Fiodor Pianov (5), Georges Kazačkin [Pate des Sohnes von Vater Dimitrij] und dem armen Anatole Visskovskij, einem Geisteskranken, eine Kapelle mit den niedergerissenen Pritschen, und er erhielt von seiner Frau ein Antimension, das es ihm erlaubte, zu zelebrieren. Im Dezember 1943 wurde er nach Dora [KZ Dora-Mittelbau] gebracht, eine Filiale von Buchenwald.

 

Er verweigerte das Zeichen, das ihn als Franzosen kennzeichnete, sondern wollte das Zeichen der sowjetischen, am meisten Misshandelten tragen. Als nun Freunde ihn zur Krankenstation als einen Alten bringen lassen wollten, gab er dem deutschen Offizier, der ihn nach seinem Alter fragte, sein genaues Alter an (39 Jahre). Geschickt zur Schonung, einer Art Schutthalde, starb er am 9. Februar 1944 und wurde bald in einem Krematorium verbrannt.

 

 

 

Das Leben unseres Vaters unter den Heiligen,

des heiligen gerechten Priesters Alexej von Ugine

 

 

Thomas Zmija v. Gojan

 

Eine deutschsprachige Darstellung des Lebens des heiligen Alexej von Ugine fehlt leider bis heute. Um diesem Umstand abzuhelfen, wurde von mir im Gemeindebrief der orthodoxen Gemeinde in Albstadt und Balimngen eine Serie von vier Artikeln veröffentlicht, die hier nun zusammen abgedruckt werden. Für Leser, die russisch verstehen empfehle ich zur qweiteren LektüreСвятой праведный отец Алексей Южинский (1867-1934). - Bussy-en-Othe: Покровская обитель, 2004.

 

 

Der heilige, gerechte Alexej Ivanovič Medvedkov (Алексей Иванович Медведков) wurde am 01. Juli 1867 in der Familie des jungen Priesters Joann geboren, der im Dorf Fomichevo bei Vjasma als Gemeindepriester diente. Das Dorf Fomichevo liegt im Westen Russlands, etwa auf dem halben Weg zwischen Smolensk und Moskau. Das Leben auf den russischen Dörfern war im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einfach und entbehrungsreich. Oft hatten sich die Lebensumstände seit dem Mittelalter kaum verändert.

 

Nachdem sein Vater kurz nach seiner Geburt verstarb, begann für den jungen Alexej ein Leben in Beschränkung und Armut. Gleichzeitig war für ihn als Sohn eines Priesters, wie für die Mehrheit der damaligen russischen Landbevölkerung, sein weiterer Lebensweg schon von Geburt an vorbestimmt. Den damaligen gesellschaftlichen Vorstellungen in Russland entsprechend, sollte auch Alexej, wie schon sein Vater, ebenfalls Kleriker, wenn möglich Priester werden. Denn von der Zeit Peters des Großen an bildete der Klerus in Russland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine in sich abgeschlossene, gesellschaftliche Klasse. Die Söhne der Priester, Diakone oder Psalmleser wurden ebenfalls wieder Geistliche und heirateten auch wieder die Töchter von Geistlichen. So bestimmte oft das Herkommen aus einer Priesterfamilie maßgeblich Werdegang der angehenden Priester.

 

So besuchte auch Alexej zuerst die Kirchenschule und dann das geistliche Seminar in Sankt  Petersburg, das er im Jahre 1889 abschloss. Trotz seines glänzenden Examens hielt sich der spätere Heilige, entgegen den Ansichten seiner Studienfreunde für unwürdig, sich sofort nach Abschluss des geistlichen Seminars zum Priester Weihen zu lassen. So entschloss er sich zunächst, eine Stelle als Kirchensänger und Lektor anzunehmen, auch um den Lebensunterhalt für sich und seine mittellose Mutter bestreiten zu können. Mit seiner wohlklingenden Bassstimme wurde er zum Chorleiter und Dirigenten an der Kirche zu Ehren der heiligen Großmärtyrerin Katherina auf der  Vasilevsky- Insel bei Sankt Petersburg berufen. Hier heiratete der zukünftige Heilige auch. Und schon an der Tatsache, dass wir nicht einmal Namen und Herkommen seiner Matuschka überliefert bekommen haben, wird deutlich - wie auch S. E. Erzbischof Hiob in seiner Predigt während der diesjährigen Diözesanwallfahrt ins Mariae- Schutz- Frauenkloster nach Bussy- en- Othe darlegte, wo die Reliquien des Heiligen heute ruhen - dass Gott, der Herr, in Seinem ewigen Ratschluss über viele Einzelheiten im Leben des heiligen Alexej von Ugine offensichtlich einen Schleier des Schweigen gelegt hat.

 

Die folgenden fünf Jahre verbrachte der später Heilige dort und diente der Kirche als Lektor und Dirigent des Kirchenchores. In seiner Petersburger Zeit pflegte der zukünftige Heilige regelmäßig beim heiligen Joann von Kronstadt zu beichten. Die geistliche Begleitung durch diesen großen Prediger, Beichtvater und Seelsorger fiel vor den Zeitraum, in dem dieser dann an der Kronstädter Kathedrale von den ratsuchenden Massen aus ganz Petersburg und weit darüber hinaus aufgesucht wurde. Mit sicherem Blick erkannte der heilige Joann schon bald den tiefen Glauben, sowie die aufrichtige Frömmigkeit und Gottesfurcht, von der der heilige Alexej erfüllte war und erteilte ihm seinen Segen für den Weg zum Priestertum. Am Weihnachtsfest des Jahres 1895 wurde Alexej durch den Metropoliten Palladij von Sankt Petersburg zum Diakon und zwei Tage später zum Priester geweiht. Der neugeweihte Priester Vater Alexej wurde zum Gemeindepriester an der Mariae- Entschlafens- Kirche im Dorf Vruda im Bezirk Jamburg im Gouvernement Sankt Petersburg ernannt. Das Dorf Vruda (russisch  Большая Вруда) lag etwa 95 km südwestlich von Sankt Petersburg und rund 25 km östlich der heutigen Grenze zu Estland. Vater Alexej wurde hier zum Seelsorger einer auch für russische Verhältnisse besonders armen Dorfgemeinde. Dort verbrachte Vater Alexej die nächsten 23 Jahre seines Lebens.

 

Mariae- Entschlafens- Kirche in Vruda.
Mariae- Entschlafens- Kirche in Vruda.

 

Schnell gewann Vater Alexej zuerst das Vertrauen und dann die innige Zuneigung und Liebe seiner 1500 ihm anvertrauten bäuerlichen Pfarrkinder. Mit großer Innigkeit und Frömmigkeit vollzog er die Gottesdienste an der von Ihm betreuten Mariae- Entschlafens- Kirche, einem Bau in den klassizistischen Bauformen seiner Entstehungszeit in Jahre 1840. Vater Alexej versah neben seinem eigentlichen priesterlichen Dienst auch die Aufsicht über die lokalen Dorfschulen der umliegenden Dörfer und Weiler und über das Waisenhaus in Vruda.  Auch seine verwitwete Mutter Leonilla lebte bei ihrem Sohn. In der Kirchengemeinde übernahm sie das verantwortungsvolle Amt einer Prosphorenbäckerin. In dieser Zeit wurden Vater Alexej und seiner Matuschka auch zwei Töchter geboren.

