Die Große Fastenzeit-Teil 1-Versöhnungssonntag bis Sonntag der Kreuzverehrung

 

Zum Sonntag der Vergebung

(Sonntag des Käseverzichts)

 

Erzpriester Martinos Petzolt

 

„Die Zeit der Fasten lasst uns freudig beginnen“, singt die Kirche heute Abend in der Vesper der Vergebung. Die Fastenzeit soll eine Zeit der Freude sein, denn die Reinheit, die Befreiung von allen Belastungen, die Freiheit von Abhängigkeiten istetwas Gutes. Natürlich sollen wir auch die Leidenschaften bekämpfen, wir sollen verzichten, wir sollen fasten. Aber der Sinn ist die Freiheit unserer Seele und das Ziel ist das leuchtende Pascha. Das sollen wir im Blick haben, wenn wir über das Fasten reden.So sagt es auch die heutige Evangelienperikope. Wenn wir fasten, sollen wir nichttrübselig sein und vor allem nicht hochmütig und stolz. Im Verborgenen sollenwir unsere Leidenschaften bekämpfen und nach außen hin christliche Freudezeigen. Wir sollen uns waschen, sagt der Herr. Tatsächlich nennen wir den morgi-gen Tag Reinen Montag. Nicht nur äußerlich und körperlich sauber sollen wir dieFastenzeit beginnen, sondern vor allem innerlich. Deshalb sollen wir auch einan-der verzeihen, damit uns nichts belastet in dieser Zeit der Vorbereitung auf dasleuchtende Pascha. Der Herr selbst sagt es uns: „Denn wenn ihr den Menschenihre Verfehlungen vergebt, wird auch euer himmlischer Vater euch vergeben.“(Mt6.14). An anderer Stelle sagt uns der Herr: „Wenn du deine Opfergabe zum Altarbringst und du dich erinnerst, das dein Bruder etwas gegen dich hat, lass deineOpfergabe dort auf dem Altar und geh und versöhne dich zuerst mit deinemBruder, und dann komm und opfere deine Gabe“ (Mt 5,23-24)In dieser Gesinnung sollen wir die Zeit der 40 Tage beginnen und das Fastenhalten, damit es Frucht bringt für uns und für die anderen um uns herum.Natürlich hat die Kirche auch Regeln aufgestellt, wie wir fasten sollen. Diesekennen wir und beachten wir „kat akreibian“, also genau, oder „kat oikonomian“,also mit gewissen Anpassungen, wie uns unser Geistlicher Vater sagt.Aber das Entscheidende, so sagt es uns der Herr im Evangelium, ist die innereHaltung: Die Haltung der Freude über die gewonnene Freiheit, die Befreiung vonden Sünden durch die gegenseitige Verzeihung vor unseren Mitmenschen unddie Vergebung unserer Sünden durch Gott; und dann die Freiheit von unserenLastern und Leidenschaften, von denen wir uns durch das Fasten befreien. Dannwerden wir auch gemeinsam mit großer Freude das leuchtende Pascha feiern.

 

Aus den Texten der Versöhnungsvesper

 

Zum Psalm Herr, ich rufe zu Dir: Mit Tränen will ich abwischen die Tafel meiner Sünden, Herr, und die übrigeZeit meines Lebens durch Reue Dich versöhnen, aber der Feind verführt michund kämpft um meine Seele; bevor ich völlig verderbe, Herr, rette mich.

 

Nimmt der Schwergeprüfte Zuflucht in diesem Hafen, wird er nicht gerettet?Wenn niederkniet der Leidende vor dieser Praxis, wird er nicht geheilt? Aller Schöpfer und Arzt der Kranken, Herr, bevor ich völlig verderbe, Herr, errette mich.

 

Wasche mich ab mit meinen Tränen, Retter, denn ich bin beschmutzt mit vielenSünden. Deshalb fall' ich nieder vor Dir: ich habe gesündigt, erbarme Dich meiner, o Gott!

 

Ein Schaf bin ich Deiner geistlichen Herde und fliehe zu Dir, Du guter Hirte;suche mich, den Verirrten, o Gott, und errette mich!

Durch Enthaltsamkeit lasst uns alle bemüht sein, das Fleisch zu demütigen,indem wir eintreten in die heilige Rennbahn untadeliger Fasten. Und in Gebeten und Tränen lasset uns den Herrn suchen, der uns errettet. Und ganzund gar lasst uns der Bosheit vergessen, rufend: Dir haben wir gesündigt.Errette uns wie einst die Niniviten, Christus, König, und mach uns teilhaft deshimmlischen Reiches, Erbarmer.

 

Verzweifeln muss ich an mir, wenn ich meine Werke bedenke, o Herr, die aller Strafe wert sind. Denn sieh: verachtet habe ich deine heiligen Gebote, o Hei-land. In Ausschweifung habe ich mein Leben vertan. Drum fleh ich dich an: inStrömen der Reue mache mich rein, durch Fasten und Flehn, der du alleinerbarmend bist, mache mich licht. Und verachte mich nicht, du aller gnädiger Herr, Überguter.

 

Die Zeit der Fasten lasst uns freudig beginnen. Geistigem Wettkampf wollenwir uns weihn. Die Seele entsühnen, läutern das Fleisch. Fasten lasst uns, wieder Speisen, so auch der Leidenschaft uns enthalten, uns mit den Tugenden desGeistes zieren. Wenn wir in ihnen in Liebe beharren, dann mögen wir alle gewürdigt werden, Christi, Gottes allheiliges Leiden und das heilige Pascha zuschaun, frohlockend im Geist.

 

 

Der Anfang der ersten Ode des Großen Kanons

des heiligen Andreas von Kreta

 

O Christus, womit soll ich beginnen,* wenn ich die schlechten Taten meines Lebensbeweinen möchte? * Welche können die ersten Worte dieses Klageliedes sein? * InDeiner Barmherzigkeit gewähre mir die Vergebung all meiner Sünden.

 

So komme ich, um dem Schöpfer des Alls meine Schuld zu bekennen,* meinenIrrwahn zu verlassen* und Gott die Tränen meiner Trauer darzubringen.

 

Ich bin dem ersten Adam in seinem Ungehorsam gefolgt * und sehe mich nun fernvon meinem Gott,* des ewigen Reiches und seiner Freude beraubt.

 

Warum bin ich der ersten Eva ähnlich geworden? * Ich habe eigenmächtig dentödlichen Baum berührt * und begierig die verbotene Frucht gekostet.

 

Eva kommt mir in den Sinn.* Ich gleiche ihr durch meine begierlichen Gedanken,*die aus meinen Leidenschaften hervorgehen.* Immer wieder esse ich von der bitterenFrucht.

 

Adam hat gerechterweise wegen eines einzigen Vergehens *gegen Deine Gebotedas Paradies verloren.* Und ich, o mein Retter, * übertrete immer wieder deine Wortedes Lebens!

 

Dem Beispiel Kains bin ich gefolgt. * Ein Mörder für mein Gewissen bin ichgeworden,* indem ich meinem Fleisch nachgegeben * und durchmeine Sünden dasTiefste meines Herzens verletzt hab'.

 

Herr Jesus, die Gerechtigkeit eines Abel habe ich nicht nachgeahmt.* Ich habe Dirkeine wohlgefälligen Opfer dargebracht,* weder Werke, wiesie Gott gefallen,* nochreine Opfergaben,* noch ein Leben ohne Tadel.

 

Nach dem Vorbild des Kain * haben wir Sünder dem Schöpfer nur befleckte Tatendarzubringen,* tadelnswerte Gaben,* das Leben eines Unnützen.

 

 

On the Great Canon of St. Andrew of Crete

 

Protodeacon Vladimir Vasilik

 

St. Andrew of Crete left a deep mark on Orthodox tradition as a great saint, as a theologian, and as a remarkable hymnographer.

 

Comparatively little is known about him. He was born about the year 660. He came from Palestine. In his youth, he renounced the world and left for the Lavra of St. Savva. Then he wound up in Constantinople, where he held the position of orphanotroph, that is, the administrator of orphanages. In this position, he was renowned for his acts of charity and mercy. Around 712, he became bishop of Crete. His Life reports that it was thanks to his prayers that the island of Crete was saved from Arab invasion. The saint departed to the Lord around 740. The memory of St. Andrew of Crete is celebrated on July 4/17.

 

To his pen belong a number of homilies on the feasts of the Lord and the Theotokos and on other occasions. For his time, he was an outstanding and eloquent preacher. But he gained the greatest fame as a hymnographer—the author of stichera and canons. Contrary to the opinion of some, he was not the first to begin to write full canons (there were earlier canons from the sixth-seventh centuries that have come down to us in Georgian translation in the collection Iadgari), however, he is the first famous author of full canons, which have come down to us in the Greek language.

 

He began his hymnographic activity with the three-ode canons that he composed for every day of Holy Week, except Saturday; they used to be sung at Matins from Monday to Friday, then the works of St. Cosmas Maiuma were joined to them, and then the works of St. Cosmas pushed the three-ode canons of St. Andrew to Compline. St. Andrew wrote full canons that are still used in the Divine services: the Great Canon, for Lazarus Saturday, the Sunday of the Myrrh-bearing Women, Mid-Pentecost, and the Nativity of the Theotokos. He also wrote canons that are now unused: for Palm Sunday, Pascha, Theophany, the Meeting of the Lord, the Elevation of the Cross, the Martyr Trophimus (July 23/August 5), and the Maccabean Martyrs (August 1). A peculiarity of all these canons mentioned is the presence of a second ode, based on the mournful and formidable song of Moses from Deuteronomy 32, a large number of troparia, and a Triadicion (a hymn dedicated to the Holy Trinity) and Theotokion (a troparion to the Most Holy Theotokos) at the end.

 

St. Andrew had a characteristic special stylistic handwriting, a special system of images, often going off into early-Christian Palestinian archaisms; for example, the image of Christ’s side as a chalice (Great Canon, Ode 4); his style is concise, strict, and didactic, and his simple language is immediately recognizable.

 

St. Andrew of Crete is best known for his Great Canon, or Canon of Repentance. There exists an opinion that it was originally just a number of troparia without irmosi and without Theotokia, and only later did Joseph the Hymnographer arrange it. Modern knowledge of Palestinian hymnography shows that this view is incorrect. The Great Canon is originally a complete work. Only the troparia dedicated to St. Andrew of Crete himself and St. Mary of Egypt are later (although, judging by the life written by St. Sophrony of Jerusalem, her memory could have been celebrated quite early)—all the rest belong to St. Andrew. The earliest manuscript attesting to the Great Canon (with a slightly different order of troparia and a shorter composition) is the Studite Triodion of the middle of the second half of the ninth century, stored in the library of the Academy of Sciences in St. Petersburg. This manuscript has the Canon in hits original place in the services of Great Lent—at Matins of Thursday in the fifth week (when the life of St. Mary of Egypt is read). Only later does it also appear at Compline of the first four days of the first week.

 

The Canon is a soul-piercing, heartfelt lament of the righteous for his sins. The very beginning: “Where shall I begin to weep for the action of my wretched life? What first-fruit shall I offer, O Christ, in this my lamentation? (Ode 1)—attunes the soul for mourning and repentance, for the “wounding of the heart.”

 

The author of the Canon laments not only for himself, but for all mankind that has sinned. He recalls every transgression, every fall, from Adam to the New Testament. The majority of the Canon—eight odes—consists of Old Testament examples. St. Andrew doesn’t just recall the sins of the forefathers, but he experiences them as his own: “I have rivaled in transgression Adam the first-formed man, and I have found myself stripped naked of God” (Ode 1).

 

The transgressions of the forefathers become prototypes of the passions that torment a man: “Instead of the visible Eve, I have the Eve of the mind: the passionate thought in my flesh” (Ode 1). Or another example: “To whom shall I liken thee, O soul of many sins? Alas! To Cain and to Lamech. For thou hast stoned thy body to death with thine evil deeds, and killed thy mind with thy disordered longings (Ode 2: “See now, see”). Here St. Andrew follows St. Maximus the Confessor, for whom Cain is “the acquisition, the law of the flesh,” rising up against Abel, that is, the mind, according to the symbolic interpretation, and killing him. This is what St. Maximus writes: “Had Abel kept guard over himself and had he not gone out with Cain into the field, that is, into the plain of natural contemplation, before attaining dispassion, then Cain, who is and is called the law of the flesh would not have risen up and killed him” (Ad Thalassium 49).

 

If in the Canon St. Andrew recalls examples of Old Testament and New Testament righteousness, then it is first of all in order to reproach his soul for sloth and for sinfulness and to call it to imitation, for example: “O miserable and wicked soul, imitate the righteous and pure mind of Joseph; and do not live in wantonness, sinfully indulging thy disordered desires” (Ode 5).

 

The Canon is a broad historical panorama outlining the history of human sin and human righteousness, of the rejection and acceptance of God. The contents of the Canon are deeply Christ-centered, with heartfelt appeals to Christ in every ode, for example: “May the Blood from Thy side be to me a cleansing fount, and may the water that flows with it be a drink of forgiveness. May I be purified by both, O Word, anointed and refreshed, having as chrism and drink Thy words of life” (Ode 4). The only way of purification for St. Andrew is in Christ, through sobriety, podvig, and deed—to the vision of the Divine.

 

The Great Canon of St. Andrew is, undoubtedly, based on a robust Patristic foundation, with quotes from St. Meletius of Sardis, St. Ephraim of Syria, St. Gregory the Theologian, St. Gregory of Nyssa, and St. Maximus the Confessor. And the merit of St. Andrew of Crete is that he was able to synthesize their experience and imprint it into the Canon.

 

Sometimes you hear the view in Church-related circles that St. Andrew of Crete himself supposedly experienced all the sins he writes about in the Canon, otherwise he wouldn’t have been able to narrate them with such force and persuasiveness. Few things could be more ridiculous and blasphemous than such a judgment! A saint is a saint because he feels that he is the greatest sinner, not being one in fact; the visitation of Divine grace makes the smallest blemishes on his conscience terrible and repugnant to him, and he laments his smallest transgressions as great falls. The aforementioned opinion is a kind of reflection of the vulgar pseudo-wisdom of everyday life: “You have to experience everything yourself to understand it.” Not necessarily…

 

What is given to us in the Canon of Repentance of St. Andrew of Crete is the Biblical, ecclesiastical, truly universal experience of repentance, of the stinging of the heart, of the excruciating removal of the old, dead man and the putting on of the New Adam, in Christ Jesus, our Lord, to Whom glory is due unto the ages.

 

 

Die »Glanzausstrahlende Traurigkeit«- Über die geistliche Atmosphäre in der Zeit der Großen Fasten

 

Erzpriester Alexander Schmaemann

 

Für eine Vielzahl orthodoxer Christen, vielleicht für die meisten von ihnen, besteht das Fasten aus einer gewissen Anzahl von Regeln und formellen, zumeist negativen, Vorschriften: Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel, Verbot von Tanzvergnügungen, vielleicht sogar ein Untersagen von Kinobesuchen. So weit haben wir uns von dem wahren Geist der Kirche entfernt, dass es uns nahezu un- möglich ist zu verstehen, dass es sich bei der Fastenzeit um etwas gänzlich anderes handelt – um etwas, ohne das alle diese Vorschriften einen großen Teil ihres Sinnes verlieren würden. Das beste, das man über dieses »gänzlich andere« sagen könnte, ist, dass es als eine »Atmosphäre«, als ein »Klima« beschrieben werden kann, in welches wir eintreten; es handelt sich vor allem um einen Zustand des Sinnes, der Seele und des Geistes, der sieben Wochen lang unser ganzes Leben prägt. Betonen wir hier nochmals, dass das Ziel der Fastenzeit nicht darin besteht, dass wir uns einige formale Verpflichtungen auferlegen, sondern dass wir unser Herz erweichen lassen, damit es sich den Wahrheiten des Geistes zu öffnen vermag, um den geheimen »Durst und Hunger« nach einer Vereinigung mit Gott zu kosten.

 

Diese »Fasten-Atmosphäre«, dieser einzigartige Zustand des Sinnes wird hauptsächlich durch das liturgische Gebet, durch die verschiedenen Ausdrucksformen des liturgischen Lebens dieser Zeit zustande gebracht. Für sich genommen, mögen diese Ausdrucksformen wie unverständliche »Rubriken«, wie rein formale Vorschriften, an die man aus formellen Gründen festhalten muss, erscheinen. Jedoch als Ganzes betrachtet, offenbaren und vermitteln sie den Geist der Fastenzeit, lassen sie uns diese glanzausstrahlende Traurigkeit sehen, fühlen und erfahren, welche die wahre Botschaft und Gabe der Fastenzeit darstellt. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Geistlichen Väter und die heiligen Schriftsteller, welche die Hymnen des Fasten-Triodion geschaffen haben, welche den allgemeinen Aufbau der Dienste der Fastenzeit ausgearbeitet und welche der Liturgie der Vorgeweihten Gaben die ihr eigene bemerkenswerte Schönheit verliehen haben, über ein einzigartiges Verständnis der menschlichen Seele verfügten. Sie kannten wahrlich die Kunst des Bereuens und sie eröffnen jedes Jahr während der Fastenzeit all jenen den Zugang zu dieser Kunst, die Ohren haben zu hören und Augen zu sehen.