 

Voll Eifer versah Vater Alexej seinen seelsorgerlichen Dienst und wurde dafür von seinen Pfarrkindern heiß und innig geliebt. Immer wieder besuchte er die Häuser der Gläubigen und ermutigte sie, in der Zeit einer oft nur formal zur Schau getragenen Zugehörigkeit zur Orthodoxie nicht nur mit ihren Lippen und in der Beachtung äußerer Rituale, sondern aus der Tiefe ihrer Herzen  in der orthodoxen Glaubenspraxis und Frömmigkeit zu leben. Für den heiligen Alexej war der Heilige Orthodoxe Glaube immer eine alle Bereiche der menschlichen Existenz prägende Lebensform und nicht ein ideologisch nutzbares, religiöses Versatzstück. Um das religiöse Wissen seiner Pfarrkinder zu heben und ihr Gewissen zu schärfen verbrachte er ganze Nächte damit, die Werke der heiligen Väter zu studieren und aus ihnen Gedanken herauszuschreiben, die er in der Predigt verwenden konnte. So verwandte er große Teile seines bescheidenen Gehaltes dafür, die Werke der heiligen Väter anzuschaffen, um sie für seine Pfarrkinder geistlich nutzbar zu machen. Da die Pfarrgemeinde sehr arm war, war Vater Alexej gezwungen wie seine Pfarrkinder das Kirchenland wie ein Bauer zu bestellen. Dies verschaffte ihm aber auch eine besondere Nähe und Vertrautheit zu seinen Pfarrkindern, was sich für die Möglichkeiten zu Seelsorge und Glaubensvermittlung sehr positiv auswirkte. Auch sein Bischof erkannte sehr schnell seinen, aus inniger Verbundenheit und Mitgefühl entspringenden, großen priesterlichen Eifer und seine persönliche Demut und erhob ihm im Jahre 1916 in den Rang eines Erzpriesters.

 

Sein großer priesterlicher Eifer und das daraus resultierende lebendige kirchliche Leben lässt es nicht verwunderlich erscheinen, dass Vater Alexeij sofort nach der Machtübernahme der Bolschewiken im Jahre 1917 von der Čeka, der sowjetischen politischen Polizei, verhaftet wurde. Damals war Vater Alexej fünfzig Jahre alt. In kommunistischer Gefangenschaft wurde er schwer gefoltert, seine Arme und Beine wurden gebrochen, er wurde derart mit Peitschen geschlagen, dass ein Gesichtsnerv zerriss und schließlich wurde er zum Tode verurteilt. Nur wegen des außergewöhnlichen Mutes seiner ältesten Tochter, die sich selbst den kommunistischen Machthabern als Geisel für ihren geschundenen Vater anbot, verhinderte, dass Vater Alexej wie so viele andere Bischöfe, Priester, Mönche, Nonnen und gläubige Laien von den Gottlosen um seines gelebten Orthodoxen Glaubens willen einfach umgebracht wurde. Jedoch blieb der Leib des heiligen Bekenners Alexej Zeit seines Lebens von den Folgen der schweren Folterungen gezeichnet. So war sein Gesicht teilweise gelähmt und seine Mimik war deshalb stark eingeschränkt. Auch war sein rechtes Auge weiter geöffnet als sein linkes.

 

Im Jahre 1919 gelang es dann der gesamten Familie ins benachbarte Estland zu entkommen. Dort ließen sie sich in einem Ort namens KochtlaIarve nieder. Das Leben als mittellose Flüchtlinge war für Vater Alexej und seine Familie schwer und bitter. Zum Verlust der Heimat und mit ihr der vertrauten Sprache den gewohnten Sitten der Menschen kamen noch die schweren materiellen Existenzbedingungen. Um seine Familie zu ernähren nahm Vater Alexej schwerste körperliche Arbeit in Kauf. So verdingte er sich an der Seite estnischer Sträflinge in einem Ölschiefersteinbruch. Mit Mitte Fünfzig konnte er die körperlichen Belastungen kaum ertragen. Am Ende gelang es ihm eine Beschäftigung als Nachtwächter zu bekommen. Im Jahre 1923 wurde Vater Alexej von der Orthodoxen Kirche in Estland zum zweiten Priester der Kirche in Levve ernannt. Er feierte dort die Göttliche Liturgie an jedem Sonntag und war als Hilfslehrer an der Pfarrschule tätig. Seine wirtschaftlichen Lebensumstände blieben jedoch weiterhin von großer Armut geprägt. Im Jahre 1926 erkrankte seine Matuschka schwer und verstarb im Jahre 1929. Von schwerer körperlicher und seelischer Erschöpfung gekennzeichnet, wandte sich Vater Alexej an S. E. Metropolit Evlogj in Frankreich und bat ihn um Aufnahme in den Klerus des inzwischen zur Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel gehörenden Bistums. 

 

Seine Eminenz Metropolit Evlogi (Georgievsky). Exarch des Ökumenischen Patriarchen für russischen Gemeinden in Westeuropa
Seine Eminenz Metropolit Evlogi (Georgievsky). Exarch des Ökumenischen Patriarchen für russischen Gemeinden in Westeuropa

 

Nach der Überwindung vieler Schwierigkeiten und Hürden, die ein staaten- und mittelloser russischer Emigrant in den 20 und 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei der Einreise nach Frankreich hatte, erreichten Vater Alexej, seine zwei Töchter und ein inzwischen geborener Enkelsohn endlich im Jahre 1930 französischen Boden. Hier ernannte ihn Metropolit Evlogij zum Pfarrer (Recteur) der Kirche zu Ehren des heiligen Wundertäters Nikolaus von Myra in Ugine in den Französischen Alpen nahe bei Grenoble.

 

In Ugine hatte eine Gruppe von Kuban- Kosaken im dortigen metallverarbeitenden Industriewerk eine Beschäftigung gefunden. Sie gehörten zu den rund 145 000 Angehörigen der Weißen (zarentreuen) Truppen, die am Ende des russischen Bürgerkriegs durch alliierte Schiffe von Foedossija auf der Krim evakuiert und zunächst ins türkische Gallipoli bei Konstantinopel evakuiert worden waren. Über Zwischenstationen in Bulgarien  und Jugoslawien waren sie nach Frankreich gelangt. Neben dieser Gruppe ehemaliger Militärs vor allem aus dem Kuban gab es in Ugine auch Flüchtlinge aus Nordrussland, aus Moskau, Sankt Petersburg und Pskov. Diese waren vor allem über Estland nach Frankreich eingewandert. Zwischen 1923 und 1931 erreichten so rund 2000 Russen Ugine in den savoyischen Alpen. 600 von ihnen fanden Lohn und Brot im metallverarbeitenden Werk des Ortes, ungeachtet ihrer Vorbildung und bisherigen beruflichen Werdegänge. Im Dezember 1926 richtete die Werksleitung in einer Baracke eine Behelfskirche für die orthodoxen russische Flüchtlinge ein, die von diesen im Laufe der folgenden Zeit (seit 1927) nach den Regeln für die Ausstattung eine orthodoxe Kapelle eingerichtet wurde. Wie in fast allen von russischen Emigranten in Westeuropa eingerichteten orthodoxen Kapellen und Kirchen fanden auch in der Nikolauskirche in Ugine neben neuen Eigenanfertigungen die von den Savoyer  Russen mit auf die Flucht genommene Ikonen, sowie Sakralgegenstände anderer Herkunft, Verwendung. Schließlich wurde sogar ein ganzer Ikonostas samt den dazugehörigen Ikonen nach Ugine gebracht und in die Kapelle eingebaut. Diese stammte urprünglich aus Kronstadt und war in der dortigen Festung in einer Kapelle in den Kasematten eingebaut gewesen. Nach dem ersten Weltkrieg war sie nach Bizerte in Tunesien gelangt und dort in der Kapelle der russischen Marineschule, die von geflüchteten Angehörigen der Schwarzmeerflotte gegründet worden war, genutzt worden. Nachdem diese Schule im Jahre 1925 geschlossen worden war, gelangte der Ikonostas nach Frankreich und unter heute nicht mehr ganz geklärten Umständen in die Kirche in Ugine.

 

Kirche zu Ehren des heiligen Wundertäters Nikolaus von Myra in Ugine.
Kirche zu Ehren des heiligen Wundertäters Nikolaus von Myra in Ugine.
Innenansicht der Kirche.
Innenansicht der Kirche.

 

Vater Alexej wurde nun Priester dieser aufgrund traumatischer Erlebnisse oft neurotischen und desillusionierten Menschen. Und er begegnete ihnen mit seinem tiefen Glauben und seiner intensiven Frömmigkeit. Vater Alexej blieb stets der einfache russische Landpfarrer, der er im Grunde seines Herzen stets gewesen war. Weiterhin trug er seinen alten, abgetragenen Cassok. Darüber war sein von Entbehrungen und Leiden gezeichnetes Gesicht zu sehen. Dahinter aber strahlte noch immer das Antlitz jenes engagierten Priesters und Seelsorgers, der er seit seiner Priesterweihe immer  gewesen war. Die Jahre der Not hatten sein tiefes Gottvertrauen nicht erschüttern können, vielmehr hatten sie ihn zu einem wahren Mann des Gebetes geformt. Er war ein Priester geworden, der die heiligen Handlungen und Gebete während der Göttlichen Liturgie mit größter Achtsamkeit und Ehrfurcht vollzog. Oft feierte er die Liturgie auch an den auf Werktage fallenden Feiertagen der Heiligen. An den Sonn- und Festtagen vollzog er sie jedoch mit besonders großer Feierlichkeit. Als Zelebrant wurde Vater Alexej selbst zum Gebet, das aus seinem vom Glauben erfüllten Herzen zu Gott aufstieg. Bei der Feier der Göttlichen Liturgie wurde er von einem Chor frommer Sänger begleitet, die die kirchlichen Gesänge in großer Qualität darboten und die Gläubigen damit im Gebet unterstützten. Schon lange vor Beginn des Gottesdienstes kam Vater Alexej in die Kirche, um zu beten und sich damit auf die Feier der allheiligen Mysterien vorzubereiten. Bei der Zelebration sang er jedes Wort sehr klar und deutlich und machte auch keine Kürzungen oder Auslassungen. Oft predigte er an der entsprechenden Stelle und seine Homilien waren lang und gut strukturiert. Nach Ende der Liturgie blieb Vater Alexej in der Kirche um zu beten und auf Bitten der Gläubigen Panychiden (Totengedenkgottesdienste) und Moleben (Bittgottesdienste) abzuhalten. Grundsätzlich nahm Vater Alexej für diese Gedenkgottesdienste kein Geld von den Gläubigen an.

 

Panychida mit Vater Alexej auf dem Friedhof in Ugine.
Panychida mit Vater Alexej auf dem Friedhof in Ugine.

 

Obwohl sich Vater Alexej´s materielle Situation seit seiner Übersiedlung nach Frankreich deutlich verbessert hatte, sandte ihm der Herr neue Prüfungen. Unter seinen Pfarrkindern, deren Lebensumstände durch den harten Arbeitstag als Industriearbeiter und dessen oft unabweisbaren Notwendigkeiten geprägt war, brachten nur geringes Verständnis für seine von Demut und echt christlichem Mitleiden geprägte Haltung auf. Stets sprach Vater Alexej nur Gutes über Jedermann und nie ließ er sich in Intrigen und Streitigkeiten zur Partei einer Seite machen. Wenn er beschuldigt oder angeklagt wurde, antwortete er mit demütigem Schweigen. Auch hörte er mehr zu als dass er selber sprach. Wenn die Gespräche sich politischen Themen zu wandten oder jemand beschuldigt oder angegriffen wurde, wurde Vater Alexej zunehmend still und begann zu beten. Engen Freunden gegenüber offenbarte er jedoch seine Bildung und sprach dann offen über Gott oder die Dinge der Kirche. Stets zitierte er dabei das heilige Evangelium und die Psalmen, die er auswendig konnte. Auch zitierte er beständig die heiligen Väter. Besonders zugetan war er den Gedanken des russischen Religionsphilosophen und Theologen Chomjakov. Vater Alexej war äußerst  belesen. Er kannte die Werke der Literatur und Wissenschaft. Eine besondere Gabe hatte Vater Alexej beim Umgang mit Kindern, die er auch in der Sonntagsschule unterrichtete. Viele seiner Pfarrkinder erinnern sich an ihn als einen frommen und ehrhaften Mann, sehr höfflich, eher würdevoll zurückhaltend als scheu. Stets dankte er Gott für Alles,war ihm wiederfuhr,  auch wenn der Herr ihm große Nöte schickte. Vater Alexej war ein großer Fürbitter, still und freundlich; bis in die Tiefen seine Seele geprägt von gebetserfüllter Demut und innigstem Mitleid. Er verweigerte sich nur, wenn man von ihm erwartete, dass er andere verurteile oder verleumde. Da Vater Alexej auch in Ugine die meisten Gaben, die er erhielt wieder wegschenkte, blieb sein Leben auch in Ugine im materiellen Sinne von Armut geprägt.

 

Für Vater Alexej war es schwierig, sich in unter den Fraktionen und Parteiungen der meist stark politisierten Exilrussen zurechtzufinden. Leider teilten auch seine Kinder nicht seinen, vom tiefen christlichen Glauben erfüllten, Standpunkt. Einige Pfarrangehörige stießen sich den langen Gottesdiensten oder rümpften die Nase über seine ärmliche Kleidung. Nach säkularen Maßstäben urteilende Menschen mit militärischer Vergangenheit, die es gewohnt waren zu befehlen, bestimmten zunehmend im Pfarrgemeinderat. Ihr Hauptaugenmerk galt nicht dem Glauben und den kirchlichen Belangen sondern der Durchsetzung politischer Doktrinen und Ideen. Ihr Ziel war es, zumindest im Milieu der Emigranten wieder herrschen zu können. Diese Cliquen versuchten Vater Alexej auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. Jedoch ließ er sich weder instrumentalisieren, noch griff er sie an, sondern zog sich einfach ins stille Gebet zurück. Als diese Kreise sahen, dass Vater Alexej sich nicht von ihnen benutzen ließ, versuchten sie ihn als Priester unmöglich zu machen. Falsche Anschuldigungen wurden erhoben, Tatsachen wurden verdreht und die böse Saat der Lügen wurde ausgestreut. Und dies wurde als geschickt verpackte Verleumdungen dem Metropoliten Evlogi in Paris zugetragen. Einige Pfarrmitglieder gingen sogar so weit, Vater Alexej während der Gottesdienste zu schikanieren. Schließlich lud der Metropolit Vater Alexej nach Paris vor, um den Fall genau untersuchen zu können. Nun trat eine andere Gruppe von Pfarrgemeindemitgliedern auf den Plan, die es bei derartigen Fällen auch immer gibt, nämlich die schweigende Mehrheit. Sie erkannten, dass dieser demütige und arglose Priester, den sie als ihren Seelsorger und Priester schätzten, und den sie gern behalten mochten, nicht in der Lage sein würde, sich selbst hinreichend zu verteidigen. Voller Furcht fuhr Vater Alexej nach Paris. Dort erkannte Metropolit Evlogij sofort, was für ein abgekartetes Spiel In Ugine gespielt werden sollte. So verteidigte Vladika Evlogij ausdrücklich selbst vor dem kirchlichen Gericht seinen frommen und demütigen Priester. Ein neuer Pfarrgemeinderat wurde gewählt. Jedoch hatten die Auseinandersetzungen und Intrigen Vater Alexej´s Gesundheit erheblich angegriffen. Schon seit seiner Folterung durch die Kommunisten stand es damit nicht mehr zum Besten. Auch die folgenden, entbehrungsreichen Jahre des Exils hatten ihr Übriges getan. Nun wurde Krebs bei Vater Alexej diagnostiziert. Sein Dickdarm war betroffen. Im Juli 1934 wurde er in das Krankenhaus von Annecy am Genfer See gebracht. Hierher kamen nun seine treusten Pfarrkinder um ihrem einsamen Hirten beizustehen.