 

Der allgemeine Eindruck dieser Dienste ist, wie gesagt, der einer »glanzausstrahlenden Traurigkeit«. Selbst jemand, der nur in unvollkommener Kenntnis des liturgischen Lebens eine Kirche während eines der Dienste der Fastenzeit beträte, würde sicherlich fast auf Anhieb diesen ziemlich widersprüchlichen Ausdruck verstehen. Einerseits prägt eine Art stiller Traurigkeit den Dienst; die Gewänder sind dunkelfarben, die Gottesdienste dauern länger und sind monotoner als gewöhnlich; es gibt nahezu keine Bewegung. Die Lesungen und Gesänge wechseln einander ab, es gibt scheinbar »keinen Fortgang«. In regelmäßigen Abständen verlässt der Priester das Altarheiligtum, um stets dasselbe kurze Gebet zu sprechen; eine jede Bitte dieses Gebetes wird dadurch hervorgehoben, dass sich alle zum Dienste Versammelten jedes Mal niederwerfen. So verweilen wir in einer länger währenden Zeitspanne stehend in dieser Monotonie, in dieser stillen Traurigkeit. 

 

Aber von jetzt an beginnen wir Verständnis für die Notwendigkeit dieses Verharrens und dieser Monotonie zu empfinden, wenn wir diese verborgene, zunächst nicht wahrnehmbare »Wirkung« dieses Dienstes in uns erfahren wollen. Zug um Zug beginnen wir zu verstehen oder besser zu empfinden, dass diese Traurigkeit in der Tat eine »strahlende« ist und dass sich in uns gerade eine geheimnisvolle Umgestaltung vollzieht. Es ist, als wären wir an einen Ort gelangt, zu dem der Lärm und die Unruhe des Lebens, der Straße und all dessen, was üblicherweise unseren Tagesablauf und selbst unsere Nächte anfüllt, keinen Zugang haben – einen Ort, auf den sie keinen Ein- fluss haben. Alles, was uns so sehr wichtig erschien, was unser ganzes Denken ausfüll- te, dieser Zustand der Angst, der uns zur zweiten Natur geworden ist, all das verflüchtigt sich, so dass wir beginnen, uns befreit, erleichtert und beglückt zu fühlen. Es handelt sich nicht um ein lautes und oberflächliches Glück, das zwanzigmal am Tag kommt und vergeht, das so zerbrechlich und flüchtig ist; es ist das tiefverwurzelte Glück, das keinen genau umrissenen oder besonderen Beweggrund hat, das aber aus unserer Seele gespeist wird, die, um es mit einem Wort von Dostojewski auszudrücken, mit einer »anderen Welt« in Berührung gekommen ist. Was sie getroffen hat, geht hervor aus Licht, Frieden, Freude und einem unaussprechlichen Vertrauen. Wir verstehen nun, warum die Gottesdienste lang andauernd und offenbar monoton gehalten werden müssen. Wir sehen ein, dass ein Übergang aus unserer üblichen geistigen Verfassung, die fast vollständig von Hetze, Geschäftigkeiten und Sorgen geprägt ist, in diese neue Geisteshaltung einfach unmöglich ist, ohne uns zuvor »beschwichtigt« zu haben, ohne in uns selbst einen gewissen Grad innerer Ruhe wiedererlangt zu haben. Deshalb ver- mögen jene, die den Besuch der Gottesdienste der Kirche als »Verpflichtung« betrachten und die immer nur nach dem unbedingt Erforderlichen fragen (Wie oft muss ich in die Kirche gehen? Wie oft muss ich beten?), niemals die wahre Natur des liturgischen Gebetes zu verstehen, das uns in eine andere Welt – die der Gegenwart Gottes – versetzen soll. Dies kann jedoch nur langsam geschehen, da unsere gefallene Natur nicht von sich aus dorthin zu gelangen weiß.

 

Während wir so diese geheimnisvolle Befreiung erfahren und »unbeschwert und von innerem Frieden erfüllt« werden, nehmen die Monotonie und die Traurigkeit der Dienste eine ganz andere Bedeutung für uns an; sie sind umgestaltet. Eine innere Schönheit taucht sie in Licht wie ein Strahl der Morgensonne die Bergkuppe erhellt, während das Tal noch in Dunkelheit getaucht ist. Diese verborgene und zurückhaltende Freude wird uns durch die vielfachen Alleluja und die gesamte »Tonalität« der Fasten-Gottesdienste vermittelt. Was uns zunächst als monoton erschien, erweist sich nunmehr als Friede; was wie Traurigkeit aussah, wird jetzt als die allerersten Bewegungen einer Seele empfunden, die ihre verlorengegangene Tiefe wiederfindet. Das verkündet an einem jeden Morgen der erste Vers des Alleluja der Fastenzeit: »Glanzausstrahlenden Traurigkeit«Traurigkeit über meine Verbannung, Traurigkeit darüber, mein Leben vergeudet zu haben; aber strahlendes Licht der Gegenwart Gottes und seines Verzeihens, Freude über das von neuem empfundene Verlangen nach Gott, Friede durch das In-Seiner-Nähe-Sein. Dies ist das Klima der Fasten-Gottesdienste und dies ist der erste allgemeine Eindruck, den sie in meiner Seele erzeugen.

 

 

Über die Große Fastenzeit

 

Eine Predigt von Erzpriester George Dimopoulos 

 

Vater George war Priester an der Annunciation Greek Orthodox Church in Wilkes-Barre (USA). Er entschlief im Herrn im Jahre 2012.

 

Viele der Gesetze und Regeln unserer Orthodoxen Kirche sind von unseren Leuten sehr missverstanden worden. Sogar die Gebildeten und geistlich Erfahrenen unter unseren Mitgliedern ignorieren lieber viele dieser Gesetze, um nicht von ihnen behindert zu werden. Allgemein gesagt, haben die meisten unserer Gläubigen wenig Verständnis für die Regeln unserer Kirche. Mehr noch, nur eine Handvoll von denen, die sie wirklich einhalten, haben dafür ein Verständnis, das über den Buchstaben des Gesetzes hinausgeht. Eines dieser Kirchengesetze, ein Gesetz, das oft missverstanden und falsch interpretiert wird, sind die Fastenregeln. Um genauer zu sein, die meisten Leute anerkennen sie nur durch die Enthaltung von gewissen Nahrungsmitteln an bestimmten Tagen des Jahres. 

 

Unser Herr Jesus Christus hat über das Fasten gesprochen und es verkündet, aber von welcher Art Fasten hat Er gesprochen? Er sprach über ein wirkliches Fasten, ein Fasten mit einem tiefen geistlichen Sinn – nicht von einem Fasten, das wahrscheinlich die meisten von uns kennen. Er sprach von einem Fassten, das nicht nur Enthaltsamkeit von bestimmter Nahrung ist, sondern (viel wichtiger) Enthaltsamkeit auch von Sünde. Fasten ist notwendig wegen des geistlichen Zustandes des Menschen. So hat fast jede Religion, die je auf Erden praktiziert wurde, irgendeine Form des Fastens gekannt. Aber das „christliche Fasten“ ist sozusagen eindeutig anders als das von anderen Religionen praktizierte Fasten. 

 

Das Fasten selbst ist keine religiöse Tugend (obwohl es bestimmt gesund ist); es ist eher ein Mittel, durch das man tugendhaft werden kann. In der Evangeliumsperikope zum Sonntag der Vergebung, besteht Jesus darauf, dass das Fasten von zwei Tugenden begleitet wird: von Vergebung und Almosengeben. 

 

Die Pharisäer fasteten sehr streng und auffällig. Sie sahen verdrießlich aus und ihre Haltung war bekümmert. Und am schlimmsten war, dass sie Asche auf ihr Haupt streuten, um den anderen zu zeigen wie streng und schwer sie fasteten. Waren andere zugegen, schlugen sie sich an die Brust und bedauerten lauthals ihre Sünden. Andererseits, obwohl sie sich ihres strengen Fastens rühmten, unterdrückten sie weiterhin die Armen – besonders Witwen und Waisen. „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr bringt die Witwen um ihre Häuser und verrichtet lange, scheinheilige Gebete. Deshalb wird das Urteil, das euch erwartet, um so härter sein“ (Matthäus 23,14). Diese Scheinheiligen, die Christus anklagte, versuchten nicht, Gott, der jeden Gedanken des Menschen kennt, ihre Würdigkeit zu beweisen, sondern sie wollten ihre Mitmenschen mit ihrer arroganten und falschen Gerechtigkeit beeindrucken.

 

Fasten – das heißt sich aller verbotener Nahrung zu enthalten – ist fast wertlos, wenn wir weiterhin darauf bestehen zu tratschen, zu verleumden, unseren Bruder zu hassen, und uns nicht mit unseren Mitmenschen aussöhnen wollen. Der Sinn des Fastens ist unter diesen Bedingungen pervertiert und zerstört. Leider praktizieren viele, die sich für beispielhafte Orthodoxe halten, gerade diese Art des Fastens. Natürlich sind sogar sie besser als die, die die Fastenregeln völlig ignorieren und ihr Leben in sündhaften Vergnügungen weiterführen. Der Heilige Johannes Chrysostomos schrieb redegewandt über das Fasten:

 

Die Tat ist nur von wirklichem Wert, wenn sie aus reinem Herzen kommt; wenn man bereit ist dem Reichtum zu entsagen und über dem Geld steht; wenn man bereit ist den Armen Almosen zu geben; wenn man nicht nur seine eigenen Kinder liebt und herzt, sondern auch Waise und arme. Man beweist wirkliches Fasten, wenn man bereit ist, sich des Essens zu enthalten, damit die Hungrigen und Mittellosen zu Essen bekommen. Man fastet wirklich, wenn man trotz der Belastung sein seelisches Gleichgewicht behält und sich nicht erlaubt die Geduld zu verlieren und wie ein Vulkan zu explodieren und alles um sich zerstört. Ein echtes Fasten umfasst auch den Willen allem eitlen Streben zu entsagen, das oft im Verderben endet – nicht nur für den Streber sondern für alle, die ihm nahe sind. Wer wirklich fastet zeigt niemals Begehrlichkeit.

 

Der Heilige beeilt sich zu sagen, dass er keineswegs gegen das Fasten ist: „Da sei Gott davor; ich rühme es vielmehr!“ Aber er besteht darauf, dass Fasten, wenn es nicht von tugendhaftem Verhalten begleitet wird, wertlos ist. In der Aufzählung der Tugenden kommt das Fasten zuletzt; die ersten drei sind Liebe, Geduld und Nächstenliebe. Um wirklich zu fasten, muss man sich nicht nur der Nahrung sondern der Sünde enthalten. Sonst entehren wir die heilige Zeit des Fastens. Was nützt es, wenn wir kein Fleisch essen, aber unseren Bruder hinter seinem Rücken verleumden? 

 

Morgen, Brüder, am Reinen Montag, den ersten Tag der Großen Fastenzeit, lasst uns mit der geistigen Vorbereitung für das große und heilige Gastmahl beginnen – die Passion und die Auferstehung Christi. Wir wissen, dass während dieser Zeit viele all das, was sie durch eifrige und aktive Beteiligung an der Fastenzeit gewinnen könnten, völlig missachten. Für solche Leute ist der Kirchenkalender der Feste und Fasten nicht existent. Ich hoffe und bete, dass ihr nicht dieser Meinung seid. Als euer geistlicher Vater bitte ich euch: betet, fastet und enthaltet euch der Sünde. Versucht ehrlich zu fasten und ihr werdet eine neue Stärke für den Rest eures Lebens gewinnen. Gott segne euch. 

 

Quelle: Andreasbote März 2011

 

 

Die Große Fastenzeit

 

Die Große Fastenzeit umfasst die vierzig Tage, zwei Feste – den Lazarus-Samstag und den Palmsonntag – und die Karwoche. Insgesamt dauert sie 48 Tage. Sie heißt Große Fastenzeit, nicht nur wegen ihrer Länge (sie ist länger als alle anderen Fastenzeiten), sondern auch wegen der großen Bedeutung dieser Fastenzeit im religiösen Leben des Christen.

 

Außer den sieben Wochen der Fastenzeit selbst sind durch das Typikon noch drei Vorbereitungswochen auf die Fastenzeit vorgeschrieben. Diese Vorfastenzeit beginnt mit dem Sonntag des Zöllners und Pharisäers. Vom Beginn der dritten Woche der Vorfastenzeit bis zum Ende der Fastenzeit wird kein Fleisch gegessen; Fleisch gibt es erst wieder auf dem Festtagstisch zu Ostern. Diese dritte Woche der Vorfastenzeit heißt auch Käse- oder Butterwoche (maslenica), weil die Hauptspeisen in dieser Woche Milchprodukte, Fisch, Eier und Käse sind, deren Genuss in der anschließenden Großen Fastenzeit dann ebenfalls verboten ist.

 

Drei Wochen vor der Großen Fastenzeit, ab dem Sonntag, an dem bei der Liturgie das Evangelium vom Zöllner und Pharisäer gelesen wird, beginnt man im Gottesdienst das Fastentriodion (ein Buch für gottesdienstlichen Texte dieser Zeit) zu verwenden. Ebendieses Buch bestimmt die Besonderheiten des Gottesdienstes in der Großen Fastenzeit.

 

Am Vorabend des Sonntags, der den Namen “Sonntag des Zöllners und Pharisäers” trägt, wird während der Nachtwache ein besonderes Bußgebet gesungen: “Öffne mir die Tore der Reue...” Damit beginnt die Vorfastenzeit. Dieser Gesang wird an allen Samstagen in der Nachtwache wiederholt, bis zum fünften Samstag der Fastenzeit einschließlich. Während der Woche des Zöllners und Pharisäers gibt es kein Fasten am Mittwoch und Freitag, um es nicht dem Pharisäer gleich zu tun, der sich seiner Frömmigkeit rühmte.

 

Mit dem “Sonntag des verlorenen Sohnes” beginnt die zweite Woche der Vorfastenzeit. Bei der Liturgie wird das Evangelium vom Gleichnis vom verlorenen Sohn gelesen. Am Vorabend erklingt ein zweiter Bußgesang: “An den Strömen von Babel...”.

 

Mit dem “Sonntag des Jüngsten Gerichts” beginnt die dritte Woche der Vorfastenzeit. Am Sonntag wird in der Liturgie das Evangelium vom Jüngsten Gericht gelesen. Dieser Sonntag heißt auch “Sonntag des Fleischverzichtes”, denn es ist der letzte Tag, an dem Fleisch gegessen wird. Vom darauffolgenden Montag bis Ostern darf man kein Fleisch mehr essen.

 

Am Samstag davor wird aller Verstorbenen gedacht. Lesen Sie darüber im Abschnitt “Das Totengedenken”. Die auf diesen Sonntag folgende Woche heißt “Butterwoche”.

 

Am “Sonntag der Vertreibung des Adam” auch “Sonntag des Verzeihens” oder “Sonntag des Käseverzichtes” genannt, wird aus dem Evangelium die Stelle über die Verzeihung der Sünden und über das Fasten gelesen. Die Vertreibung Adams aus dem Paradies wird in vielen gottesdienstlichen Texten in Erinnerung gerufen. Am Abend versammeln sich alle in der Kirche zum Ritus des Verzeihens. Diese Vesper wird bereits als Fastengottesdienst gehalten, das liturgische Gewand ist schwarz, es werden Kniefälle (zemnye poklony) gemacht und Bußlieder gesungen. Am Ende des Gottesdienstes wird über das Verzeihen der Sünden und Kränkungen und über das Fasten gepredigt und ein Segensgebet für die Große Fastenzeit gelesen. Die Geistlichen, vom Vorsteher beginnend, bitten die Gläubigen und einander um Verzeihung. Danach gehen alle der Reihe nach zu den Priestern, verbeugen sich, bitten um Verzeihung und verzeihen ihrerseits alle Sünden und Kränkungen. Dabei küssen sie das Kreuz und das Evangeliar, als Zeichen der Ehrlichkeit ihrer Worte. Genauso bitten auch die Gläubigen einander um Verzeihung. Dieses gegenseitige Verzeihen der Kränkungen ist eine unumgängliche Bedingung für die Reinigung des Herzens und ein erfolgreiches Fasten.

 

Die Große Fastenzeit unterscheidet sich von allen anderen durch besondere Gottesdienste.

 

Erstens wird an Montagen, Dienstagen und Donnerstagen keine Liturgie gefeiert (außer an einigen Festtagen); an Mittwochen und Freitagen wird die Liturgie der vorgeweihten Gaben zelebriert, an Sonntagen die Liturgie des heiligen Basileios des Großen.

 

Zweitens wird der Umfang der Texte in den Gottesdiensten größer, es werden viele Psalmen gelesen, es wird weniger gesungen.

 

Drittens wird das Gebet des heiligen Ephräm des Syrers mit 16 großen und kleinen Verbeugungen gelesen. Die Gottesdienste werden noch durch besondere Gebete erweitert, bei denen man sich verbeugt oder kniet.

 

Alle diese Unterschiede charakterisieren die geistliche Atmosphäre der Fastenzeit, die es im Rest des Jahres nicht gibt. Orthodoxe Christen gehen öfter als sonst in die Kirche, um diese besonderen Gottesdienste nicht zu versäumen.

 

Die Hauptgottesdienste sind folgende:

 

In der ersten Woche. Die Lesung des Bußkanons des heiligen Andreas von Kreta am Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag beim Abendgot­tes­dienst. Am Morgen des ersten Mittwochs findet die erste Liturgie der vorgeweihten Gaben statt. Am Freitag wird nach der Liturgie ein Bittgottesdienst mit der Weihe des “Kolyvo” (zum Gedächtnis an das Wunder des Großmärtyrers Theodor Tiron) gefeiert. Kolyvo ist eine Speise aus gekochten Körnern, die mit getrockneten Früchten vermischt sind, am häufigsten Reis mit Rosinen. Diese geweihte Speise wird an die Gläubigen verteilt und an diesem Tag auf nüchternem Magen gegessen. Diese erste Woche der Fastenzeit endet mit dem ersten Fastensonntag. An diesem Sonntag wird das Fest der Orthodoxie begangen – die Feier des Sieges der Ikonenverehrung auf dem VII. Ökumenischen Konzil.

 

In der zweiten Woche. Am Samstag findet ein Totengedenken statt. Am Sonntagabend wird in vielen Kirchen der erste Passionsgottesdienst gefeiert. Es ist ein Gottesdienst mit einem Akathistos-Hymnus zu Ehren des Leidens Christi. Die anderen drei Passionsgottesdienste werden an den folgenden Sonntagen gefeiert. Diese Passionsgottesdienste sind nicht im Typikon vorgeschrieben, sie sind eine fromme Tradition.

 

In der dritten Woche. Am Samstag findet wieder ein Totengedenken statt. Die Woche endet mit dem dritten Fastensonntag, dem Sonntag der Kreuzverehrung. Am Vorabend wird bei der Nachtwache ein Kreuz aus dem Altarraum zur Verehrung in die Mitte der Kirche getragen. Diese Kreuzverehrung erfolgt unter dem Gesang des Hymnus: “Dein Kreuz, o Gebieter, beten wir an, und Deine heilige Auferstehung preisen wir.” Das Kreuz bleibt die ganze Woche zur Verehrung in der Mitte der Kirche liegen.

 

In der vierte Woche (Woche der Kreuzverehrung). Diese Woche ist eine Woche des strengeren Fastens als die zweite und dritte Fastenwoche. Am Mittwoch ist die Hälfte der Fastenzeit vergangen. An allen Tagen der Woche wird das Kreuz verehrt. Am Freitag wird bei der Vesper das Kreuz in den Altar getragen. Am Samstag findet wieder ein Totengedenken statt. Die Woche endet mit dem vierten Fastensonntag, der dem Gedächtnis des ehrwürdigen Johannes Klimakos, eines Abtes und strengen Asketen, geweiht ist.

 

In der fünften Woche. Am Mittwochabend wird das “Stehen Marias” gefeiert. Dieser Gottesdienst ist der ehrwürdigen Maria von Ägypten gewidmet. Während dieses Gottesdienstes wird der Bußkanon des heiligen Andreas von Kreta zur Gänze gelesen. Deswegen wird die Liturgie der vorgeweihten Gaben am Donnerstag zelebriert. Der Samstag der fünften Woche heißt der Akathistos-Samstag oder Lobpreisung der allheiligen Gottesgebärerin. Am Vorabend wird bei der Vesper der Akathistos-Hymnus zu Ehren der Gottesmutter mit besonderen Festgesängen gelesen. Aber das Fasten wird an diesem Tag nicht gelockert.

 

In der sechsten Woche. Am Freitag dieser Woche gehen die Vierzig Tage zu Ende. Der darauffolgende Samstag ist der Lazarus-Samstag, das Gedächtnis des gerechten Lazarus, der von Jesus Christus am vierten Tag nach seinem Tod auferweckt wurde. Diese Woche endet mit dem Palmsonntag (Einzug des Herrn in Jerusalem).

 

Ein annehmbares Fasten lasst uns halten,
das dem Herren wohlgefällig ist.
Denn wahres Fasten
ist das Fliehen vor der Sünde,
ist Beherrschung der Zunge,
ist Enthaltung vom Zorn,
ist Abwehr von Begierden,
ist Abstehn von übler Nachrede, von Lüge und von Meineid.
Sieh', die Enthaltung von all' diesem
ist wahres und wohlgefälliges Fasten.

 

Die Große Fastenzeit

 

Die Große Fastenzeit umfasst im engeren Sinn vierzig Tage. Daran schließen sich dann unmittelbar die beiden Feste des Lazarus-Samstag und des Palmsonntags an, denen dann Die Große und Heilige Woche (Karwoche) folgt. Insgesamt dauert dieser Abschnitt des Kirchenjahres 48 Tage. Sie heißt "Große Fastenzeit" wegen der herausragenden Bedeutung des Gedächtnisses des Leidens und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus im Leben der Christen.

Den sieben Wochen der Fastenzeit gehen selbst noch drei Vorbereitungswochen, die sogenannte Vorfastenzeit, voraus. Diese Vorfastenzeit beginnt mit dem Sonntag des Zöllners und Pharisäers. Vom Beginn der dritten Woche der Vorfastenzeit bis zum Ende der Fastenzeit wird kein Fleisch gegessen. Die dritte Woche der Vorfastenzeit heißt Butterwoche(russisch: Maslenitza), weil die Hauptspeisen in dieser Woche Milchprodukte, Fisch, Eier und Käse sind, auf deren Genuss gläubige orthodoxe Christen in der anschließenden Großen Fastenzeit ebenfalls verzichten.

Drei Wochen vor der Großen Fastenzeit (ab dem Sonntag, an dem in der Göttlichen Liturgie das Evangelium vom Zöllner und Pharisäer gelesen wird) beginnt man im Gottesdienst das"Triodion", ein Buch mit den besonderen gottesdienstlichen Texten für diese Zeit,zu verwenden.

Am Vorabend des Sonntags, der den Namen “Sonntag des Zöllners und Pharisäers” trägt, wird während der Nachtwache erstmals ein besonderes Bußgebet gesungen, das Inhalt und Bedeutung orthodoxen Fastens zusammenfaßt: “Öffne mir die Tore der Reue...” Damit beginnt die Vorfastenzeit. Dieser Gesang wird in allen Vorabend-Gottesdiensten (in der Nachtwache) während der gesamten Großen Fastenzeit wiederholt (bis zum Vorabend des fünften Sonntags in der Fastenzeit). Während der Woche des Zöllners und Pharisäers gibt es kein Fasten am Mittwoch und Freitag, um es nicht dem Pharisäer gleich zu tun, der sich seiner eigenen Frömmigkeit rühmte.

Mit dem “Sonntag des verlorenen Sohnes” beginnt die zweite Woche der Vorfastenzeit. Bei der Liturgie wird das Evangelium mit dem Gleichnis vom verlorenen Sohn gelesen. In den griechischen Handschriften wird dieses Evangelium wesentlich treffender als das "Gleichnis von Sohn der bereute", wir können auch übersetzen: das "Gleichnis vom Sohn, der umkehrte" überschrieben. Am Vorabend erklingt erstmals als zweiter Bußgesang der Psalm 136: “An den Strömen von Babel...”.

Mit dem “Sonntag des Jüngsten Gerichts” beginnt die dritte Woche der Vorfastenzeit. Am Sonntag wird in der Heiligen Liturgie das Evangelium vom Jüngsten Gericht gelesen. Dieser Sonntag heißt auch “Sonntag des Fleischverzichtes”, denn es ist der letzte Tag, an dem Fleisch gegessen wird. Vom darauffolgenden Montag bis Ostern werden die Frommen nun kein Fleisch mehr essen. Am Samstag davor wird mit einer besonderen Panychida (Requiem) aller verstorbenen Christgläubigen gedacht. Die auf diesen Sonntag folgende Woche heißt“Butterwoche.

Im Volksbrauchtum vieler orthodoxer Länder ist die Butterwoche, ähnlich wie im Westen Europas, mit einem ausgeprägten Faschings- oder Karnevalsbrauchtum verbunden. Jedoch lädt uns die orthodoxe Kirche ein, uns bereits in dieser Zeit auf den nun auf uns zukommenden Lebensrhythmus einzustimmen und nicht noch mal "vollkommen über die Stränge zu schlagen" und es halt "ordentlich krachen zu lassen"; zumal sich weder Völlerei noch Alkoholmissbrauch oder sogar weitergehende Freizügigkeiten mit einer ernsthaften christlichen Lebensausrichtung vereinbaren lassen. Wer in einer mit dem kirchlichen Leben verbunden Familie in einer unserer orthodoxen Volkskulturen aufgewachsen ist, weiß, dass gelebter orthodoxer Glaube und ein vom Kirchenjahr geprägter Lebensrhythmus nichts mit freudlosem Puritanismus zu tun hat. Aber unsere Heilige Kirche weiß, dass wir nicht imstande sind, uns von heute auf morgen zu wandeln und ohne weiteres von einer Gemütsverfassung zu einer anderen überzugehen. Deshalb kündigt sie die Großen Fasten lange vor deren direkten Beginn in  besonders geprägten Gottesdiensten an und ruft uns auf, uns jetzt schon innerlich darauf vorzubereiten. In den fünf Wochen, die der Großen Fastenzeit vorangehen, wird uns in jeder sonntäglichen Evangeliumslesung ein besonderer Hauptaspekt der Buße vor Augen geführt.

Am “Sonntag der Vertreibung des Adam aus dem Paradies” auch “Vergebungs-Sonntag”oder “Sonntag des Käseverzichtes” genannt. In der Feier der Göttlichen Liturgie wird aus dem Evangelium die Stelle über die Verzeihung der Sünden und über das Fasten gelesen. In den Gottesdiensten dieser gesamten Woche wird uns die Vertreibung Adams aus dem Paradies als Folge der ersten Sünde in vielen Gebeten und Hymnen in Erinnerung gerufen. Am Abend versammeln wir uns alle in der Kirche zur Versöhnungsveper mit dem Ritus des gegenseitigen Verzeihens. Diese Vesper wird bereits als Fastengottesdienst gehalten, denn das liturgische Gewand hat gemäß der russischen Tradition eine schwarze Farbe, es werden Große Kniefälle gemacht und der Gottesdienst wird als Vorabend des ersten Tages in der Großen Fastenzeit bereits nach den Fastenmelodien gesungen. Am Ende des Gottesdienstes wird ein Segensgebetfür die nun beginnende Große Fastenzeit gelesen. Die Geistlichen bitten die Gläubigen und einander um Verzeihung. Danach gehen alle der Reihe nach zum Priester, verbeugen sich, bitten um Verzeihung und verzeihen ihrerseits alle Sünden und Kränkungen. Danach bitten sich die Gläubigen auch einander um Verzeihung.Dabei küssen wir das Heilige Kreuz und das Evangelienbuch zum Zeichen der Aufrichtigkeit unserer Bereitschaft, die Verzeihung als Tor zur Buße zu durchschreiten. Dieses gegenseitige Verzeihen aller Unzulänglichkeiten und Kränkungen ist eine unverzichtbare Bedingung dafür, um die rechte demütige Herzenshaltung einnehmen zu können, die wiederum die einzig notwendige Bedingung für einenwürdigen Beginn der Fastenzeit ist.

Die Große Fastenzeit unterscheidet sich von allen übrigen Zeiten des Kirchenjahres durch eine nur ihr eigene Gottesdienstordnung.

An den Montagen, Dienstagen und Donnerstagen wird keine Göttliche Liturgie gefeiert (außer an einigen Festtagen).

An den Mittwochen und Freitagen wird die Liturgie der vorgeweihten Gaben zelebriert, ein feierlicher Vespergottesdienst mit Kommuinonspendung.

An den Sonntagen wird die Göttliche Liturgie nach der Ordnung des heiligen Basilius des Großen gefeiert.

 

Auch der Aufbau der täglichen Gottesdienste verändert sich an den Wochentagen der Großen Fastenzeit, denn der Umfang der Gebete und Hymnen in den Gottesdiensten größer, es werden vermehrt Psalmenkathismen gelesen und es wird weniger und nur nach der besonderen Fastenmelodie gesungen. Dadurch gewinnen diese Gottesdienste den besonderen Charakter ihrer"Glanzstrahlenden Traurigkeit".

In den Gottesdiensten und bei den täglichen Privatgebeten wird das Gebet des Heiligen Ephräm des Syrers mit 16 großen und kleinen Verbeugungen gelesen. Alle Wochentags-Gottesdienste werden noch durch besondere Gebete erweitert, bei denen man sich verbeugt oder niederkniet.

Alle diese Unterschiede geben der Großen Fastenzeit ihre besondere geistliche Atmosphäre. Die Frommen unter den orthodoxen Christen besuchen nun auich an den Werktagen die Gottesdienste der Kirche.

Die wichtigsten Gottesdienste in der Großen Fastenzeit sind folgende:

In der Erste Woche: Die Lesung des Bußkanons des Heiligen Andreas von Kreta amMontag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag beim Spätabendgot­tes­dienst (Kleine Komplet). Am ersten Mittwoch in der Großen Fastenzeit findet die erste Liturgie der vorgeweihten Gaben statt. Am Freitag wird nach der Liturgie der Vorgeweihten Gaben ein Moleben (Bittgottesdienst) mit der Weihe der "Kutja" oder “Kolyva” zum Gedächtnis an das Wunder des Heiligen Großmärtyrers Theodor Tiron gefeiert. Die Kutja ist eine Speise aus gekochten Getreidekörnern, die mit Trockenfrüchten vermischt wird. Diese geweihte Speise wird an die Gläubigen verteilt und an diesem Tag auf nüchternem Magen gegessen. Diese erste Woche der Fastenzeit endet mit dem ersten Fastensonntag. An diesem Ersten Fastensonntag wird mit dem"Sonntag der Orthodoxie" des Sieges der Rechtgläubigen über alle Häresien, insbesondere die Bewahrung der Verehrung der heiligen Ikonen auf dem Siebten Ökumenischen Konzilgedacht.

In der zweite Woche: Am Samstag findet zum Totengedenken eine Panychida (Requiem) statt. Am Sonntagabend wird in vielen russischen Kirchen die erste "Passionsandacht" gefeiert. Es ist ein Gottesdienst mit einem Akathistos-Hymnus zu Ehren des Leidens Christi. Andere Passionsandachten werden an den folgenden drei Sonntagen gefeiert. Diese besonderen Passionsgottesdienste sind nicht im Typikon vorgeschrieben, sie sind eine fromme russische Tradition.

In der dritte Woche: Am Samstag findet zum Totengedenken eine Panychida (Requiem) statt. Die Woche endet mit dem dritten Fastensonntag, dem Sonntag der Kreuzverehrung. Am Vorabend wird bei der Nachtwache ein Kreuz-Ikone aus dem Altarraum zur Verehrung in die Mitte der Kirche getragen. Diese Kreuzverehrung erfolgt unter dem Gesang des Hymnus: “Dein Kreuz, o Gebieter, beten wir an, und Deine heilige Auferstehung preisen wir.” Das Kreuz bleibt die ganze Woche zur Verehrung in der Mitte der Kirche liegen.

In der vierte Woche: Die vierte Woche der Großen Fastenzeit ist ganz der Kreuzverehrung und einer Intensivierung der asketischen Anstrengungen gewidmet.. So ist diese Woche ist eineWoche des strengeren Fastens als die zweite und dritte Fastenwoche. Am Mittwoch ist dann bereits die Hälfte der Fastenzeit vergangen. An allen Tagen der Woche wird das Kreuz verehrt. Am Freitag wird bei der Vesper das Kreuz in den Altarraum zurückgetragen.Am Samstag findet zum Totengedenken eine Panychida (Requiem) statt. Die Woche endet mit dem vierten Fastensonntag, der dem Gedächtnis des ehrwürdigen Johannes Klimakos, eines strengen monastischen Asketen, gewidmet ist.

In der fünfte Woche: Am Mittwochabend wird im Spätabendgottesdienst (Keine Komplet) das“Stehen Marias” gefeiert. Dieser Gottesdienst ist dem Gedächtnis der ehrwürdigen heiligen Büßerin Maria von Ägypten gewidmet. Während dieses Gottesdienstes wird der Bußkanon des heiligen Andreas von Kreta zur Gänze gelesen. Deswegen wird die Liturgie der vorgeweihten Gaben aus praktischen Gründen meist am Donnerstag zelebriert. Der Samstag der fünften Woche heißt der "Akathistos-Samstag" oder "Lobpreis der allheiligen Gottesgebärerin". Am Vorabend wird der Akathistos-Hymnus zu Ehren der Gottesmutter mit besonderen Festgesängen gelesen. Aber das Fasten wird an diesem Tag nicht gelockert.

In der sechste Woche: Am Freitag dieser Woche gehen die Vierzig Tage zu Ende. Der darauffolgende Samstag ist bereits der Lazarus-Samstag, das Gedächtnis des gerechten Lazarus, der von Jesus Christus am vierten Tag nach seinem Tod auferweckt wurde. Diese Woche endet mit dem Palmsonntag, dem dann unmittelbar die Karwoche folgt.

 

zusammengestellt von Thomas Zmija v. Gojan

 

 

Die Große Fastenzeit

Bedeutung der Fastenzeit in der orthodoxen Kirche

 

Vortrag (mit dem anschließenden offenen Meinungsaustausch) für Studenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Mitglieder der orthodoxen, katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in Jena und Weimar. Referent: Erzpriester Mihail Rahr - Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche der Heiligen Apostelgleichen Maria Magdalena in Weimar und Jena (Moskauer Patriarchat)...

 

 

Die Schriftlesungen der Großen Fastenzeit

 

Rev. Pavlos Koumarianos, Ph.D. 

 

Vater Pavlos Koumarianos ist orthodoxer Theologe und Priester in der Griechischen Orthodoxen Erzdiözese in Nordamerika.

 

Das Rückgrat der Organisation dieser sechs Wochen ist das System der Lesungen und Feiern der Samstage und Sonntage der Großen Fastenzeit. Die Evangeliumsperikopen dieser Zeit sind dem Markus-Evangelium entnommen, mit einer Ausnahme: der 1. Sonntag, an dem die Perikope aus dem Johannes-Evangelium stammt. Die Apostellesungen sind dem Hebräerbrief entnommen.

 

Ich glaube, der Grund für diese Auswahl ist offensichtlich. Bei den Evangelisten ist Markus derjenige, der Christus als den Prototyp des Martyrers darstellt, den alleinigen, wahren und authentischen Martyrer. Was würde, im Hinblick auf die liturgischen Feiern der Passion Christi in der Großen Woche geeigneter und passender sein als das Evangelium zu lesen, das den Martyrercharakter Christi betont? Der Hebräerbrief wiederum betont die fürbittende, vermittelnde und versöhnende Rolle des Opfers Christi: „Denn Christus ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, ... sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen; ... Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen. ... so wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen; beim zweitenmal wird er nicht wegen der Sünde erscheinen, sondern um die zu retten, die ihn erwarten“ (Hebräer 9: 24-28 – die Apostellesung des Samstags der 5. Fastenwoche).