 

In seiner Krankheit und Einsamkeit fand Vater Alexej Trost und Zuflucht im Gebet. Schon immer liebte er das Gebet der Akathistos- und Kanonhymnen. Nun betete er oft den Akathistos zum heiligen Großmärtyrer Panteleimon, dem großen heiligen Arzt, Heiler und Uneigennützigen. So kamen nach Gottes Tatschluss die letzten Tage im irdischen Leben des heiligen Alexej. Er spürte seinen Tod kommen und sah ihn voraus. Auch eine Operation brachte ihm keine Linderung. Im August 1934 besuchte ihn eine größere Gruppe seiner Pfarrkinder. Bei ihrem Besuch ermunterte Vater Alexej sie ein christliches Leben mit Gebet und Fasten zu führen. Vater Alexej litt große Schmerzen, da man in der damaligen Zeit noch keine palliativmedizinische Versorgung sterbender Patienten mit schmerzstillender Behandlung, wie sie heute in der Krebsmedizin Standard sind, kannte. Trotz allem verzweifelte Vater Alexej nicht und auch sein Verstand und das Bewusstsein blieben ungetrübt. Da Vater Alexej einen plötzlichen Tod fürchtete wollte er sich auf seinen Heimgang zum Herrn vorbereiten. Der einzige Priester, den er im Umkreis von Annecy rufen konnte, gehörte zur russischen Auslandskirche. Später besuchte ihn auch sein Beichtvater, der ihm auch die Heiligen Gaben reichte. Später bat er jedermann um Vergebung, besonders jene, die ihn verfolgt hatten. Unter Gebet und Tränen erbat er die Gnade Gottes. Seine Zimmernachbarn im Krankenhaus berichteten, dass der heilige Alexej am Abend seines Todes kirchliche Hymnen sang. Am frühen Morgen des 22. August 1934 entschlief der heilige Alexej im Herrn. Am Tage vor seinem Heimgang hatte er gebeichtet, die heiligen Gaben und das Sakrament der Ölsalbung empfangen. Nach seinem Tode stellten die Ärzte fest, dass sich die Tumore im ganzen Körper ausgebreitet hatten. Alle russischen Emigranten, egal zu welcher Jurisdiktion sie sich kirchlich hielten, nahmen an der Beerdigung des heiligen Alexej in Ugine teil. Zunächst wurde der Leib des Heiligen im ersten Grab, das zu bekommen war, beigesetzt. Später erwarb der neue Pfarrer der Gemeinde eine Grabstelle für die nächsten 25 Jahre. So wurden die Reliquien damals erstmals umgebettet, wobei der Sarg drei Tage außerhalb der Erde stand.

 

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte die Kirchengemeinde zu Ehren des heiligen Nikolaus in Ugine aus der Jurisdiktion unseres Exarchats in die des Bistums des Moskauer Patriarchates in Frankreich. Im Jahre 1953 beschloss der Gemeinderat der Stadt Ugine den Friedhof aufzulassen, um das Gelände zur Bebauung frei zu geben. Die Angehörigen der auf dem Friedhof Bestatteten konnten jedoch eine Umbettung ihrer verstorbenen Verwandten vornehmen lassen. Die orthodoxe Gemeinde hielt jedoch die Kosten für eine Umbettung des heiligen Alexej für zu hoch. Darauf lieh sich der Gemeindepriester, Vater Philip Športak, die benötigte Summe. Am 22 August des Jahres 1956, genau 22 Jahre nach dem Entschlafen des Heiligen, wurden die Reliquien erneut exhumiert. Als die Arbeiter das Grab öffneten, erwarteten sie nur Restes des Sarges und Knochen vorzufinden. Zwar war der Sarg bis auf einige Reste zerfallen, doch der Leib des heiligen Priesters war vollkommen unversehrt, als ob er erst vor kurzem beerdigt worden sei. Seine Hände und das Antlitz sahen aus, als ob sie aus Wachs geformt wären. Auch die priesterlichen Gewänder und das heilige Evangelienbuch waren vollkommen unversehrt. Nur der versilberte Oklad des Evangeliums war vor Alter und wegen der Feuchtigkeit der Erde schwarz geworden. Da der Körper des Heiligen durch die Krebsmetastasen vollkommen zerfressen worden war, hatten die Ärzte in Annecy diagnostiziert, dass der Körper in kürzester Zeit zerfallen würde. Da man vor der Exhumierung nur noch Knochenreste zu finden erwartete, hatte man nur einen Kleinen Sarg bereitgestellt. Dieser konnte nun aber die unversehrt gebliebenen Reliquien des Heiligen nicht fassen. So wurden seine Arme und Beine angewinkelt. Die Reliquien wiesen, obwohl sie in der Augusthitze drei Tage außerhalb der Erde standen, keine Zerfallserscheinungen auf und sonderten auch keinen Verwesungsgeruch ab. Russen und Franzosen kamen, um sich das für sie ungewohnte Phänomen anzusehen. Die Ungläubigen sagten voraus, dass der Körper bei Kontakt mit Luft bald anfangen würde, zu zerfallen. Doch dies geschah jedoch nicht, sondern die Reliquien des Heiligen blieben unversehrt. Schließlich hielt Vater Philip bei strömenden Regen den erneuten Beerdigungsgottesdienst. Viele Gläubige knieten und beteten. Auch aus der katholischen Gemeinde waren viele Franzosen, Polen und Italiener gekommen. Die Ungläubigen unter den Anwesenden zuckten mit den Schultern und schüttelten den Kopf, denn sie konnten das Phänomen nicht recht deuten. Auf Bitte von Vater Philip kam S. E. Metropolit Nikolaj, der Bischof des Moskauer Patriarchates in Frankreich, um am noch offenen Grab eine Panychida (Totengedenkgottesdienst) zu halten. Unser Exarchat entsandte am 02. Oktober 1957 als Vertreter des amtierenden Metropoliten Vladimir Vater Paul Poulmalsky, sowie den Sekretär des Diözesanrates Herrn C.M. Kniazeff. Zusammen mit Ihnen war auch die Nonne Mutter Théodosia aus dem Kloster zu Ehren des Schutzes der Allheiligen Gottesgebärerin in Bussy- en- Othe anwesend. Sie sprachen mit den Augenzeugen und verfassten einen Bericht für S. E. Metropolit Vladimir. Vater Paul schlug vor, den Leib des heiligen Alexej auf den Friedhof bei der Mariae- Entschlafenkirche in Sainte- Genevieve- des- Bois bei Paris zu überführen. Diesem Vorschlag stimmte S.E. Metropolit Vladimir zu. So wurde schließlich der 03. Oktober 1957 für die Überführung der Reliquien nach Paris bestimmt. An diesem Tage feierte Vater Paul mit allen Anwesenden auf dem Friedhof zunächst eine Panychida.