 

Basierend auf diesen Lesungen sind die Fasten-Sonntage einem breiten Fächer von Themen gewidmet, mit dem der geistige Strom der Fastenzeit in natürlicher Weise in die Stimmung der Großen Woche einfließt. So lädt – nach der Perikope am 1. Sonntag – Philipp den Nathanael ein, Jesus selbst kennen zu lernen. Er lädt ihn ein mit den Worten: „Komm und sieh.“ Die Worte Philipps sind offensichtlich eine Anspielung auf den visuellen Charakter der Ikonen. Der 2. Sonntag ist der zweifachen Heilung des Gelähmten gewidmet, einmal durch die Vergebung seiner Sünden, der die Wiederherstellung seiner körperlichen Gesundheit folgt. Die Beziehung zwischen der Evangeliumsperikope und dem Bußcharakter der Fastenzeit ist klar! Der 3. Sonntag ist der Selbstverleugnung, der Selbstaufopferung und dem Kreuz – nicht Christi – sondern jedes Gläubigen, der Christus folgen will, gewidmet. Das 4. Sonntagsevangelium handelt vom Heilungswunder eines von Dämonen besessenen jungen Mannes. Als die Jünger Christus fragen, warum sie den Jungen nicht heilen konnten, betont Christus in Seiner Antwort die Wirksamkeit von Gebet und Fasten zur Vertreibung der bösen Mächte. Nichts ist wichtiger zur Fastenzeit: das Ringen um das Fasten und das Bestehen auf dem Gebet, die beide das Wesentliche der Spiritualität der Fastenzeit ausmachen. Schließlich enthalten die Lesungen des 4. und 5. Sonntags die Ankündigung des freiwilligen Kreuzestodes Christi, wobei die des 5. Sonntags auch die Lektion über Demut und Selbstaufopferung als Antwort auf die egoistische und weltliche-naive Frage der Jünger enthält, wer der größte unter ihnen sei. Hier ist anzumerken, dass alle diese Themen der Sonntagsevangelien die Fortsetzung der grundsätzlichen Ideen ist, die durch die Perikopen der ersten vier Sonntage des Triodion verkündet werden, die wichtigste darunter ist die grenzenlose Liebe zum Nächsten, die ausgedrückt wird als bedingungsloses Geschenk der Vergebung.

 

Die Sonntagsgottesdienste in der Großen Fastenzeit 

 

Zu den Sonntagen ist zu bemerken, dass zusätzlich zu den ursprünglichen Verbindungen jedes Sonntags zu einem Thema der Schrift, spätere Ereignisse in der Kirchengeschichte oder pastorale Notwendigkeiten der Kirche die Möglichkeit gaben, jeden Sonntag mit einem weiteren Thema zu verknüpfen: die Feier der Orthodoxie am ersten Sonntag, das Gedenken des Hl. Gregors Palamas am zweiten, die Verehrung des Kreuzes am dritten, die Verehrung des Hl. Johannes vom Kreuz (Johannes Klimakos) am vierten und der Hl. Maria von Ägypten am fünften. 

 

Mit diesen Feiern bilden die Festthemen eines jeden Sonntags im Ganzen einen Kommentar zu den theoretischen und praktischen Aspekten im Leben der Kirche, da sie die grundlegenden Lehren und asketischen Prinzipien darlegen. Wir wollen aber hier darauf aufmerksam machen, dass an den Fasten-Sonntagen die Lehrwahrheiten und asketischen Methoden nicht als theoretische und abstrakte intellektuelle Konzepte vorgestellt werden. Dogma wird als Geschichte dargestellt, als dynamische Errungenschaft der Menschen, die sich bemühen die Wahrheit zu entdecken. Hier wird keine abstrakte Formulierung des Dogmas gezeigt, sondern ein geschichtliches Ereignis, der Triumph der Verehrung der heiligen Ikonen, oder einer Person, eines Theologen, wie der Hl. Gregor Palamas, eines Heiligen, der durch seine persönliche Hingabe an Gebet und Selbstreinigung Theologe wurde. Das asketische Leben und die Praxis der Heiligkeit werden ebenfalls als gelebte Erfahrung realer Personen gezeigt. Nicht der abstrakte Begriff der Heiligkeit wird den Gläubigen vorgestellt, sondern die Menschen, der Hl. Johannes vom Sinai und die Hl. Maria von Ägypten. Und schließlich werden inmitten der Fastenzeit sowohl Dogma wie Ethik zusammengefasst in der Verehrung des Kreuzes Christi.

 

Quelle: http://www.goarch.org/ourfaith

 

 

Der Beginn unserer Reise durch die Große Fastenzeit - 

Der Reine Montag

 

Der Reine Montag, der zweite Tag in der ersten Woche der Großen Fastenzeit (Der Erste Tag der Woche ist immer der Sonntag, also der Sonntag der Fleischensagung), beginnt mit der Vesper der Vergebung. Normalerweise wird diese Vesper am Abend des Versöhnungssonntags gefeiert. In einigen Gemeinden schließt sie sich aber aus pastoralen Gründen direkt an die Feier der Göttlichen Liturgie an. Diese Vesper folgt bereits der Ordnung für die Wochentage in der großen Fastenzeit. Sie ist deshalb etwas anders strukturiert als die Vespergottesdienste in den übrigen Zeiten des Kirchenjahres. Am Schluss werden nochmals bestimmte Gebete gebetet, darunter auch das Gebet des Heiligen Ephraim des Syrers:

 

Gebet des Heiligen Ephraim des Syrers

 

Nun sagen wir jeweils einen Vers des folgenden Gebetes des Heiligen Ephraims des Syrers und machen danach jeweils eine große Metanie. Dann folgen 12 mal: "Gott, läutere mich Sünder" mit jeweils einer kleinen Metanie. Dann wird das ganze Gebet wiederholt und am Ende wiederum eine große Metanie gemacht.

 

Herr und Gebieter meines Lebens, den Geist der Untätigkeit, der Neugierde, der Herrschsucht und Geschwätzigkeit gib mir nicht. (große Metanie)

 

Den Geist der Weisheit, der Demut, der Geduld und der Liebe schenke mir, Deinem Diener. (große Metanie)

 

Ja, mein Herr und König, gib mir die Möglichkeit, meine Sünden zu erkennen sehen nicht meinen Bruder und meine Schwester zu richten, denn Du bist gepriesen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. (große Metanie) 

 

Das Gebet des Heiligen  Ephraim des Syrers ist bis zur Karwoche Bestandteil aller Gottesdienste. Es wird auch von den Gläubigen ihren privaten Gebeten (Gebetsregel) hinzugefügt.

 

Nach diesen Gebeten in der Versöhnungsvesper findet ein sehr schöner liturgischer Brauch statt. Angefangen beim Priester und bis allen Gläubigen begrüßt jeder jeden und bittet um Vergebung in Vorbereitung auf die Große Fastenzeit. Dieses gegenseitige Begrüßen ist ein das sinnfällige Tor auf unserem Weg in die Große Fastenzeit. Diesen Weg können wir in Würdiger Weise nur im Geiste der Vergebung und der christlichen Nächstenliebe beginnen. Der Reine Montag ist dann auch der erste volle Fasttag. In den orthodoxen Klöstern und bei manchen frommen Gläubigen ist es Brauch, sich in den ersten drei Tage der Großen Fastenzeit von allem Lebensmitteln außer Wasser zu enthalten und dann so vorbereitet die Heilige Kommunion in der der ersten Liturgie der Vorgeweihten Gaben zu empfangen. Dabei ist es ganz wichtig zu wissen, dass die Art des strengen Fastens immer vom geistlichen Vater eines jeden bestimmt und ausdrücklich gesegnet wird. Ansonsten stolpern wir gleich zu Beginn unserer Fastenbemühungen in aller bester Absicht über unseren eigenen Hochmut und unsere vermeintlich so "geistliche" Überheblichkeit. Sicherlich ist es für orthodoxe Christen, die in der Welt und mit einer Familie leben eventuell praktikabel, sich in dieser ersten Woche der Tradition gemäß in besonderer Weise auf den geistlichen Aspekt des Lebens zu konzentrieren. Dabei ist es hilfreich sich auf das Gebet zu konzentrieren und mal den Fernsehen und das Internet bei Seite zu lassen. Was hier das rechte und angemessene Maß ist, sollte jeder von uns vorher mit seinem geistlichen Vater (Beichtvater) besprechen. Denn Fasten und Gebet sind kein "spiritueller Leistungssport", sondern ein Weg, der uns Gott näher bringen soll. Unterwegs auf diesem Wege werden wir allmählich mehr und mehr zu Jüngern Christi werden können. Es dreht sich also um den Weg der Nachfolge, den wir in aller Ruhe mit Entschlossenheit aber ohne Fanatismus beschreiten dürfen.

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija v. Gojan

 

 

Der Großer Bußkanon des Heiligen Andreas,

des Erzbischofs von Kreta

 

Der Großer Bußkanon des Heiligen Andreas, des Erzbischofs von Kreta erfüllt seit fast 1200 Jahren die orthodoxen Gläubigen mit der wohltuend richtungsweisenden Kraft seiner Worte.

 

Er wird nach Abschnitten gegliedert am Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in der ersten Woche der Großen Fastenzeit und dann vollständig im Morgengottesdienst am Donnerstag der fünften Woche der Großen Fasten gelesen.

 

In poetischer Form führt uns der Bußkanon des Heiligen Andreas  die Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament vom Sündenfall unserer Urahnen bis zur Himmelfahrt Christi vor Augen.

 

So ist diese Lesung dieses Kanon, wenn wir recht zuhören und in unseren Herzen verstehen, für uns Christen eine rettende Zeit der Buße und der Beginn zu einem tätigen Aufstieg zu Gott, wenn wir die uns durch den Kanon vor Augen gehaltenen Muster eines tugendhaften Lebens zur Nachahmung in unserem eigen Leben nutzen und die vorgetragenen Beispiele eines sündhaften Lebens als die persönliche Warnung an uns verstehen.

 

 

 Das Gedächtnis des Heiligen Großmärtyrers

Theodor Tiron

 

Am Samstag vor dem Sonntag der Orthodoxie wird des Heiligen Großmärtyrers Theodors Tiron (d.h. des Rekruten) und des Kollyvawunders gedacht. Im Jahre 361 versuchte Julian Apostata mit aller Macht den Heidenkult wieder einzuführen. Er wusste, dass die Christen gewöhnt waren, die erste Woche der Großen Fastenzeit durch Fasten und Beten zu heiligen, deshalb befahl der listige Tyrann dem Präfekten von Konstantinopel, alle Nahrungsmittel, die auf den Märkten verkauft werden, mit dem Blut der den heidnischen Göttern geopferten Tiere zu besprengen, damit niemand in der Stadt der Befleckung durch die Götzenverehrung entgehen könne. Aber der Herr ließ sein auserwähltes Volk nicht im Stich, sondern Er sandte seinen Diener Theodor, um den Tyrannen zu überlisten. In einer Vision des Patriarchen Eudoxios (360-364) erschien ihm der heilige Martyrer, sagte ihm was geschehen würde und befahl ihm den Christen zu verbieten Nahrungsmittel auf den Märkten zu kaufen, sondern statt dessen Kollyva aus gekochten Weizenkörnern zu essen. Dank dieser Intervention des Martyrers Theodor wurden die Christen vor der Befleckung durch die Götzenverehrung bewahrt. Die Kirche gedenkt dieses Wunders immer am ersten Samstag der Großen Fastenzeit, um die Gläubigen daran zu erinnern, dass Fasten und Enthaltsamkeit die Macht haben von der Befleckung durch Sünden zu reinigen. Am Samstag wird auch der dritte der drei Seelensamstage begangen. Dies ist ein besonderes Gedenken der Kirche für die im Glauben Verschiedenen mit einer Göttlichen Liturgie und einem Totengedenken. Mit diesem Gedenkgottesdienst werden alle Verstorbenen, die nun des Letzten Gerichts harren Gott empfohlen. 

 

 

Rezept für Kolyva oder Kutja

 

Griechisch: κόλλυβα, Russisch: Кутья  oder Коливо,

Serbisch: кољиво, Rumänisch: colivă; Bulgarisch: коливо

 

Zutaten: 

 

1 Kg Weizen 

600 Gramm Walnüsse, davon 250g gehackt und 300g gemahlen 

der Rest zum Bestreuen 

500 Gramm Zucker 

Mark von 2 Vanilleschoten 

1 Teelöffel Salz 

getrocknete Früchte oder Rosinen/Sultaninen, wenn man mag 

Puderzucker 

 

Die Weizenkörner setzt man schon am Tag vor der Zubereitung in kaltes Wasser ein, mindestens aber 8 Stunden. Das abgekochte Wasser wird dann durch neues ersetzt und die aufgeweichten Körner bei kleinstmöglicher Hitze geköchelt. Das dauert 3-4 Stunden. Wichtig ist dabei immer wieder zu rühren, dass der Brei nicht am Boden des Topfes fest klebt. Erst nachdem das Wasser verkocht ist, gibt man den Zucker dazu. Das Ganze muss dann noch einmal 2 Stunden simmern. Wenn der Brei sehr schwer vom Löffel bricht, gibt man ihn in eine Schüssel und lässt die Masse abkühlen. Unter den kalten Brei mischt man dann die gehackten und die gemahlenen Walnüsse, Salz, Vanille und die Beeren bzw. Trockenfrüchte. Den Brei häufelt man mit einem Löffel auf eine Platte. Darauf werden dann die gehackten und gemahlenen Walnüsse und schließlich Puderzucker gestreut. Danach dekorieren.

 

Predigt zum Sonntag der Heiligen Orthodoxie

 

Heiliger Erzbischof Lukas von Simferopol und der Krim

 

Am ersten Sonntag  der  Grossen  Fastenzeit  feiert  unsere  Heilige  Kirche  den Triumph   der   Orthodoxie,   des   rechten   Glaubens, der   alle   Häresien niedergetreten  hat  und  auf  immer  festgelegt  worden  ist.  Deshalb  wird dieser Sonntag als Sonntag der Orthodoxie bezeichnet. Die Häresien traten schon am Anfang des Christentums auf. Die Apostel Christi selbst warnten im voraus ihre  Zeitgenossen,  und  mit  diesen  zusammen  auch  uns,  vor  der  Gefahr,  die  ausgeht von den Irrlehrern.

 

So  schreibt  der heilige  Apostel  Petrus  in  seinem  2.  Brief: „Es  gab  aber  auch falsche Propheten  unter  dem  Volk,  so  wie  es  auch  unter  euch  falsche  Lehrer  geben wird,  die  Häresien  zur  Verderbnis  einführen  und sogar  noch den  Gebieter,  Der  sie losgekauft hat, verleugnen werden, womit sie einen jähen Untergang über sich selbst bringen werden, und viele werden ihnen folgen in ihren Ausschweifungen, deretwegen der Weg der Wahrheit gelästert werden wird“  (2. Petrus 2: 1-2).

 

Und der Apostel Paulus, als er von Griechenland nach Palästina zurückkehrte und in Ephesos Halt machte, sagte zu den Christen jener Stadt: „Denn ich weiß, dass nach meiner  Abfahrt  schlimme  Wölfe  einbrechen  werden  bei  euch,  die die  Herde  nicht schonen werden, und aus eurer Mitte selbst werden Männer aufstehen, die Verkehrtes reden,  um  die  Jünger  abtrünnig  zu  machen  und  sie  hinter  sich  herzuziehen“ (Apostelgeschichte 20: 29-30).

 

Viele   falsche   Lehrer   und   Schismatiker   dieser   Art   gab   es   in   den   ersten Jahrhunderten  des  Christentums.  Einige  Häresien  erschütterten  die  Kirche  ganze Jahrhunderte  lang,  wie  zum  Beispiel  die  Häresien  des  Arius,  des  Makedonios,  des Eutyches, des Dioskoros, des Nestorios und auch die Häresie der Ikonenbekämpfung. Diese Häresien riefen in der Kirche viele Wirren hervor und quälten sie sehr.

 

Es gab zahllose Bekenner und Martyrer, die ihr Blut vergossen zur Verteidigung des wahren Glaubens im Kampf gegen die falschen Lehrer und Häretiker. Es gab auch viele  und  große  Hierarchen,  die  ebenfalls  manche  Verfolgungen  erduldeten  und oftmals  verbannt  wurden.  Der heilige  Flavian,  Patriarch  von  Konstantinopel,  zum Beispiel   wurde   an   einem   Konzil   unter   dem   Vorsitz   von   Dioskorus, das   als „Räuberkonzil“  in  die  Geschichte  eingegangen  ist,  so  heftig  geschlagen,  dass  er  drei Tage danach starb.

 

Die  letzte  der  obenerwähnten  Häresien,  jene  der  Ikonenbekämpfung,  brachte unserer  Orthodoxen  Kirche  mehr  Qualen  als  irgendeine  andere  zuvor.  Diese  Häresie trat erstmals in den Jahren des byzantinischen Kaisers Leon des Isauriers auf, der den Thron  im  Jahr  717  bestieg.  Er  bestieg  ihn  mit  Hilfe  der  Armee,  in  welcher  es  viele Gegner  der  Verehrung  der  heiligen  Ikonen  gab.  Und  weil  Leon  der  Armee  gefallen wollte, begann er eine harte Verfolgung gegen die Ikonenverehrer. Diese Verfolgung wurde  auch  unter  Kaiser  Konstantin  Kopronymos  fortgesetzt,  der  Leon  auf  dem Thron folgte. „Kopros“ bedeutet Kot, und dieser Kaiser wurde Kopronymos genannt, weil  er  während  seiner  Taufe  das  Taufbecken  beschmutzte.  Diese  beiden  Kaiser hielten  während  langer  Jahre  die  Macht  in  ihren  Händen  und  fügten  der  Kirche  viel Schlimmes  zu. Nach  ihnen  gab  es  noch  andere  Ikonoklasten-Kaiser,  die  das  Werk ihrer Vorgänger fortführten und die Kirche jahrelang quälten.

 

Die  Leiden,  die  die  Kirche  in  jenen  Jahren  des  Ikonoklasmus  durchstand,  sind unbeschreiblich,  besonders  jene  der  Mönche,  die  in  der  Frontlinie    des  Kampfes  für die  heiligen  Ikonen  standen.  Die  Ikonoklasten-Kaiser  schlossen  viele  Klöster, und viele Kirchen, in denen es Ikonen gab, verwandelten sie in Lagerräume. Die Mönche wurden schwer gefoltert, man stach ihnen die Augen aus, schnitt ihnen die Nasen ab, man  zerschmetterte  Ikonen  auf  ihren  Köpfen.  Den  Ikonenmalern  verbrannte  man  die Finger mit rotglühenden Eisen.

 

Erst  als  Kaiserin  Irene  den  Thron  von  Byzanz  bestieg,  fand  die  Verfolgung  ein Ende, allerdings   nicht   für   lange.   Im   Jahr   787   berief   Kaiserin   Irene   das   7. Oekumenische  Konzil  ein,  welches  die  orthodoxe  Lehre  über  die  Verehrung  der heiligen  Ikonen  definierte. Doch  auch  nach  diesem  Konzil  gab  es  Kaiser,  die  die Ikonen bekämpften, wie zum Beispiel Michael und andere. Diese Häresie wurde erst unter  der  gottesfürchtigen  Kaiserin  Theodora  endgültig  zerschlagen,  als  im  Jahr  842 ein lokales Konzil in Konstantinopel einberufen wurde, welches die orthodoxe Lehre bestätigte. Dieses Konzil anathematisierte all jene, die es gewagt hatten, zu sagen, die Verehrung  der  heiligen  Ikonen  sei  Götzenkult  und  die  orthodoxen  Christen  seien Götzenanbeter.

 

 

Und hier heutzutage sagen unsere Häretiker genau dasselbe. Sie wagen es, unsere Ikonen  als  Götzenbilder  zu  bezeichnen  und  uns  als  Götzenanbeter.  Und  zu  was erdreisten sie sich nicht! Ich will euch eine Begebenheit erzählen, die sich unlängst in einer  Stadt  Sibiriens  zugetragen  hat.  Zur  Stunde  der  Göttlichen  Liturgie  kamen  zwei Baptisten   in   die   Kirche   und   fingen   an   zu   schreien,   die   Orthodoxen   seien Götzenanbeter und ihre Ikonen seien Götzenbilder. Welch ein Unsinn!

 

Wie  können  sie  es  wagen,  ihren  unreinen  Mund  zu  öffnen und  solche  Worte  zu sagen, die von Gift triefen, indem sie uns Götzenanbeter und die Ikonen Götzenbilder nennen? Dies zeigt, dass sie das zweite Gebot des Mosaischen Gesetzes nicht richtig  verstanden  haben: „Du  sollst  dir  kein  Götzenbild  machen,  noch  irgendein  Abbildvon irgendetwas, was am Himmel oben ist oder was auf der Erde unten oder was  in den  Wassern  unter  der  Erde.  Solches  sollst  du  weder  verehren  noch    anbeten“ (Exodus 20: 4).

 

Was  bedeutet  dieses  Gebot?  Ich  denke,  die  Bedeutung  ist  völlig  klar.  Das  Gebot verbietet  uns,  statt  den  Einen,  Einzigen  und  Wahren  Gott anzubeten,  Götzenbilder anzufertigen  und  anzubeten,  so  wie  es  die  alten  Völker  taten,  die  Assyrer,  die Babylonier, die Ägypter, die Hellenen, die Römer und andere.

 

Das ist es, was Götzenkult ist. Unsere Verehrung der heiligen Ikonen jedoch, hat sie  irgendetwas  zu  tun  mit  dem  Götzenkult?  Gewiß  nicht.  Die  Götzenbilder  bildeten etwas ab, das es in Wirklichkeit gar nicht gab, Gebilde der Phantasie. Unsere Ikonen bilden die Wirklichkeit ab. Hat unser Herr Jesus Christus, Den wir verherrlichen und Dessen Ikone wir verehren, nicht unter uns gelebt?  Hat die Allheilige, die der heilige Apostel  und  Evangelist  Lukas  gemalt  hat,  nicht  unter  uns  gelebt?  Diese  von  ihm gemalte Ikone hat die Gottgebärerin selbst gesegnet und gesagt, dass ihre Gnade stets mit dieser  Ikone sein werde. Wißt ihr, wieviele  Wunder  geschehen durch die  Ikonen der  Allheiligen?  Und  die  anderen  Ikonen,  bilden  nicht  auch  sie  die  Personen  der Heiligen  Gottes  ab,  die  hier  auf  Erden  lebten?  Diese  Ikonen  sind  ihr  Porträt  und keineswegs  Götzenbilder.  Nur  ein  gottloser  und  unreiner  Mund  wagt  es,  zu  sagen, unsere  Ikonen  seien  Götzenbilder  und  wir  seien Götzenanbeter.  Die  Gottlosen  sollen schweigen,  denn  das  Siebte  Ökumenische  Konzil  hat  das  Anathema  ausgesprochen gegen sie.

 

Das  sollt  ihr  wissen  und  euch  daran  erinnern  und  keinen  Umgang  mit  den Häretikern haben.  Entfernt  euch  nicht  von  der  Kirche,  zerreißt  nicht  das  Gewand  Christi! Denkt  daran,  dass  Christus  in  Seinem  Hohepriesterlichen  Gebet  Seinen  Vater darum bat, „dass  sie alle eins seien, so wie Du, Vater, in Mir und Ich in Dir, damit auch sie eins  seien  in  Uns,  damit  die  Welt  glaube,  dass  Du  Mich  gesandt  hast“   (Johannes  17: 21). Der Herr will die Einheit der Kirche. Die Schismatiker, die Fehler finden in der Lehre der Kirche, entfernen sich von ihr und glauben, dass sie das Heil in ihren häretischen Organisationen finden werden.

 

Doch wißt ihr,  was die  großen Heiligen  gesagt haben über die Menschen, die das Gewand Christi zerreißen? Der heilige Kyprian, Bischof von Karthago, sagte, dass die Menschen,  die  sich  von  der  Kirche  entfernen  und  nicht  in  Kommunion  sind  mit  ihr, selbst dann, wenn sie Martyrer werden,  selbst dann, wenn  sie ihr Blut vergießen, ihre Sünde  nicht  abwaschen,  denn  diese  schwere  Sünde  der  Abtrennung  von  der  Kirche wird  selbst  mit  Blut  nicht  getilgt.  Und  der  heilige  Hieromartyrer  Ignatios  der Gottträger  sagte,  dass  derjenige,  der  ein  Schisma  hervorruft  in  der  Kirche,  das Gottesreich nicht erben wird.

 

Alle  Häretiker  aber  sind  Verkünder  von  Schismen.  Deshalb  sagt  der  Apostel: „Doch ich bitte euch, Brüder, nehmt euch in acht vor denen, die entgegen der Lehre, die ihr  empfangen habt, Spaltungen und Ärgernisse hervorrufen, und wendet euch ab von  ihnen“ (Röm  16,17).  Und  in  einem  anderen  Brief  sagt  er: „Wenn  euch  jemand etwas anderes verkündet als das, was ihr empfangen habt, so sei er Anathema“ (Galater 1: 9). Und alle Häretiker  verkünden etwas anderes als das, was die Orthodoxe Kirche verkündet, die uns geistig geboren hat.

 

Gedenkt  auch  des  Wortes  unseres  Herrn  Jesus  Christus  Selbst,  Der zu  den Aposteln sagte und durch sie zu uns sagt: „Wer auf euch hört, hört auf Mich, und wer euch verwirft, verwirft Mich. Wer aber Mich verwirft, verwirft Den, Der Mich gesandt hat“   (Lk  10,16).  Schrecklich  sind  diese Worte  des  Herrn.  Habt  sie  allezeit  im  Sinn. Auch  den  heutigen  Tag  vergesst  niemals,  den  Tag  des  Triumphs  des  Orthodoxen Glaubens.  Dieser Glaube ist endgültig am 7. Ökumenischen Konzil definiert worden, welches  die  Orthodoxie  gefestigt  und  sämtliche  Häresien  und  Schismen  niedergetreten hat.

 

Mehr  als  tausend  Jahre  sind  vergangen  seit  dem  7.  Ökumenischen  Konzil,  und seither  hat  es  keine  weiteren  Ökumenischen  Konzile  gegeben.  Warum?  Die  Gründe sind   politischer   Art.   Die   Möglichkeit,   solche   Konzile   einzuberufen,   war   nicht gegeben.  Doch  betrüben  wir  uns  nicht  darüber,  dass  es  keine  weiteren  gegeben  hat und  dass  es  auch  heute  keine  Ökumenischen  Konzile  gibt.  Diese  sieben,  die  wir besitzen,  haben  alle  Fragen  geregelt  und  alle  Probleme  gelöst,  die  der  Kirche  durch die Häresien erwachsen sind, und sie haben den orthodoxen Glauben festgegründet.

 

Nun  werdet ihr einwenden, dass wir heute eine Vielzahl von neuen Häresien und Schismen  haben.  Ja,  ihr  habt  recht.  Doch  wir  müssen  wissen,  dass  diese  neuen  Häresien  nichts  Neues  sagen,  sondern  bloß  das  wiederholen,  was  schon  die  alten Häretiker  sagten.  Und  alle  diese  Häresien  stehen  unter  dem Anathema  des  7. Ökumenischen    Konzils.    Deshalb    genügen    uns die    Beschlüsse    der    Sieben Ökumenischen  Konzile  und  insbesondere  des  siebten.  So  freuen  wir  uns denn heute und  feiern  den  Triumph  der  Orthodoxie,  die  das  Siebte  Ökumenische  Konzil  zum Ausdruck gebracht und gefestigt hat.

 

Aus  eben  diesem  Grund  wurde  dieser  Tag  bestimmt,  damit  Gott  Lobpreis  und Danksagung   dargebracht   werden   für   die   Festigung   der   Orthodoxie.   Und   diesen Großen Lobpreis wollen wir nun singen....

 

Troparion des Festes im Ton 2:  Vor Deinem allerreinsten Bilde fallen wir nieder, Güter, und bitten um Verzeihung unserer Sünden, Christus Gott, Denn DU geruhtest, freiwillig im Fleische Dich auf das Kreuz zu erheben, damit Du aus der Knechtschaft des Widersachers erlösest, die Du erschaffen hast. Deshalb rufen wir Dir dankbar zu: Mit Freude hast Du das All erfüllt, unser Erlöser, der Du kamst, zu erretten die Welt.

 

Kondakion des Festes im Ton 2: Das unbegrenzte Wort des Vaters ward begrenzt, Fleisch werdend aus der Gottesgebärerin, und vermischte das befleckte Bild, es zurückbildend in den ursprünglichen Zustand, mit göttlicher Schönheit. Bekennend aber das Heil, wollen wir dieses durch Tat und Wort erforschen.

 

 

Predigt zum Sonntag der Orthodoxie

 

Geliebte Brüder!

 

Zu Beginn unserer Predigt zum Sonntag der Orthodoxie soll natürlich die Frage stehen: Was ist Orthodoxie?

 

Orthodoxie ist wahrhaftige Gotteserkenntnis und Gottesverehrung; Orthodoxie ist die Verehrung Gottes in Geist und Wahrheit; Orthodoxie ist Verherrlichung Gottes durch die wahre Erkenntnis und die Verehrung Ihm gegenüber; Orthodoxie ist Verherrlichung des Menschen durch Gott, des Menschen als wahrem Diener Gottes, durch die Verleihung des Allheiligen Geistes. der Geist ist die Herrlichkeit der Christen (Jo. 7, 39). Wo der Geist nicht ist, ist auch keine Orthodoxie.

 

Keine Orthodoxie ist in den menschlichen Lehren und Gedankenkonstruktionen: in ihnen herrscht der Lügengeist – die Frucht des Falls. Die Orthodoxie ist die Lehre des Heiligen Geistes, von Gott den Menschen zur Rettung geschenkt. Wo die Orthodoxie nicht ist, da ist auch keine Rettung. “Der das Heil wünscht, der muß sich zuvörderst an den allumgreifenden Glauben halten, denn wer diesen nicht einhält, der wird ohne jeglichen Zweifel auf ewig ins Verderben gestürzt” (Glaubensbekenntnis des Hl. Athanasius des Großen, des Patriarchen von Alexandrien. Psalter mit Abfolge).

 

Kostbarer Schatz – Lehre des Heiligen Geistes! Sie wird uns in der Heiligen Schrift überliefert und in der Heiligen Überlieferung der Orthodoxen Kirche. Kostbarer Schatz – Lehre des Heiligen Geistes! Sie enthält den Unterpfand unserer Rettung. Kostbar und unersetzlich, mit nichts vergleichbar für jeden von uns unsere selige Teilhabe an der Ewigkeit; ebenso kostbar, ebenso jeden Preis übersteigend und das Unterpfand unserer Seligkeit – die Lehre des Heiligen Geistes.

 

Um uns dieses Unterpfand zu bewahren, zählt die Heilige Kirche heute laut vor aller Ohren die Lehren auf, die vom Satan geboren und vertreten werden, die ein Ausdruck der Feindschaft gegen Gott sind, die unserer Rettung zuwiderlaufen, die uns ihrer berauben. Wie reißende Wölfe, wie todbringende Schlangen, wie Räuber und Mörder deckt die Kirche diese Lehren auf, bewahrt uns vor ihnen, ruft die davon zur Verderbnis in die Irre Geführten zu Sich, und überantwortet dem Anathema diese Lehren und diejenigen, die starr an ihnen festhalten.

 

Mit dem Wort Anathema wird der Ausschluß, die Abwendung bezeichnet. Wenn die Kirche irgendeine Lehre dem Anathema überantwortet, dann bedeutet dies, daß diese Lehre die Schmähung des Heiligen Geistes enthält, und für die Rettung abgelehnt und verworfen werden muß so wie Gift für die Nahrung. Wenn ein Mensch dem Anthema überantwortet wird, bedeutet das, daß dieser Mensch sich unwiderruflich eine gotteslästerliche Lehre zu eigen gemacht hat, dadurch sich selbst und diejenigen unter seinen Nächsten, denen er seine Dankart mitteilt, des Heils beraubt. Wenn jemand beabsichtigt, eine gotteslästerliche Lehre aufzugeben, und die Lehre anzunehmen, die die Orthodoxe Kirche bewahrt, so muß er nach den Regeln der Orthodoxen Kirche die Irrlehre dem Anathema überantworten, der er bisher anhing, und die ihn dem Verderben preisgab, indem die ihn von Gott entfremdete und in Feindschaft zu Gott hielt, in Lästerung des Heiligen Geistes, in der Gemeinschaft mit dem Satan.

 

Die Bedeutung des Anathema ist die Bedeutung geistlicher, kirchlicher Heilung von einer Erkrankung des menschlichen Geistes, die den ewigen Tod hervorbringt. Ewigen Tod bringen alle menschlichen Lehren hervor, die ihre Geisteshaltung, die aus dem lügnerischen Verstand entspringen, aus fleischlichem Sinnen, dieses allgemeinen Erbes gefallener Geister und Menschen, in die von Gott offenbarte Lehre von Gott einbringen. Menschliches Sinnen, das in die christliche Glaubenslehre eingeführt wird, heißt Häresie, und das Bekenntnis dieser Lehre – Irrlehre (vgl. Heiliger Johannes von der Leiter. Berühmt wurde sein Buch "Klimax" = "Die Leiter", in dem er in 30 Sprossen (Kapiteln) - entsprechend den 30 Lebensjahren Christi - den Erwerb von Tugenden und die Bekämpfung der Laster beschreibt, als Weg zum Paradies und zur Freiheit von Leiden; hier: Kapitel 1).