 

 

Bereits am 30 September 1957 waren die Reliquien erneut exhumiert worden. Auch jetzt waren sie vollkommen unversehrt. Für die Überführung nach Paris wurde der eigentliche hölzerne Sarg in einen weiteren Zinksarg gestellt. Am Tage der Überführung fand nochmals eine Panychida in der Kirche von Ugine statt. Obwohl es ein Werktag war, war die kleine Kirche voller Beter, so dass man wegen der Enge kaum einen Platz zu finden vermochte. Die Überführung der Reliquien wurde im Nonnenkloster zu Ehren des Schutzes der Allheiligen Gottesgebärerin in Bussy-  en-  Othe unterbrochen. Dort feierte Vater Paul Poulmalskij eine weitere Panychida. Bei diesem Gebetsgottesdienst konnten alle Anwesenden und die Nonnen des Klosters die Reliquien des Heiligen verehren.

 

Der Leib des heiligen Alexej kam am Abend desselben Tages, dem 03. Oktober 1957, in Sainte- Genevieve-des- Bois bei Paris an. Inzwischen war bekannt geworden, dass zwei Personen auf die von ihnen erbetene Fürbitte des heiligen Alexej hin wundersam von ihren ernsten Erkrankungen geheilt worden waren. Die Reliquien wurden in die Krypta der Mariae- Entschlafen- Kirche gebracht und es wurde vor ihnen eine weitere Panychida zelebriert. 

 

Am nächsten Tag vollzog S. E. Bischof Methodius aus unserem Erzbistum die Göttliche Liturgie. Der Liturgie folgte eine Panychida, an der auch verschiedene Priester der anderen beiden, russischen Jurisdiktionen, dem Moskauer Patriarchat und der russischen Auslandkirche teilnahmen, obwohl es zu dieser Zeit noch keine Kommunionsgemeinschaft mit der Auslandskirche gab. In seiner Predigt sagte Vater Philip Športak, dass durch den unversehrten Leib seines demütigen Dieners des guten Priesters Alexej unser Herr und Gott uns daran gemahne, stets treue Kinder der einen Orthodoxen Kirche zu sein. 

 

Von 1957 bis 2004 blieben die Reliquien des Heiligen in der Krypta der Mariae- Entschlafen- Kirche in Sainte-Geneviève des Bois. Am 16. Januar 2004 wurde der Heilige und Gerechte Priester Alexej von Ugine zusammen mit den vier Pariser Neomärtyrern, die das Märtyrium unter der Nazi- Okkupation erlitten hatten, durch den Heilige Synod des Ökumenischen Patriarchates in Konstantinopel kanonisiert. Am 02. Mai 2004 vollzog S. E. Erzbischof Gabriel von Comana  die feierliche Proklamation dieser neuverherrlichten orthodoxen Heiligen, die ihren irdischen Lebensweg als treue Kinder unseres Exarchates durchschritten haben, in der Alexander- Nevsky- Kathedrale in Paris. Am 13. Oktober 2004 wurden dann die Reliquien des Heiligen und Gerechten Alexej in das Nonnenkloster zu Ehren des Schutzes der Allheiligen Gottesgebärerin in Bussy- en- Othe überführt. Seit dieser Zeit ruhen sie in der dortigen Klosterkirche zu Ehren der Verklärung Christi.

 

 Ikone des heiligen Alexej von Ugine in seiner Pfarrkirche in Vruda.
Ikone des heiligen Alexej von Ugine in seiner Pfarrkirche in Vruda.
Ikone der heiligen Neo-Märtyrerin Grossfürstin Elisabeth.
Ikone der heiligen Neo-Märtyrerin Grossfürstin Elisabeth.

 

Die heilige Neo-Martyrerin

Grossfürstin Elisabeth von Russland

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija v. Gojan 

 

Die heilige Neomärtyrerin Elisabeth wurde am 01. November 1864 als Prinzessin Elisabeth Alexandra Luise Alice von Hessen-Darmstadt und bei Rhein geboren. In Darmstadt erhielten die Kinder eine auf persönliche Bescheidenheit und evangelische Frömmigkeit orientierte Erziehung. Die junge Prinzessin hatte viele Verehrer. Auf einem der zahlreichen Familientreffen verliebte sich Elisabeth in den russischen Großfürsten Sergej Alexandrowitsch Romanow. Sergej eilte ein schlechter Ruf voraus. Mit seiner rauen Art und seinem herrischen Auftreten galt er als Sonderling. So stand Elisabeths Verwandtschaft dieser Verbindung ablehnend gegenüber. Insbesondere ihre Großmutter Königin Viktoria von England, hegte starke Vorbehalte gegen Russland und seine autokratisches Herrschaftssystem. Sie war überzeugt, dass Russlands Probleme und Defizite gerade aus dem Fehlen einer parlamentarischen Mitsprache in einer konstitutionellen Monarchie herrührten. Aber gegen alle Widerstände setzte die heilige Elisabeth ihre Liebesheirat durch. Das Paar heiratete in Sankt Petersburg. Auf ihrer Hochzeit lernte Elisabeths Schwester Alix den russischen Thronfolger Nikolaus Alexandrowitsch kennen. Die heilige Elisabeth führte mit dem grundlos eifersüchtigen Sergej eine unglückliche, kinderlose Ehe. Als jedoch ihre Schwägerin Alexandra, die Ehefrau von Sergej´s Bruder Pavel 1891 kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes verstarb, nahmen sie deren Kinder Maria und Dimitrij an Kindesstatt bei sich auf. Da die heilige Elisabeth nicht mit dem russischen Thronfolger verheiratet war, behielt sie ihren angestammten evangelischen Glauben zunächst bei. Als sie die aber im Oktober 1888 gemeinsam mit ihrem Mann das Heilige Land bereiste und die Orthodoxie dort intensiv erleben konnte, reifte in ihr allmählich der Entschluss, zu orthodoxen Kirche zu konvertieren. In Russland war sie fortan unter dem Namen Großfürstin Jelisaweta Fjodorowna (russisch: Елизавета Фëдоровна Романова) bekannt. Ihren alten Taufnamen, der sie mit ihrer heiligmäßigen Vorfahrin, der Landgräfin Elisabeth von Thüringen verband, behielt sie aber bei. Im Jahre 1891 erhob Zar Alexander III. Sergej Alexandrowitsch zum Generalgouverneur von Moskau. Der extrem konservative Sergej machte sich durch seinen harten und besonders despotischen Verwaltungsstil in Moskau sofort viele Feinde, vor allen unter der, den revolutionären Ideen anhängenden, Intelligenzija. Infolge seiner starren Politik wurde er im Jahre 1905 Opfer eines anarchistisch motivierten Attentats. Die heilige Elisabeth eilte sofort zum Tatort, fand aber ihren Mann nur noch tot vor. Anschließend suchte fünf Tage lang Trost im Gebet. Vor der Beerdigung besuchte sie den Attentäter im Gefängnis und überreichte ihm eine Ikone. Aber ihre Hoffnung, der Attentäter werde sein Unrecht einsehen, erfüllte sich nicht. Trotzdem richtete sie ein Gnadengesuch an ihren Schwager Zar Nikolaus II. Doch der Verurteilte selbst lehnte eine Begnadigung ab, da er hoffte, dass sein Tod der revolutionären Bewegung weiteren Auftrieb verleihen würde.