 

Der Apostel rechnet zu den fleischlichen Dingen auch Häresien (Galater 5: 20). Sie gehören zu den fleischlichen Dingen nach ihrer Quelle, fleischlichem Denken, welches ist – der Tod (Römer 8: 6.7). Sie gehören zu den fleischlichen Dingen gemäß ihren Folgen. Sie entfremden den menschlichen Geist von Gott und binden ihn an den Geist Satans gemäß seiner Hauptsünde – der Gotteslästerung, sie unterwerfen ihn der Sklaverei der Leidenschaften, als einen von Gott verlassenen, als einen, der seiner eigenen gefallenen Natur überlassen ist. Ihr unvernünftiges Herz ist verfinstert, sagt der Apostel von den Weisen, die sich von der wahren Gotteserkenntnis abwenden: Sie nennen sich weise, sind aber betört, sie verwandelten die Wahrheit Gottes in Lüge: Darum hat sie Gott auch dahingegeben in schändliche Lüste (Römer 1: 21. 22. 25. 26). Als unehrenhafte Leidenschaften werden die verschiedenen unzüchtigen Leidenschaften bezeichnet. Das Verhalten der Häresiarchen war unzüchtig: Appolinarius hatte ein ehebrecherisches Verhältnis (Vita des hl. Ephraim des Syrers), Eutychios war besonders der Leidenschaft der Geldgier verhaftet, Arius war bis zur Unwahrscheinlichkeit unsittlich. Als man seinen Gesang, die Talia, auf dem Ersten Ökumenischen Konzil in Nicäa zu verlesen begann, verschlossen die Väter ihre Ohren, weigerten sich diese schamlosen Worte zu hören, die einem frommen Menschen niemals in den Sinn kommen konnten. Die Talia wurde verbrannt. Zum Glück für das Christentum wurden alle Exemplare vernichtet: überliefert ist die historische Nachricht, daß dieses Werk von unzähmbarerer Unsittlichkeit geprägt war. Der Talia ähneln viele Werke neuerer Häresiarchen: sie enthalten schreckliche Gotteslästerung verbunden und vermischt mit den Ausdrücken furchtbarer menschlicher Unsittlichkeit und Blasphemie. Selig sind die, die niemals solche Auswürfe der Hölle gehört oder gesehen haben. Bei ihrer Lektüre tritt die Verbindung des Geistes der Häresiarchen mit dem Geist Satans deutlich zutage. Die Häresien wurden als fleischliche Werke, als Frucht fleischlichen Denkens, von den gefallenen Geistern erfunden. “Fliehet die gottlosen Häresien, sagt der heilige Ignatius der Gottesträger, denn sie sind teuflische Erfindungen, von dieser grundbösen Schlange” (1. Sendschreiben an die Grallianer). Darüber braucht man sich nicht zu wundern: die gefallenen Geister sind von der Höhe der geistlichen Würde herabgestiegen; sie sind mehr als die Menschen in fleischliches Sinnen verfallen. Die Menschen besitzen die Möglichkeit, vom fleischlichen Sinnen zum geistlichen überzugehen; die gefallenen Geister sind dieser Möglichkeit entblößt. Die Menschen sind nicht solch starkem Einfluß der Sinnlichkeit unterworfen, weil in ihnen das natürliche Gute nicht durch den Fall zerstört ist, wie in den Geistern. In den Menschen ist das Gute mit dem Bösen vermischt und deswegen verrroht; in den gefallenen Geistern herrscht und wirkt allein das Böse. Die Sinnlichkeit hat in den Geistern die breiteste, vollständigste Ausprägung erfahren, die sie nur erlangen kann. Ihre Hauptsünde ist der erbitterte Haß gegen Gott, der in schrecklicher, unaufhörlicher Gotteslästerung zum Ausdruck kommt. Sie setzen sich in ihrem Stolz über Gott Selbst hinweg. Den jedem Geschöpf eigenen Gehorsam gegenüber Gott verwandelten sie in ununterbrochen Widerstand, in unversöhnliche Feindschaft. Daher ist ihr Fall tief, und die Wunde des ewigen Todes, mit der sie geschlagen sind, unheilbar. Ihre wesentliche Leidenschaft ist der Stolz; sie werden von abscheulicher und dummer Eitelkeit beherrscht; sie finden Ergötzung in allen Arten der Sünde, verweilen stets in ihnen, schreiten von einer Sünde zur nächsten. Sie winden sich in Geldgier und in Freßsucht und in Ehebruch. (Hl. Ignatius der Gottesträger. Sendschreiben an die Philipper). Ohne die Möglichkeit zur leiblichen Erfüllung körperlicher Sünden vollbringen sie diese in Träumerei und Gefühlen; sie erlangten für die körperlose Natur Laster, die dem Körper eigen sind; sie entwickelten in sich diese unnatürlichen Laster unvergleichlich mehr, als sie unter den Menschen entwickelt sein können (der Hl. Basilius d. Gr. bezeichnet den gefallenen Geist als Urheber leidenschaftlicher körperlicher Schwächen. Gebete von der Befleckung). Es fiel vom Himmel, sagt der Prophet über den gefallenen Cherubim, der am Morgen erscheinende Morgenstern; er wurde auf der Erde zerschmettert. Du sprachst in deinem Geist: zum Himmel steige ich empor, höher als die himmlischen Sterne erhebe ich meinen Thron, und werde ähnlich dem Allerhöchsten. Nun aber steigst du zur Hölle herab und zu den Gründen er Erde, verworfen wirst du in den Bergen wie ein Toter (Jesaja14: 12.13.14.15.19).

 

Die gefallenen Geister enthalten in sich den Anfang aller Sünden und versuchen die Menschen in alle Sünden hereinzuziehen, um sie dem Verderben zu überantworten. Sie ziehen uns in verschiedenartige sinnliche Lüste, in Habsucht, in Ruhmsucht, sie malen uns die Gegenstände dieser Leidenschaften mit buntesten Farben aus. Insbesondere bemühen sie sich, uns in Stolz zu verwickeln, von dem wie Pflanzen aus den Samen die Feindschaft gegen Gott und Gotteslästerung aufblüht. Die Sünde der Gotteslästerung, welche das Wesen jeglicher Häresie ausmacht, ist die schwerste Sünde. Diese Sünde ist eigentlich den verworfenen Geistern eigen und stellt ihre kennzeichnendste Eigenschaft dar. Die gefallenen Geister versuchen alle Sünden mit einer angenehmen Maske zu verdecken, die in den asketischen Schriften Rechtfertigung genannt wird (Hl. Abbas Dorotheos, Belehrung darüber, daß man nicht seinen Geist erstellen soll). Das tun sie mit dem Ziel, die Menschen einfacher zu überlisten, damit sie leichter auf die Annahme der Sünde eingehen. Ebenso verfahren sie mit der Gotteslästerung: sie versuchen, sie mit einer prächtigen Bezeichnung zu verdecken, mit aufgeblasener Rhetorik, erhabener Philosophie. Eine furchtbare Waffe in der Hand der Geister ist die Häresie! Mit Hilfe der Häresie haben sie ganze Völker ins Verderben gejagt, haben ihnen unbemerkbar für sie das Christentum entwendet, indem sie es durch eine gotteslästerliche Lehre ersetzten, die todbringende Lehre durch die Bezeichnung eines gereinigten, wahren, wiederhergestellten Christentums verzierten. Häresie ist Sünde, die überwiegend im Verstand begangen wird. Diese im Verstand angenommene Sünde wird dem Geist mitgeteilt, über den Körper ergossen, und sie besudelt unseren Körper selbst, der die Fähigkeit der Heiligung durch die Gemeinschaft mit der Göttlichen Gnade und die Fähigkeit der Beschmutzung und Ansteckung durch die Gemeinschaft mit den gefallenen Geistern besitzt. Diese Sünde ist kaum bemerkbar und kaum verständlich für diejenigen, die das Christentum nicht mit Bestimmtheit kennen, weshalb sie in ihre Netze leicht Einfachheit, Unwissenheit, gleichgültiges und oberflächliches Bekenntnis des Christentums einfängt. Zeitweise waren von der Häresie die heiligen Ioannikios der Grosse, Gerasim von Jordan eingefangen wie auch einige andere gottgefällige Menschen. Wenn heilige Männer, die ihr Leben ausschließlich in der Sorge um ihr Heil verbrachten, nicht sofort die Gotteslästerung erkennen konnten, die mit einer Maske bedeckt war: was soll man dann von denen sagen, die ihr Leben in weltlichen Sorgen verbringen, ein unvollständiges Verständnis vom Glauben besitzen, ja gar ein mangelhaftes? Wie können sie die todbringende Häresie erkennen, wenn sie ihnen in der schönen Maske von Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit erscheint? Das eben ist der Grund, aus dem heraus sich ganze menschliche Gemeinschaften und ganze Völker dem Joch der Häresie beugten. Aus eben denselbem Grunde bereitet auch die Bekehrung aus der Häresie zur Orthodoxie derartige Schwierigkeiten, ja ist wesentlich beschwerlicher als aus dem Unglauben und dem Götzendienst. Häresien, die der Gottlosigkeit näherkommen, sind leichter zu erkennen und zu verlassen, als Häresien, die sich weniger vom orthodoxen Glauben entfernt haben und deswegen verdeckter sind. Der römische Kaiser, der apostelgleiche Große Konstantin, schrieb einen Brief an den heiligen Alexander, den Patriarchen von Alexandrien, der den Häresiarchen Arius bloßgestellt hatte, indem er ihn aufforderte die Diskussionen einzustellen, die den Frieden wegen leerer Worte störten. Mit diesen Worten, die leer genannt wurden, wurde die Gottheit unseres Herrn Jesus Christus verworfen, wurde das Christentum vernichtet (Kirchengeschichte Fleuri. Bd. 1, Buch 10, Kap. 42). So wurde das Unwissen selbst in einem heiligen Manne, einem Eiferer der Frömmigkeit, durch die ihm unverständliche List der Häresie getäuscht.

 

Als eine schwere, tödliche Sünde wird die Häresie schnell und entschieden geheilt, als Sünde des Verstandes, durch die ehrliche, aus ganzem Herzen hervorgehende Übergabe an das Anathema. Der heilige Johannes Klimakos sagte: “Die heilige allgemeine Kirche nimmt Häretiker auf, wenn diese ihre Häresie aufrichtig dem Anathema übergeben (Rede 15, Kapitel 49), und würdigt sie unverzüglich der heiligen Mysterien, wogegen sie die in Unzucht gefallenen, auch wenn sie ihre Sünde bekannt und davon abgelassen haben, nach den apostolischen Regeln auf lange Jahre von den heiligen Mysterien zu bannen gebietet.” (Konzil von Laodizäa, Regel 6). Der von der körperlichen Sünde hinterlassene Eindruck bleibt im Menschen auch nach der Bekenntnis der Sünde und dem Ablassen davon zurück; der von der Häresie erzeugte Eindruck wird nach deren Ablehnung sofort vernichtet. Die aufrichtige und entschiedene Überantwortung der Häresie an das Anathema ist ein Heilmittel, das die Seele endgültig und vollständig von der Häresie befreit. Ohne dieses Heilmittel verbleibt das Gift der Gotteslästerung im menschlichen Geist und hört nicht auf, ihn durch Mißverständnisse und Zweifel zu erschüttern, die durch das unverminderte Mitgefühl zur Häresie hervorgebracht werden; es verbleiben Gedanken, die sich wider den Geist Christi erheben (2. Kor. 10, 5); sie machen das Heil schwer zugänglich für den von ihnen Besessenen, für den von Ungehorsam und Widerstand gegen Christus Befallenen, der mit Satan Gemeinschaft pflegte. Als der selige Bischof von Theodoret vor den Vätern des vierten Ökumenischen Konzils stand, mit dem Wunsch sich hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu verteidigen, verlangten die Väter von ihm zunächst, daß er den Häresiarchen Nestorius dem Anathema überantworte. Theodoret lehnte wohl den Nestorius ab, aber nicht so entschieden wie die Kirche ihn verwarf, und er wollte dies darlegen. Die Väter verlangten von neuem, daß er entschieden, ohne Umschweife, Nestorius und dessen Lehre dem Anathema übergebe. Wieder äußerte Theodoret den Wunsch sich zu erklären, doch die Väter verstanden wieder auf dem Anathema gegen Nestorius und drohten andernfalls, Theodoret selbst als Häretiker anzuerkennen. Theodoret rief das Anathema gegen Nestorius aus und gegen alle häretischen Lehren der Zeit. Da verherrlichten die Väter Gott, erklärten Theodoret zum orthodoxen Hirten und Theodoret verlangte schon keine Erklärungen mehr, nachdem er aus seiner Seele die Ursachen für die Notwendigkeit von Erklärungen ausgemerzt hatte. So geschaffen ist das Verhältnis des menschlichen Geistes gegenüber der schrecklichen Krankheit der Häresie.

 

Nachdem wir heute die bedrohliche Ausrufung des geistlichen Heilmittels gehört haben, nehmen wir dieses in seiner wahren Bedeutung an, legen es an unsere Seelen und lehnen aufrichtig und entschieden jene verderblichen Lehren ab, welche die Kirche zu unserem Heil mit dem Anathema schlägt. Wenn wir sie auch immer abgelehnt haben, so werden wir durch die Stimme der Kirche in ihrer Ablehnung gefestigt. Geistliche Freiheit, Leichtigkeit, Kraft, die wir zweifellos in uns verspüren, bezeugen vor uns die Richtigkeit der kirchlichen Handlung und die Wahrheit der von ihr verkündeten Lehre.

 

Die Kirche verkündet: “diejenigen, die ihren Verstand dem Gehorsam gegenüber der Göttlichen Offenbarung unterordnen und für sie gekämpft haben, preisen wir selig und rühmen wir; die aber die sich der Wahrheit widersetzen, wenn sie nicht Buße getan haben vor dem Herrn, Der ihrer Bekehrung und Reue harrte, wenn sie nicht der Heiligen Schrift und Überlieferung der ursprünglichen Kirche folgen wollten, schließen wir aus und anathematisieren”. “Denen, die das Sein Gottes leugnen, und behaupten, diese Welt sei selbständig, daß alles in ihr ohne die Vorsehung Gottes geschehe, dem Zufall nach: Anathema”. “Denen, die sagen, daß Gott kein Geist sei, sondern Ding, ebenso denen, die Ihn nicht als Gerecht, Barmherzig, allweise, allwissend anerkennen und ähnliche Lästerungen aussprechen – Anathema”. “Denen, die wagen zu behaupten, daß der Sohn Gottes nicht einwesentlich und einer Ehre mit dem Vater ist, ebenso auch der Heilige Geist – die nicht bekennen, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist – ein Gott ist: Anathema”. “Denen, die sich gestatten zu sagen, daß zu unserem Heil und unserer Reinigung von den Sünden die Ankunft des Gottessohnes im Fleische, Seine freiwilligen Leiden, Tod und Auferstehung nicht notwendig sei, Anathema”. “Denjenigen, die die vom Evangelium verkündete Gnade der Erlösung als einzigem Mittel zu unserer Rechtfertigung vor Gott nicht annehmen: Anathema”. “Denjenigen, die zu sagen wagen, daß die Allerheiligste Jungfrau Maria vor der Geburt, in und nach der Geburt nicht Jungfrau war: Anathema”. “Denjenigen, die nicht glauben, daß der Heilige Geist die Propheten und Apostel inspirierte, uns durch sie den wahren Weg zur Rettung gewiesen und durch Wunder besiegelt hat, daß Er auch jetzt in den Herzen der treuen und wahren Christen wohnt und sie in jeglicher Wahrheit unterweist: Anathema”. “Denjenigen, die die Unsterblichkeit der Seele, das Ende der Zeiten, das künftige Gericht und ewige Vergeltung für die Tugenden in den Himmeln verwerfen und für die Sünden Verurteilung: Anathema”. “Denjenigen, die die Mysterien der Kirche Christi ablehnen: Anathema”. “Denjenigen, die die Konzile der heiligen Väter und ihre mit der Göttlichen Offenbarung übereinstimmenden Überlieferungen, die von der orthodoxen allgemeinen Kirche bewahrt werden, ablehnen: Anathema”. (aus dem Ritus der Ikonenprozession am Sonntag der Orthodoxie).

 

Die Göttliche Wahrheit wurde Mensch, um uns durch Sich zu retten, die wir durch die Annahme und Aneignung mörderischer Lüge verloren waren. Wenn ihr in Meinem Wort verweilt, kündet sie, wenn ihr Meine Lehre annehmt, und ihr treu seid, werdet ihr wahrlich Meine Jünger sein, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien (Johannes 8: 31.32). Der Lehre Christi treu sein kann nur der, der mit Entschiedenheit ablehnt, und ständig alle Lehren verwirft, die von verworfenen Geistern und Menschen ausgedacht wurden und werden, die der Lehre Christi, der Lehre Gottes, feindselig gegenüberstehen, und deren Ganzheit und Unantastbarkeit untergraben. In der unantastbaren Ganzheit wird die offenbarte Lehre Gottes einzig und ausschließlich im Schoße der Orthodoxen Östlichen Kirche bewahrt. Amen.

 

 

Zum Gedächtnis des Sieges

der Ikonenverehrung am Sonntag der Orthodoxie

 

Zur Heiligenverehrung gehört in der Orthodoxen Kirche auchdie Verehrung der heiligen Ikonen und Reliquien. Was ist ihr Sinn und wie ist sie entstanden?

 

Nach orthodoxem Verständnis sind die heiligen Ikonen symbolhaltige Abbilder des Urbildes, also der Heiligen, der Gottesmutter und des Herrn Selbst. Sie transparent für die mystische Gegenwart der auf ihnen dargestellten Person. Die Verehrung,die diesen Abbildern dargebracht wird, geht über auf deren Urbilder. Sie gilt also den Personen, nicht dem Holz, der Farbe oder dem Gold der Bilder selbst.

 

Seit apostolischer Zeit werden in der orthodoxen Kirche die heiligen Ikonen und die Reliquien verehrt. Der heilige Apostel und Evangelist Lukas hat die ersten Ikonen der Allheiligen Gottesgebärerin geschrieben und der Herr Selbst hat sein Allheiliges Abbild auf wunderbare Weise in ein Tuch geprägt und dem leprakranken König Abgar V. von Edessa gesandt, der daraufhin geheilt wurde. Diese als "Mandylion" oder Christusbild von Edessa bezeichnete heilige Ikone, das "Acheiropoieton" (d. h. nicht von Menschenhand gemachte Bild) wurde oftmals auf späteren Ikonen kopiert.

 

Im Bilderstreit (726-843) wurde die Ikonenverehrung zum Anlass für den Versuch des Staates, den Einfluss der Kirche im oströmischen Reich zu brechen. Die Ursachen fürden Ausbruch des Bilderstreites waren verschiedenartig: einerseits war die Kirche, und vor allem das orthodoxe Mönchtum, zu einer Kraft im Rhomäerreich geworden, an der der Staat einfach nicht mehr vorbei kam. Andererseits musste sich der Kaiser als Feldherr von seinen islamischen Feinden immer wieder anhören, die Christen seien Götzendiener, da sie Bilder anbeteten.Auch der Monophysitismus in den östlichen Provinzen der Reiches und der Nestorianismus im sassanidischen Perserreich hatten vielfach ikonoklastische Züge angenommen.

 

Aber es gab in Bezug auf die Bilderverehrung tatsächlich auch Missbräuche, gegen die die Bischöfe dann einschreiten mussten. Dies alles nahm der aus dem Volk der Isaurier stammende Kaiser Leon III., der auf allen Gebieten eine absolute Herrschaft anstrebte und deshalb den Einfluss der Mönche zu brechen versuchte, zum Anlass im Jahre 726 ein Edikt gegen die Bilderverehrung zu erlassen. Dieses Edikt und seine Verschärfungen in den folgenden Jahren führte nicht nur zur Zerstörung von unzähligen Ikonen  in den Kirchen, sondern auch zu Aufständen der gläubigen orthodoxen Bevölkerung und vor allem zu einer allgemeinen Verfolgung aller Mönche im ganzen byzantinischen Reich. Es ist offensichtlich, dass für Kaiser Leon III. und seinen Nachfolger Konstantin V. die "Bilderfrage" vor allem ein Vorwand gewesen ist, das orthodoxe Mönchtum auszulöschen, um damit den Einfluss der orthodoxen Kirche auf das Volk zurückzudrängen.

 

Die bilderfreundliche Kaiserin, die heilige Irene, stellte die Verfolgungen ein und ließ im Jahre 787 das Siebte Ökumenische Konzil von Nikäa in vollkommener Freiheit über die Bilderfrage verhandeln, worauf dieBilderverehrung wieder hergestellt wurde. Jedoch wurde, wie durch alle Heiligen Ökumenischen Konzilien in der orthodoxen Kirche, auch in der Frage der Verehrung der heiligen Ikonen, die seit der Zeit der Apostel in der orthodoxen Kirche zu finden ist (der hl. Apostel und Evangelist Lukas hat, wie bereits erwähnt, die ersten Ikonen geschrieben) wurde nun die kirchliche Lehre dahingehend genau erklärt, dass den heiligen Ikonen, wie auch dem Heiligen Kreuz, dem Evangelienbuch und den Reliquien der Heiligen nur die ehrfürchtige Verehrung (timitike proskynesis). nicht jedoch die wahre Anbetung (alithine latreia) dargebracht werden darf.

 

Unter den folgenden Kaisern flammte die Verfolgung der orthodoxen Christen erneut auf. Der byzantinische Staatsabsolutismus versuchte die bilderfreundlichen Opposition der Kirche endgültig zu brechen. Erst unter der heiligen KaiserinTheodora wurde am ersten Fastensonntag im Jahre 843 in einem feierlichen Akt in der Hagia Sophia zu Konstantinopel die Entscheidung von 787 wieder in Kraft gesetzt. Seither feiert die Orthodoxe Kirche jedes Jahr am ersten Fastensonntag das Gedächtnis des Sieges der Orthodoxie über alle Häresien in der Kirchengeschichte durch eine Prozession mit den heiligen Ikonen und das Verlesen der damaligen Konzilsbeschlüsse (Synodikon).

 

Als der König von Edessa Abgar unheilbar an der Lepra erkrankte, lud er Den Herrn Jesus Christus brieflich zu sich ein. Christus pries den König selig („selig bist du, der an mich geglaubt hat, ohne mich gesehen zu haben.“). Da er aber nicht Selbst kommen konnte, drückte er Sein Göttliches Antlitz in ein Tuch und sandte es mit den Überbringern des Briefes nach Edessa. Auch versprach der Heiland, einen Seiner Jünger zu einem späteren Zeitpunkt zum König nach Edessa zu senden. Nach der Himmelfahrt kamen der heilige Apostel Thomas und der heilige Apostel Judas Thaddäus dann nach Edessa. Der heilige Apostel Judas Thaddäus, in der syrischen Überlieferung "Addai" genannt, hat dann den König und die Stadt für das heilige Evangelium gewonnen. Nach dem Bericht des Kirchenschriftstellers Eusebius von Caesarea setzte der heilige Apostel Judas Thaddäus dann einer von den siebzig Aposteln, den heiligen Thaddäus von Edessa, als ersten Bischof in Edessa ein.

 

 

Zusammengestellt von Diakon Thomas Zmija

 

 

Der Sonntag der Orthodoxie

 

Der Sonntag der Orthodoxie wird gefeiert mit der Göttlichen Liturgie des Heiligen Basilius des Großen, der ein Orthros vorangeht und am Samstag Abend davor eine Große Vesper. Die Hymnen des Triodion für diesen Tag ergänzen die gewöhnlichen Gebete und Hymnen des wöchentlichen Gedenkens der Auferstehung Christi.

 

Am Ende der Liturgie wird ein Gottesdienst zum Gedenken an das 7. Ökumenische Konzil am Jahre 787 und die Wiederherstellung der Ikonenverehrung im Jahre 843 gefeiert. Orthodoxe Gläubige tragen in einer Prozession Ikonen, während der Priester Fürbitten für das Volk, die weltlichen Behörden und die im Glauben Verstorbenen vorträgt. Dann folgt eine Lesung von Auszügen aus der Bestätigung des Glaubens des 7. Ökumenischen Konzils und das Singen des Großen Prokeimenons.

 

Die Ikone des Sonntags der Orthodoxie gedenkt der Wiederherstellung der Ikonen in den Kirchen und ihres Gebrauchs im orthodoxen Kultus. Sie zeigt den Triumphzug am Sonntag, den 11. März 843 von der Kirche der Gottesmutter in Blachernai zur Hagia Sophia, in der eine Liturgie zum Dank für die Wiederherstellung der Ikonenverehrung gefeiert wurde. Das Zentrum der Ikone ist selbst eine Ikone, die Jungfrau Hodigitria, eine populäre Darstellung der Gottesgebärerin als „Führerin“, oder wörtlich als „Die, die den Weg zu Gott zeigt“. Diese Ikone wird von zwei Engeln getragen. Auf der linken Seite der Ikone sind Kaiserin Theodora, welche die Ikonenverehrung wieder durchsetzte und ihr Sohn Michael III. inmitten einer Prozession von Mönchen und Priestern dargestellt. Auf der rechten Seite erblickt man Patriarch Methodios, Bischof Michael von Synnadon und Patriarch Tarasios. Sie zeigt auch zahlreiche Heilige, die gegen die ikonoklastische Häresie gekämpft hatten. 

 

Quelle: www.goarch.org/en/special/lent/sunday_of_orthodoxy

 

 

Sonntag der Orthodoxie

zum Ersten Sonntag in der Großen Fastenzeit

 

Der Sonntag der Orthodoxie ist der erste Sonntag der Großen Fastenzeit. Seit dem Jahre 843 ist das wichtigste Thema des Sonntags der Sieg der Ikonen. In diesem Jahr wurde der Bilderstreit, der – einmal mehr, einmal weniger – seit dem Jahre 726 ausgetragen worden war, endlich beendet und die Ikonen und ihre Verehrung am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit wiederhergestellt. Seitdem wird dieser Sonntag als „Triumph der Orthodoxie“ bezeichnet.

 

Historischer Hintergrund

 

Das Siebte Ökumenische Konzil beschäftigte sich im Wesentlichen mit dem Streit um die Ikonen und deren Platz in der orthodoxen Verehrung. Es wurde im Jahre 787 durch die Kaiserin Irene auf Wunsch von Tarasios, dem Patriarchen von Konstantinopel zusammengerufen. Es kamen 367 Bischöfe zum Konzil. Fast 100 Jahre vorher hatte dieser Bilderstreit schon einmal die Fundamente von Kirche und Staat im byzantinischen Reich erschüttert. Übermäßige religiöse Ehrerbietung für die Ikonen und den ihnen zugeschriebenen Wundern, erreichten bei manchen Mitgliedern der Gesellschaft einen Punkt, der der Anbetung – die nur Gott gebührt – und damit der Idololatrie nahe kam. Das wiederum führte zu Exzessen auf der entgegengesetzten Seite, wobei Ikonen von den Ikonoklasten ganz aus dem liturgischen Leben der Kirche verbannt wurden. Die orthodoxen Verehrer der heiligen Ikonen glaubten andererseits, dass die Ikonen der Bewahrung der dogmatischen Lehre der Kirche dienten; sie betrachteten die Ikonen als den dynamischen Weg das Göttliche durch Kunst und Schönheit auszudrücken.

 

Das Konzil entschied sich für eine Lehre, nach der Ikonen verehrt, aber nicht angebetet werden durften. Papst Hadrian beantwortete eine Einladung der Kaiserin zum Konzil mit einem Brief, in dem auch er die Meinung vertrat dass Ikonen verehrt, aber nicht angebetet werden, da das nur Gott gebührt.

 

Der Entscheid des Konzils, den Kirchen die Ikonen zurückzugeben, enthält eine wichtige Bestimmung, die bis auf den heutigen Tag als Fundament für das Grundprinzip des Gebrauchs und der Verehrung von Ikonen in der Orthodoxen Kirche gilt:

 

„Wir beschließen mit aller Genauigkeit und Sorgfalt, dass ebenso wie die Gestalt des ehrwürdigen und lebenspendenden Kreuzes auch die verehrten und heiligen Bilder in Malerei und Mosaik und anderer geeigneter Materie in den heiligen Kirchen Gottes, auf heiligen Geräten und Gewändern, auf Wänden und Tafeln, in Häusern und Straßen aufgerichtet werden, und zwar das Bild unseres Herrn und Gottes und Heilandes Jesu Christi, das unserer reinen Herrin, der heiligen Gottesmutter, der verehrungswürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen. Denn in dem Maße, in dem sie beständig in bildlicher Darstellung gesehen werden, werden auch die sie Betrachtenden zum Gedenken und zur Sehnsucht nach den Urbildern erhoben, und sie erweisen ihnen Gruß und ehrfürchtige Verehrung, nicht aber die unserem Glauben gemäße wahrhaftige Anbetung, welche allein der göttlichen Natur gebührt. ... Die Ehre, die man dem Bilde erweist, geht auf das Urbild über, wer ein Bild verehrt, verehrt in ihm die dargestellte Person.“

 

Unter Kaiserin Theodora wurde im Jahr 843 ein regionales Konzil nach Konstantinopel einberufen. In der Hagia Sophia wurde feierlich die Verehrung der Ikonen proklamiert. Die Kaiserin, ihr Sohn Michael III., Patriarch Methodios, Mönche und Klerus kamen in einer Prozession und setzten die Ikonen wieder an die ihnen gebührenden Plätze. Auch die orthodoxen Gläubigen brachten zu dieser feierlichen Prozession ihre in den Häusern vor den Ikonoklasten verborgen Ikonen mit und stellten sie auf dem Templon (Ikonostas) während der Feier der folgenden göttlichen Liturgie auf. Dieses vollziehen die orthodoxen Gläubigen an vielen Orten bis heute nach.

 

Der Tag wurde der „Triumph der Orthodoxie“ genannt. Seit dieser Zeit gedenken wir Orthodoxen an dieses Ereignis jedes Jahr am ersten Sonntag in der Großen Fastenzeit mit einem besonderen Gottesdiensten.

 

Die orthodoxe Lehre über die Heiligen Ikonen, wie sie von den auf dem Siebten Ökumenischen Konzil versammelten Heiligen Vätern ausgedrückt wurde,, wird in den an diesem Sonntag gesungenen Texten immer wieder beschrieben und zur Lehre der Kirche und den Worten des Heiligen Evangeliums in unmittelbare Beziehung gebracht:

 

„Aus dem Unglauben sind wir zum Glauben gekommen, wurden erleuchtet durch der Erkenntnis Licht. Wie der Psalmist, so laßt uns in die Hände klatschen, Gott Dank und Lob darbringen. Und die heiligen Bilder, an den Wänden, an den Tafeln und an heiligen Gefäßen dargestellt, Christi, der Allreinen, aller Heiligen heilige Bilder, in hehrer Weise wollen wir sie verehren und von uns werfen der irrig Lehrenden gottlosen Brauch. Denn die Ehre, die man dem Bilde erweist, wie Basilius spricht, geht über auf das Urbild. Lasset uns flehen: auf deiner reinen Mutter Fürbitten, o Christus, unser Gott, und aller Heiligen schenk uns das große Erbarmen.“

 

Der Name des Sonntags spiegelt die große Bedeutung der Heiligen Ikonen für den Glauben und das Frömmigkeitsleben der Orthodoxe Kirche wieder. Für uns Orthodoxe sind die Ikonen keine religiösen Bildwerke, die man haben oder eben auch nicht haben kann. Sie sind kein frommes Beiwerk des Glaubens oder eine bloße Bilderbibel für des Lesens unkundige Menschen. Auch ist die Ikone für uns Orthodoxe kein Ausschmückungsgegenstand unserer Häuser und Wohnungen mit religiös-ästhetischem Hintergrund. In all diesem unterscheidet sich die orthodoxe Ikone ganz grundsätzlich von der religiösen Kunst unserer evangelischen Mitchristen und den Devotionalien und Heiligenbildern unserer katholischen Mitchristen. Für uns als orthodoxe Christen sind die Heiligen Ikonen ein unverzichtbarer Ausdruck und Bestandteil unseres orthodoxen Glaubens und integraler Teil unserer Gottesverehrung. Wir betrachten die Heiligen Ikonen als eine notwendige Folge des christlichen Glaubens an die wirkliche Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Deshalb haben die Ikonen sakramentalen Charakter, indem sie dem Gläubigen die Person oder das Ereignis, das auf ihnen dargestellt ist, geistlich gegenwärtig machen. Deshalb ist auch das ganze Innere unserer orthodoxen Kirchen mit Ikonen geschmückt, ja oft sind die Wände bis zu den Kuppeln mit gemalten Ikonen bedeckt. Auch gibt es in einer orthodoxen Kirche immer einen Ikonostas, der das Allerheiligste mit dem Altar vom Schiff der Kirche trennt. In Südosteuropa und in Russland sind auf dem Ikonostas die Ikonen oft in mehreren Reihen geordnet. Keine orthodoxes Heim ist vollständig ohne eine Ikonenecke oder Hauskapelle, wo sich die Familie zu den täglichen Gebeten versammelt.

 

Die Heiligen Ikonen werden verehrt durch brennenden Lampen und Kerzen, die man vor ihnen aufstellt, durch Weihrauch, Kuß und Verbeugung. Jedoch gibt es eine ganz klare dogmatische Trennung zwischen der Verehrung, die man Ikonen darbringt und der Anbetung, die allein Gott gebührt. Deshalb gilt die Verehrung der Ikone nicht der Materie der Ikone, sondern der darauf dargestellten Person. Die gilt auch für die als besonders heilig gehaltenen wundertätigen oder myronfließenden Ikonen. Diese Unterscheidung bewahrt die orthodoxen Ikonenverehrung vor der Idololatrie, der Anbetung der Schöpfung anstelle des Schöpfers.

 

Das Thema des Sieges der Ikonen zeigt uns durch die Betonung der Menschwerdung Gottes, die grundlegende christliche Wahrheit, dass in Jesus Christus der Sohn Gottes Menschgeworden ist. Er ist der Logos, das Person gewordene Wort Gottes. Diesem begegnen wir durch Sein Heiliges Evangelium (Ikone des Wortes) im Hören und im Schauen der Heilsmysterien durch die Heiligen Ikonen.

 

Bevor der Triumph der Orthodoxie am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit gefeiert wurde, war dieser Tag dem Gedenken an Moses, Aaron, Samuel und die anderen heiligen Propheten gewidmet. Spuren dieser älteren Regel können wir immer noch in der Wahl der Epistellesung bei Feier der Göttlichen Liturgie (Hebräer 11,24-26.32-40) und in den Alleluja-Versen vor der Evangeliumslesung (Psalm 98,6) erkennen: „Mose und Aaron waren unter Seinen Priestern, und Samuel unter denen, die Seinen Namen anriefen.“

 

Zusammengestellt von Thomas Zmija v. Gojan

unter Verwendung des Artikels „Sunday of Orthodoxy“

auf der Internet-Seite der Griechischen Orthodoxen Erzdiözese in Nordamerika.

 

 

Sonntag der Orthodoxie

 

Über den 1. Fasten-Sonntag

 

Ursprünglich war die Große Fastenzeit die Zeit der Vorbereitung der Katechumenen für die Taufe in der Osternacht und das findet sich noch in den Lesungen während der Liturgie, heute und an allen Sonntagen der Großen Fastenzeit. Aber dieses Grundthema wurde später etwas verdrängt durch andere Themen, die die Hymnographie der Sonntage dominierten. Das wesentliche Thema dieses Sonntags ist seit 843 der Sieg der Ikonen. In diesem Jahr wurde der Kampf gegen die Ikonen, der Ikonoklasmus, der mit Unterbrechungen seit 726 gewütet hatte, endgültig beendet und die Ikonen und ihre Verehrung am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit wiederhergestellt. Seitdem wird dieser Sonntag als „Sieg der Orthodoxie“ gefeiert. 

 

Die orthodoxe Lehre von den Ikonen wurde definiert im 7. Ökumenischen Konzil von 787, das die erste Phase des Versuchs, die Ikonen zu unterdrücken beendete. Seine Lehre wurde schließlich 843 nochmals bestätigt und findet sich in den Texten, die an diesem Sonntag gesungen werden:

 

Vor Deinem reinen Bilde sinken, o Guter, wir nieder und erflehen unserer Fehler Vergebung, Christus, o Gott. Denn freiwillig hast Du beschlossen, das Kreuz zu besteigen, zu erretten, die Du gebildet, aus der Knechtschaft des Feinds. Drum rufen wir dankbar Dir zu: Du hast erfüllt mit Wonne das All, unser Heiland, da Du erschienst, die Welt zu erretten.