 

Das Attentat stellte einen Wendepunkt im Leben der Großfürstin dar. Die heilige Elisabeth wandte sich nun dem orthodoxen monastischen Leben zu. Nach dem Trauerjahr entschied sie sich, ihr Leben den Leidenden und Armen zu widmen. Sie teilte ihren gesamten Besitz auf und behielt nicht einmal ihren Ehering zurück. Ein Teil ging an den Staat, ein anderer an Verwandte und den größten Teil verwandte sie zur Finanzierung ihrer wohltätigen Arbeit. Die heilige Elisabeth gründete in Moskau das Martha-MariaKloster. Sie hatte die Vision eines neuen Schwesterntyps, der das kontemplative Gebetsleben orthodoxer Nonnen mit sozialer Arbeit nach dem Vorbild der evangelischen Diakonissen vereinigen sollte. Die Konservativen in der russischen Kirche betrachteten die Ideen der Großfürstin mit Argwohn und warfen ihr protestantische Tendenzen vor. In den daraufhin angepassten Regeln für die Schwesternschaft wurde auf umstrittene Punkte wie die Diakonissenweihe gänzlich verzichtet, und die Zweifel konnten ausgeräumt werden. So entstand die Gemeinschaft der „Schwestern der Liebe und Barmherzigkeit“. Das „Martha-Maria-Kloster der Barmherzigkeit“ begann mit seiner Tätigkeit im Februar 1909. Die strengen Regeln und Pflichten der Schwestern galten auch für ihre hochadelige Äbtissin. Zum Kloster gehörten ein Krankenhaus, in dem Bedürftige kostenlos behandelt wurden, eine Apotheke, ein Waisenhaus sowie eine Bibliothek. Die Schwestern versorgten Kranke unentgeltlich mit Medikamenten und speisten die Armen und Bedürftigen. Als tief religiöse Äbtissin sah die heilige Elisabeth sich den echten Traditionen der orthodoxen Kirche verbunden und lehnte jeden ungesunden Mystizismus entschieden ab. Dies zeigte sich unter anderem darin, dass sie Bewerberinnen für die Schwesternschaft ablehnte, die ihr von Visionen und mystischen Erfahrungen berichteten.

 

Großfürstin Elisabeth als Äbtissin des Maria und Martha Klosters in Moskau.
Großfürstin Elisabeth als Äbtissin des Maria und Martha Klosters in Moskau.

 

Diese nüchterne, an den heiligen Vätern orientierte, Frömmigkeit entfremdete sie auch von ihrer Schwester, der Zarin Alexandra, da sie den von der Zarenfamilie verehrten Wunderheiler und Wanderprediger Rasputin offen und entschieden ablehnte. Während des Ersten Weltkriegs arbeiteten einige Schwestern des Klosters in Feldlazaretten an der Front und die heilige Elisabeth sammelte Spenden für Kriegsversehrte und deren Angehörige. Die Februarrevolution von 1917 beendete die Zarenherrschaft in Russland, und Elisabeths Schwager Nikolaus II. musste abdanken. Die politischen Umbrüche hatten auf das Leben im Kloster zunächst keinen Einfluss. Die heilige Elisabeth sorgte sich aber um ihre Verwandten, die in Zarskoje Selo unter Hausarrest standen. Sie pflegte mit ihrer Schwester Alexandra Kontakt zu halten, auch noch in deren Tobolsker Verbannung, allerdings unter erheblich erschwerten Bedingungen. Ernste Folgen für das Kloster und die Großfürstin selbst ergaben sich erst mit der Machtergreifung der Bolschewiki im Oktober 1917. Die Bolschewiki betrachteten das Kloster als „Brutstätte des Aberglaubens“. Bald sahen sich das Kloster und seine Äbtissin Schikanen ausgesetzt. Kaiser Wilhelm II. versuchte, die heilige Elisabeth zur Flucht aus Russland zu bewegen. Aber diese lehnte es ab, ihre neue Heimat zu verlassen. Während des beginnenden russischen Bürgerkriegs wurde sie im April 1918 zuerst nach Perm und anschließend nach Jekaterinburg verbannt. Dem Vorsitzenden des Exekutivkomitees des örtlichen Gebietssowjets waren im Mai 1918 zu viele Romanows in der Stadt und so ließ er einige nach Alapajevsk verlegen, unter anderem auch die heilige Elisabeth. Dort ließ man sie mit fünf anderen Verwandten der Zarenfamilie in einer kleinen Schule wohnen. Der in Perm unter Hausarrest stehende Großfürst Michail wurde am 13. Juli von der örtlichen Tscheka erschossen. Die Ereignisse in Perm, von der Tscheka als Flucht getarnt, nahm der Gebietssovjet zum Anlass, die Lebensumstände der verbannten Romanows zu verschärfen. Die Tscheka betrachtete Elisabeth und ihre Mitverbannten fortan als Gefangene. Am späten Abend des 17. Juli 1918, einen Tag nach der Ermordung der Zarenfamilie in Jekaterinburg, ermordete die Tscheka auch die Romanows in Alapajevsk sowie die heilige Barbara (Jakovleva), die mit ihrer Äbtissin die Verbannung geteilt hatte. Die Todgeweihten wurden zu einer stillgelegten Erzgrube gebracht und in einen Bergwerksschacht gestoßen. Die letzten Worte, die Elisabeth Fjodorovna noch zu ihren Mördern gesagte, war jener Vers aus dem Lukasevangelium (Lk 23, 34), den sie schon auf den Grabstein ihres Mannes hatte schreiben lassen: "Oh Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun".

 

Ikonen, Kreuze und Gebetssschnur, gefunden bei den Reliquien des heiligen Neo- Märtyrerin Elisabeth in Alapajevsk.
Ikonen, Kreuze und Gebetssschnur, gefunden bei den Reliquien des heiligen Neo- Märtyrerin Elisabeth in Alapajevsk.

 

Drei Monate später stellte eine Untersuchungskommission fest, dass der Kopf eines der getöteten jungen Männer sorgfältig mit dem Kopftuch der Großfürstin verbunden war, die offenbar trotz ihrer eigenen tödlichen Verletzungen noch versucht hatte, die Not ihres Leidensgenossen 14 zu lindern. Nach der vorübergehenden Einnahme des Gebiets durch die Tschechoslowakische Legion barg diese die Leichen und identifizierte sie einwandfrei. Beim Rückzug überführte sie die Weiße Armee nach Tschita in Sibirien. Die Leichen der zusammen mit der heiligen Elisabeth ermordeten Romanow-Prinzen fanden ihre letzte Ruhestätte in Peking.

 

Die Reliquien der heiligen Neomärtyrerinnen Elisabeth und Barbara wurden auf Betreiben ihrer Schwester Viktoria von Hessen-Darmstadt, der späteren Marquise von Milford Haven von Peking nach Jerusalem gebracht. Sie ruhen dort, wie es sich die heilige Elisabeth während ihrer Pilgerfahrt ins Heilige Land einst gewünscht hatte, in der Klosterkirche des russischen Magdalenenklosters im Ölberg. Das Moskauer Martha-Maria-Kloster der Barmherzigkeit wurde 1926 endgültig geschlossen und die Schwestern nach Zentralasien deportiert.

  

 

Als mit dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Russland auch die Kirchenverfolgungen endeten, wurden die noch erhaltenen Gebäude des Konvents der orthodoxen Kirche zurückgegeben. Nach langen Auseinandersetzungen um Grundstück und Gebäude konnten die ersten Schwestern im Mai 1994 den Konvent neu besiedeln. Sie erhielten 1995 dafür den Segen von Seiner Heiligkeit Patriarch Alexij II. Das Kloster ist heute sowohl eine Gedenkstätte an die heiligen Neomärtyrerinnen Elisabeth und Barbara, als auch ein Zentrum der, in der heutigen russischen Gesellschaft so bitter notwendigen, orthodoxen sozialen und karitativen Arbeit.

 

1981 bzw. 1992 wurde die heilige Neomärtyrerin Elisabeth mit anderen Neomärtyrern, die um ihres Glaubens willen unter dem kommunistischen Joch gelitten haben, von der orthodoxen Kirche in Russland verherrlicht.

 

Neubeginn der Schwesternschaft im Kloster Maria und Martha.
Neubeginn der Schwesternschaft im Kloster Maria und Martha.

 

Verkünder des Wegs zum Heil, Bekenner und Oberhirte der Krim, treuer Bewahrer der Traditionen der Väter, unerschütterliche Säule und Lehrer der Orthodoxie, heiliger Bischof Lukas, gottweiser Arzt, unentwegt bitte Christus unseren Retter, den Orthodoxen starken Glauben zu schenken, Rettung und das große Erbarmen.

 

Troparion 

 

Das Leben des Heiligen Lukas Erzbischof von Simferopol

und der Krim und uneigennütziger Arztes

 

29. Mai

 

Der Hl. Lukas wurde im Jahre 1877 in Kertsch in der Ukraine geboren, in eine Adelsfamilie polnischer Herkunft, und empfing den Taufnamen Valentin. Um dem Gottesvolk zu dienen, studierte er in Kiew Medizin und begann 1903 seine Tätigkeit als Landarzt in einem Spital am Baikal-See in Sibirien. Hier verheiratete er sich und wurde in der Folge Vater von 4 Kindern. Nach mehreren Versetzungen wurde er bei Ausbruch der Revolution im Jahr 1917 Chefarzt eines großen Spitals in Taschkent, wo er zudem als Professor für Chirurgie an der Universität lehrte. Er nahm auch oft an geistigen Diskussionen teil, wo er offen und mit flammenden Worten gegen den atheistischen Materialismus Stellung nahm. 

 

Damals empfing er die Priesterweihe und zelebrierte jeden Sonntag in der Kathedrale von Taschkent. Mit großer Hingabe widmete er sich der Predigt und führte zwei Jahre lang öffentliche Streitgespräche mit einem in Apostasie gefallenen Priester, der in der Gegend die anti-religiöse Propaganda leitete.

 

Als 1923 das Schisma der „Lebendigen Kirche“ die russische Kirche in Wirrsal stürzte, musste der Bischof von Taschkent fliehen, wobei er die Verwaltung seiner Diözese Pater Valentin sowie einem anderen Erzpriester anvertraute. Da seine Frau schon einige Jahre vorher an Tuberkulose gestorben war und er seine Kinder in zuverlässige Obhut gegeben hatte, wurde er im selben Jahr unter dem Namen Lukas zum Mönch geschoren und am 18.5.1923 von zwei exilierten Bischöfen im Gebiet von Samarkand in aller Heimlichkeit zum Bischof geweiht. 10 Tage nach seiner Rückkehr nach Taschkent und seiner erstenLiturgie als Hierarch wurde er vom sowjetischen Geheimdienst GPU verhaftet und unter der Anklage antirevolutionärer Umtriebe und der Spionage zugunsten Großbritanniens zu zwei Jahren Exil in Sibirien verurteilt. Seine Wohnsitz musste er in dieser Zeit in Turuchansk nehmen. Dort war er in einem Spital als Chirurg tätig und rettete mehrere Menschen vor dem sicheren Tod. Er war gewohnt, die Kranken vor der Operation zu segnen und zu beten, und als die GPU-Agenten es ihm verboten, weigerte er sich glattweg, ihnen zu gehorchen. Da wurde er ins Polizeikommissariat gerufen und verhört, worauf man ihm eine halbe Stunde gab, um sein Gepäck bereitzumachen. Dann schickte man ihn auf einem Schlitten an die Ufer des Arktischen Meeres, wo er den Winter in verschiedenen Weilern verbrachte. Im Frühjahr 1924 wurde er nach Turuchansk zurückgerufen, da man dort einen Chirurgen brauchte. 1926 ließ man ihn frei, worauf er nach Taschkent zurückkehrte. Damals schlug ihm Metropolit Sergij mehrere Bischofssitze vor, doch er lehnte ab und bat, in den Ruhestand versetzt zu werden, ein Entscheid, den er später bitter bereuen sollte.

 

 

Nachdem er drei Jahre ungestört als Arzt gewirkt hatte, wurde er 1930 erneut verhaftet, unter dem Vorwand, er habe Beihilfe geleistet zur Ermordung des Professors Michailowski. Dieser hatte nach dem Tod seines Sohnes den Verstand verloren und versucht, den Toten durch Bluttransfusionen ins Leben zurückzubringen, und da es ihm nicht gelang, hatte er sich das Leben genommen. Auf Bitte der Witwe hatte der heilige Lukas in Erwägung des gestörten Geisteszustandes des Professors die Erlaubnis erteilt, ihn mir dem Segen der Kirche zu bestatten. Die kommunistischen Behörden nahmen dies zum Anlass, um ihn anzuklagen, wobei sie als Motiv seiner angeblichen Mordbeihilfe angaben, er habe aus religiösem Fanatismus verhindern wollen, dass der Professor mit Hilfe der materialistischen Wissenschaft einen Toten erwecke. Nach mehreren Verhören warf man ihn in einen luftlosen Kerker, wo er in den Hungerstreik trat. Nach einiger Zeit wurde er zu einem neuerlichen, dreijährigen Exil verurteilt (1931-33), das er in Kotla und Archangelsk verbrachte, wo er ebenfalls als Chirurg im Spital diente.

 

Um sich eines Tumors wegen behandeln zu lassen, reiste er damals nach Leningrad, und hier hatte er eines Tages, während er in der Kirche dem Gottesdienst beiwohnte, eine erschütternde Vision, die ihm seine Verpflichtung im Dienst der Kirche in Erinnerung rief. Zu neuen Verhören nach Moskau beordert, machte man ihm verlockende Angebote zur Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeiten über die Lokalanästhesie und die chirurgische Behandlung eiternder Wunden, unter der Voraussetzung, dass er seine Priesterschaft aufgebe, was er entschieden ablehnte. 1933 entlassen, kehrte er nach Taschkent zurück, wo er in einem kleinen Spital arbeiten konnte. 1934 erschien seine Schrift über die chirurgische Behandlung eiternder Wunden, die zu einem Klassiker werden sollte und ihm später den Stalin-Preis und Weltruf eintrug.

 

Während seiner Arbeit in Taschkent wurde er von einer Tropenkrankheit befallen, die eine Ablösung der Augen-Netzhaut bewirkte. Dennoch setzte er seine chirurgische Tätigkeit bis 1937 fort. Damals löste Stalin seine grausame Verfolgung aus, nicht nur gegen die Gegner des Regimes, sondern auch gegen die Kommunistenführer der Anfänge, und die Konzentrationslager füllten sich mit Millionen von Häftlingen. Auch der heilige Lukas wurde verhaftet, zusammen mit dem Erzbischof von Taschkent und den anderen Klerikern, die der Kirche treu geblieben waren. Man beschuldigte ihn, eine antirevolutionäre Klerikerorganisation gegründet zu haben, und unterwarf ihn einem Kettenverhör von 13 Tagen und Nächten, unter dem blendenden Licht von Scheinwerfern, bei dem er von sich ablösenden Polizeibeamten ununterbrochen befragt wurde, um ihn in Widersprüche zu verstricken. Als er einen neuen Hungerstreik begann, sandte man ihn, erschöpft, in die Kellerverliese der GPU zurück. Nach weiteren Verhören und Foltern, die ihm die Kontrolle raubten über das, was er tat, unterschrieb er mit zitternder Hand ein Geständnis über die Teilnahme an einem antikommunistischen Komplott und wurde anfangs 1940 zum dritten Mal nach Sibirien verbannt, in die Gegend von Krasnojarsk.

 

Zum Preis von tausenderlei Schwierigkeiten gelang es ihm, auch dort als Chirurg zu wirken und seine Forschungen in Tomsk fortzusetzen. Beim Einmarsch der Armeen Hitlers  im Jahr 1941, dem Beginn eines Krieges, der Millionen von Opfern fordern sollte, wurde er zum Chefarzt des Spitals von Krasnojarsk ernannt, mit Verantwortung für alle Militärlazarette der Gegend. Gleichzeitig diente er als Bischof der Region, wo sich die Kommunisten rühmten, alle Kirchen außer Betrieb gesetzt zu haben. Für seine Dienste erhielt er damals eine Auszeichnung des Patriotischen Ordens, und Metropolit Sergij erhob ihn in den Rang eines Erzbischofs. In dieser Eigenschaft nahm er 1943 am Konzil teil, das Metropolit Sergij zum Patriarchen wählte, und wurde zum Mitglied der permanenten Synode des Patriarchats ernannt. Da die antireligiöse Verfolgung des Krieges wegen etwas abgeflaut war, konnte er in Krasnojarsk ein Programm geistiger Erneuerung beginnen und ergab sich mit doppeltem Eifer der Predigt (Er hielt über 1250 Predigten, wovon 700 aufgezeichnet wurden und in 12 Bänden gesammelt in Russland herausgegeben worden sind). Als das Spital von Krasnojarsk 1944 nach Tambow verlegt wurde, zog er in diese Stadt und übernahm auch die Leitung ihres Bistums. Gleichzeitig arbeitete er an verschiedenen medizinischen und religiösen Publikationen und verfasste eine Apologie des Christentums gegen den atheistischen Materialismus.

 

 

1946 wurde er auf die Krim versetzt und zum Erzbischof von Simferopol ernannt. Wegen einer Herzkrankheit und dem schwindenden Augenlicht musste er nun aufhören mit seinen Operationen, blieb aber weiterhin tätig, indem er unentgeltliche Konsultationen gab und die anderen Ärzte der Gegend beriet. Damals geschahen durch sein Gebet mehrere wunderbare Heilungen. 1956 erblindete er vollständig, zelebrierte aber weiterhin die Göttliche Liturgie, predigte und leitete seine Diözese, wobei er sich mutig den Kirchenschließungen und anderen Verfolgungsmaßnahmen entgegen stellte. Nachdem er sein Werk als Zeuge des zu unserem Heil gekreuzigten Herrn erfüllt hatte, entschlief er in Frieden am 11. Juni (29. Mai) 1961 und wurde im Beisein des ganzen Klerus und einer großen Volksmenge bestattet. Sein Grab wurde bald zur Pilgerstätte, an der sich bis heute viele Wunder ereignen.

 

Quelle: Das Synaxarion, das Leben der Heiligen der Orthodoxen Kirche, Band 2, Kloster des Heiligen  Johannes des Vorläufers, Chania 2006, Seite 385 ff. 

 

 

Der Heilige Justin von Čelije 

 

Thomas Zmija v. Gojan

 

Vater Justin Popović (Јустин Поповић) war ein besonders herausragender orthodoxer Theologe des 20. Jahrhunderts. In der Bewertung seines Ranges wird er vor allem in der serbischen Kirche nicht selten mit den Kirchenvätern der Frühzeiten verglichen. Sein besonderer Verdienst liegt vor allem darin in dunkler Zeit, als der Tito-Kommunismus das Licht des Orthodoxen Glaubens im Herzen vieler serbischer Menschen fast zu erlöschen brachte, mit authentischer und missionarischer Stimme die Wenigen, die sich nicht zur Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben verführen ließen, gestärkt zu haben. So ist der heilige Vater Justin einerseits von besonderer Bedeutung für die heutige Orthodoxe Kirche in Serbien, anderseits jedoch auch für die Orthodoxen in der westlichen Diaspora, da sein genuin christliches Denken doch auf die Bewahrung der authentischen kirchlichen Überlieferung im Rahmen der modernen Welt gerichtet ist.

 

Der spätere Archimandrit wurde am 06. April 1894 als Blagoje Popovic in der südserbischen Stadt Vranje geboren. Nach Abschluss der Grundschule besuchte er zwischen 1905 und 1914 das geistliche Seminar in Belgrad und begann an der dortigen Universität sein Theologiestudium. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges fand diese Zeit an der Theologischen Fakultät in Belgrad jedoch ihr vorzeitiges Ende. In den Jahren 1914 und 1915 absolvierte er seinen Militärdienst als Sanitäter und erkrankte dabei schwer an Typhus. Deshalb wurde er schließlich von weiteren militärischen Verpflichtungen freigestellt. Im Januar 1916 zum Mönch geweiht, wurde er kurz darauf zur weiteren Ausbildung an die Geistliche Akademie in Petrograd (Sankt Petersburg) entsandt. Der Ausbruch der Oktoberrevolution und der darauf folgende russische Bürgerkrieg beschleunigten allerdings seine Rückkehr aus Russland nach Serbien.

 

 

Ein weiterer Studienaufenthalt führte den jungen Mönch zwischen 1919 und 1921 an die Universität Oxford, wo er eine Dissertation zum Thema „Dostojewski und Europa“ erstellen wollte. Doch aufgrund diverser weltanschaulicher Differenzen kam es zu Konflikten, die schließlich in der Ablehnung der Doktorarbeit mündeten. Schon damals zeigte sich die kompromisslos orthodoxen Haltung des jungen Theologen.

 

Von 1934 bis 1941 war er Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Belgrad. In der Zeit des Tito-Kommunismus erkannten die Machthaber schnell, dass das Wirken des heiligen Justin dem panmäßig durchgeführten Glaubensabfall der meisten Serben im Wege stand. So wurde er bald in das Nonnenkloster Čelije bei Valjevo verbannt. Dort empfing der heilige Justin jedoch angehende Theologen, Ratsuchende und Pilger und stärkte deren Glauben und ihr Bewußtsein für die authentische Orthodoxie. Im Jahr 1979 starb der Heilige im Kloster Čelije und wurde dort auch begraben. Im Jahre 2010 wurde er von der serbischen Orthodoxen Kirche heiliggesprochen.

 

Auf den ersten Blick steht das Werk des heiligen Justin für uns, die wir in einer Zeit leben, wo klare Überzeugungen von der überwiegenden Mehrheit der Menschen in den westlichen Gesellschaften kaum mehr ertragen und deshalb schnell als "Fundamentalismus" verurteilt werden, quer zu den auch von vielen dort lebenden Orthodoxen geteilten Überzeugungen. Jedoch liegt der bleibende Wert des theologisch- christlichen Denkens des heiligen Justins in der an jeden von uns persönlich gerichteten Frage nach dem Fix- und Orientierungspunkt, an dem wir unser Leben ausrichten wollen. Es lohnt sich deshalb einmal einen Schritt zurückzutreten und die Meinungsvorgaben des Mainstream und unsere von außen übernommenen gängigen Denkmuster einmal vom traditionellen Standpunkt unser Orthodoxen Kirche aus zu hinterfragen. Hier ist der heilige Justin ein besonders hilfreicher Begleiter.

 

Heiliger Justin von Čelije.
Heiliger Justin von Čelije.