 

Tropar des Festes

 

Dich Unbegreiflichen, der vor dem Morgenstern, vor allem Anfang aus des stofflosen, körperlosen Vaters Schoße erstrahlte, kündeten, vom Hauche des Geistes erfüllt, die Propheten im voraus an, o Herr, Du werdest kommen als Kind, aus einer Jungfrau geboren, im Gewande des Fleisches, zu Menschen gesellt, von den Erdbewohnern geschaut. Durch sie, Erbarmender, würdige Deines Lichts, die Deine unsagbare, heilige Auferstehung in Hymnen besingen.

 

Erste Stichire zum Psalm 140 "Herr, ich rufe zu Dir"

 

Durch Deine göttliche Natur bist du zwar unbegrenzt. Doch wolltest Du in der Zeiten Fülle, o Herr, mit Fleischeshülle Dich umgrenzen. Denn durch Annahme des Fleisches nahmest Du auch all seine Eigenarten an. Darum prägen wir uns das Bild der Ähnlichkeit ein, halten es fest, verehren es und erheben uns so zu Deiner Liebe. Des Heiles Gnade schöpfen wir aus ihm und folgen der Apostel heiligem Vermächtnis.

 

Dritte Stichire zum Psalm 140 "Herr, ich rufe zu Dir"

 

Aufgeleuchtet ist der Wahrheit Gnade. Was einst in Schattenrissen vorgebildet, ist jetzt vor aller Welt erfüllt. Denn siehe: es bekleidet sich die Kirche mit Christi körperlichem Bild wie mit einem Schmuck, der jeden Schmuck überragt. Sie stellt im Bild des Martyriums Zelt dar, hält fest am rechten Glauben, damit wir auch das Bild dessen festhalten, den wir verehren, und nicht in die Irre gehn. Hüllen sollen sich in Schande, die nicht also glauben. Denn uns ist Ruhm des Fleischgewordenen Bild, das gläubig wir verehren, jedoch nicht zum Gott erheben. Dies, Gläubige, lasst uns verehren und rufen: Gott, rette Dein Volk und segne Dein Erbe.

 

Doxastikon

 

 

Predigt am Fest des Trumphes der Orthodoxie (Торжество Православия)

 

Erster Sonntag in der Großen Fastenzeit

 

 

Priester Antony Hughes 

 

Vater Antony Hughes ist Priester im antiochenischen (rum-orthodoxen ) Erzbistum in Nordamerika. Er ist seit 1993 Pfarrer der Saint Mary’s Orthodox Church in Cambridge (Massachusetts, USA). 

 

Die Güte Gottes, Seine Liebe, Seine Gnade, Seine Kraft und Herrlichkeit, wurden uns in und durch die Materie – dem Stoff, aus dem die Welt geschaffen ist – offenbart. Viele Philosophen und Religionen haben die Materie verächtlich gemacht und behauptet, dass die schmutzig und wertlos sei. Einige haben gesagt, dass der Leib nicht mehr ist als ein Gefängnis für den Geist und dass der Tod eine Befreiung aus diesem Gefängnis ist. Einige haben gesagt, dass Materie und Geist Gegensätze und Feinde sind und Materie nicht vergeistigt sein kann. Die Heilige Orthodoxie widerspricht diesen falschen Auffassungen.

 

Im Gegensatz zu denen, die solches lehren, kommen wir heute zusammen, um das zentrale Ereignis in der Geschichte des Weltalls zu feiern: die Menschwerdung Gottes, die Verherrlichung der Materie und die Vergöttlichung des Menschen. Wir scheuen uns nicht diese Kunde zu predigen, auch wenn sie absurd klingt. Für uns ist die Fleischwerdung des Sohnes der beste Beweis, dass Gott Seine Schöpfung liebt. Sie führt uns auch deutlich vor Augen, dass Sein Leben mit uns zu teilen der Grund war, warum Gott alles gemacht hat. Materie ist nicht schlecht, aus keinem anderen Grund als dass Gott sie gut geheißen hat, sehr gut sogar.

 

Die Ikonen sind lebendige Zeugen dieser Wahrheit: Gott wurde Mensch. Das Unsichtbare wurde sichtbardas Unnahbare greifbar. Philipp sagte zu Nathanael: Komm und „sieh“. Der Heilige Johannes setzt es redegewandt in seinem ersten Brief in die Worte: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens. Denn das Leben wurde offenbart; wir haben [es] gesehen.“

 

Während den Israeliten im Alten Testament richtigerweise verboten wurde sich Bilder vom unsichtbaren Gott zu machen, hat die Inkarnation Gottes Bilder für die Verkündung der Wahrheit unverzichtbar gemachtGott wurde sichtbar im Fleische und kann, ja muss daher jetzt abgebildet werden. Die Wahrheit des Evangeliums wird durch Ikonen verkündet.

 

Der Sieg, den wir heute feiern (die Wiedereinsetzung der Ikonen in den Kirchen nach der Zeit des Verbots), beinhaltet den ersten und wichtigsten Sieg, den Sieg des inkarnierten Gottes über den Tod. Im orthodoxen Denken ist der erste untrennbar mit dem zweiten verknüpft. Ikonen haben nur darin ihre Begründung.

 

Aber es gibt noch etwas anderes zu feiern ... wir feiern die Tatsache, dass trotz menschlicher Schwäche, äußerer Einflüsse, harter Verfolgung und einer Menge anderer Probleme der orthodoxe Glaube überlebt hat und in einigen Teilen der Welt sogar blüht und gedeiht. 

 

Leider ist das Bild nicht ganz ohne Schatten. Die Kirche leidet an Verknöcherung und einem gewissen Hang, die Vergangenheit der Herausforderung eines Lebens im 21. Jahrhundert vorzuziehen. Wir haben immer noch nicht so ganz begriffen, dass es Byzanz und das Heilige Russland nicht mehr gibt. Manche sagen, wir hätten es fertig gebracht das 20. Jahrhundert ganz zu umgehen. Gott sei Dank, haben wir noch eine Chance. Es gibt kein „Christliches Reich“ in dieser modernen Welt, nicht einmal das unsrige. Manche sehnen sich danach zurück, ich nicht. Zu oft wurde die Kirche unter dem obrigkeitlichen Druck eines Reichs zum Apologeten dessen (gerechten oder ungerechten) Systems, statt ihres eigenen Gewissens. Manchmal diente die Notwendigkeit des Überlebens als Ausrede, sich wohlüberlegt still zu verhalten, wenn die „christlichen Kaiser“ sehr Unchristliches taten. Professor Yannaras schrieb, dass die Kirche manchmal die Welt umgestaltet, und manchmal die Kirche durch die Welt umgestaltet wird. Das bedeutet: wir tendieren dazu unsere prophetische Stimme zu verlieren, aufzuhören Sauerteig zu sein, Licht und Salz in der Welt. Wir vergessen, dass das Evangelium unbequem ist und wählen die Bequemlichkeit. Wir müssen dieser Tendenz widerstehen, damit das Licht Christi in dieser Welt hell leuchten kann.

 

Dennoch feiern wir, denn letzten Endes gehört die Kirche Gott, und Er bewahrt ihre Heiligkeit trotz uns. Die Herrlichkeit der Wahrheit leuchtet und kann nicht bezwungen werden.

 

Ich hoffe, dass die Kirche eines Tages noch einen weiteren Triumph der Orthodoxie verkünden und noch ein Fest einführen kann, ihn zu feiern. Welchen? Den Sieg der Orthodoxie über ihre bedauerlichen Spaltungen, den Triumph der Orthodoxie über ihren eigenen Provinzialismusund den endgültigen Sieg der Orthodoxie über den Phyletismus, diese eigenartige Häresie, die Abstammung und Kultur über das Evangelium stellt. Nun, wir werden sehen, was Gott noch vor hat hat. Eines können wir versichert sein: was Gott mit Seiner Geliebten, der Kirche, vor hat ist herrlich! Amen.

 

 

Das unbegrenzte Wort des Vaters 

nahm die Grenzen der Gestalt an

 

 

durch die Fleischwerdung in Dir,

o Gottesgebaererin

 

 

in Dir wurde das befleckte Abbild

in den ursprünglichen Zustand verwandelt

 

 

und erfüllt mit der Göttlichen

Schönheit des Urbildes

 

 

Wir aber,

indem wir das Heil erkennen,

stellen dies dar

 

in Werk und Wort

 

Kondakion zum  Triumph der Orthodoxie

 

 

Gilt also das Bilderverbot des Alten Bundes

für die Orthodoxe Kirchenicht mehr?

 

Da altttestamentliche Bilderverbot gilt für die Christen nicht mehr in gleicher Weise wie es für das altttestamentliche Gottesvolk in der Zeit des alten Bundes gegolten hat. Denn Christus ist des Gesetzes Ende (vgl.: Römer 10:4). Durch die Vollendung des göttlichen Heilswerkes in der Inkarnation des Gottessohnes ist das altttestamentliche Gesetz nicht aufgehoben, sondern erfüllt worden. Das bedeutet: Mit der Menschwerdung Jesu Christi, des Eingeborenen Sohnes Gottes, ist die äußerliche, buchstäbliche Befolgung des Gesetzes einem geistlichen, verinnerlichten Tun Seines Willens gewichen.

 

Das Bilderverbot im Alten Testament hatte im wesentlichen zwei Gründe: Es war verboten, Gott abzubilden, weil Gott der menschlichen Vorstellungskraft nicht fassbar ist.Es war ferner verboten, Bilder (d.h. Menschen- und Tierdarstellungen) zuverehren, weil sie dadurch an Gottes Stelle treten.

 

Auch in der orthodoxen Kirche ist es (eigentlich) nicht erlaubt, Gott als Vater und Schöpfer anders als in der Gestalt Seines menschgewordenen Sohnes Jesus Christus darzustellen. Denn durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist der Unsichtbare uns erschienen und hat eine menschliche Natur  angenommen. Zu dieser menschlichen Natur gehört auch die sichtbare menschliche Gestalt, die wiedrum auch im Bilde dargestellt werden kann. Dabei ist es nach orthodoxemVerständnis wichtig, dass mit dieser Darstellung auf die ganze Person Christi, d.h. auf Seine vollkommene Menschheit und Seine vollkommene Gottheit, hingewiesen wird. Diesgeschieht in der Symbolsprache der Ikonenmalerei, die in einer genau festgelegten kirchlichen Symbolsprache auf die verehrungswürdige Person hinweist. Die heilige Ikone ist also nach orthodoxem Verständnis als ein "Realsymbol" zu verstehen, indem wir dem Mysterion des Glaubens begegnen. Die heiligen Ikonen sind "Spiegel der himmlischen Wirklichkeit" und "Fenster zum Ewigen". Sie sind "Orte der geistlichen Begegnung", aber eben gerade nicht mit Christus, der Gottesgebärerin oder den Heiligen Selbst zu verwechseln. Deshalb ist die Ikone nicht ein Götzenbild, das mit Gott geichgesetzt würde, sondern Abbild des Urbildes. Deshalb können die heiligen Ikonen ohne die Gefahr, ein Götzenbild zu werden, verehrt werden.

 

Sowohl die römisch-katholische Kirche, als auch in noch stärkerem Maße die aus der protestantischen Reformation hervorgegangenen Glaubensgemeinschaften kennen diese orthodoxe Sicht der heiligen Ikonen nicht. Bereits einme fränktische Reichsynode in Frankfurt wies die Beschlüsse des Siebten Ökumenischen Konzils zurück. Die orthodoxe Ikonentheologie ist im Westen niemals verstanden und vollkommen rezipiert worden. Sowohl das Konzil von Trient, als auch die Schriften Luthers weisen dem Bild einen rein erklärenden und pädagogischen Charakter zu. Kirchliche Kunstwerke sind nur eine "biblia pauperum", eine Auslegung der Bibel für die des Lesens Unkundigen, oder aber Ausdruck des individuellen künstlerischen Empfindens religiöser Inhalte.

 

Zusammengestellt von Diakon Thomas Zmija

 

 

Der Triumph der Ikonenverehrung

als Sieg des orthodoxen Glaubens

an die Realität der Menschwerdung Gottes

 

Thomas Zmija

 

Am ersten Sonntag in der großen Fastenzeit feiert die orthodoxe Kirche den Triumph der Orthodoxie. Wir gedenken dabei nicht einfach nur der Tatsache, dass im Jahre 843, nach mehr als ein Jahrhundert der heftigen theologischen Auseinandersetzungen zwischen den Orthodoxen und ihren Gegnern und der damit verbundenen, schweren Verfolgungen der frommen Gläubigen und der gottesfürchtigen Mönche, die Ikonenverehrung über den Ikonoklasmus triumphierte, sondern vor allem daran, dass durch den Triumph der Ikonenverehrung gleichzeitig der rechtgläubige Ausdruck der christlichen Glaubenslehre zu ihrem krönenden Abschluss gekommen ist.

 

Somit feiern wir an diesem ersten Sonntag in der großen Fastenzeit die Vollendung der Epoche der Heiligen Sieben Ökumenischen Konzilen. In dieser Zeit hatte die orthodoxe Kirche nach und nach das rechtgläubige Verständnis des auf dem Ersten Ökumenischen Konzil in Nicäa formulierten Bekenntnis des orthodoxen Glaubens immer genauer ausgelegt. Als Schlussstein der Christologie, das ist die Lehre über die Menschwerdung des Sohnes Gottes, wurde dann auf dem Siebten Ökumenischen Konzil das rechtgläubige Verständnis der Heiligen Ikonen feierlich verkündet. Jedoch handelt es sich bei den dogmatischen Formulierungen dieses Konzils im eigentlichen Sinne nicht um eine bloße Theologie der kirchlichen Bildkunst, sondern vielmehr um das rechtgläubige theologische Verständnis dessen, was aus der Menschwerdung des Sohnes Gottes folgt. Insofern ist die Lehre des Siebten Ökumenischen Konzils vor allem eine Theologie der rechtgläubigen christologischen Verkündigung. Denn die Entscheidungen dieses Konzils weisen uns deutlich darauf hin, dass Christus Gott, nachdem Er durch die Fleischwerdung aus der Immerjungfrau Maria Mensch geworden ist, Er auch durch die Heiligen Ikonen darstellbar geworden ist. Denn Er, der Unsichtbare und Unerfassbare Logos und Herr, erhielt durch Seine Fleischwerdung ein menschliches Antlitz. Dieses Antlitz des menschgewordenen Sohnes Gottes kann nun vermittels von Linien und Farben im Abbild darstellen werden. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um ein Porträt, sondern durch die Heilige Ikone wird das Urbild, Christus Selbst im Abbild, der Ikone in geheimnisvoller Weise gegenwärtig. Was wir durch das Wort des heiligen Evangeliums hören, so sehen und erfahren wir gleichfalls im Betrachten der heiligen Ikone: Beide sind sie Träger der gleichen Frohen Botschaft (griechisch εὐαγγέλιον "Euangelion"), die die orthodoxe Kirche verkündet und bekennt. 

 

Durch den Sieg der Orthodoxie über den Ikonoklasmus - der zwar nicht mehr bei den Christen im Osten, jedoch bei den Christen im Westen in Form des reformierten (calvinistischen) Protestantismus und seine geistigen Kinder, die freikirchlichen Glaubensgemeinschaften fortbesteht - wurde theologisch die volle Realität und Wahrheit der Menschwerdung Gottes verteidigt. Durch die Inkarnation hat Gott Sich Selbst anschaubar gemacht und Sich damit sichtbar darstellt. Gleichzeitig jedoch bewahrt die orthodoxe Verehrung der Ikonen die fundamental wichtige Unterscheidung, zwischen der Verehrung der Ikone und der Anbetung Gottes.  Dieser Unterschied ist die klare und eindeutige Unterscheidung zwischen dem göttlichen Urbild, Dem allein die Anbetung (λατρεία) und Seinem Abbild durch die Ikone, dem die Verehrung (προσκύνησις) durch Verneigung, Niederwerfung oder Kuss zukommt. Desweiteren machen die dogmatischen Ausführungen des Siebten Ökumenischen Konzils klar, dass diese Verehrung des Abbildes auf auf das Urbild übergeht. Nicht die Materie der Ikone wird vom orthodoxen Gläubigen verehrt, sondern im Abbild der Ikone wird das durch sie geistlich anwesende Urbild verehrt. So sind die Ikonen für die orthodoxen Gläubigen Fenster, die seinen Blick für die Realität der geistlichen Welt öffnen. Dies wird durch den meist goldenen Hintergrund, durch die Zweidimensionalität der Darstellungsweise und die nicht-naturalistische, symbolhafte Malweise ausgedrückt.

 

 

Wenn wir den Triumph der Orthodoxie feiern, bekennen wir uns zur Heilstatsache, dass sich Gott für uns in der Inkarnation Seines Sohnes Jesus Christus leibhaftig und anschaubar geoffenbart hat (vgl.: Johannes 12:45). Denn durch das Kommen des Eingeborenen Sohnes im Fleisch hat die Fülle der Gottheit in unserer geschöpflichen Welt Wohnung genommen und sich für uns leibhaft geoffenbart. Ohne dieses Heilsmysterion der Inkarnation wäre das Mysterion (Sakrament) der Heiligen Eucharistie nicht denkbar. Wiederum ist es eine interessante kirchengeschichtliche und theologisch-apologetische Tatsache, dass ebenso wie die damaligen Ikonoklasten so auch der heutige protestantisch-reformierte Protestantismus und in seiner Folge die protestantisch-freikirchlichen Glaubensgemeinschaften sowohl die theologische Begründung für die Rechtmäßigkeit der Verehrung der Heiligen Ikonen ablehnen, als auch nicht an die die wahre und leibhaftige Gegenwart Christi in der Heiligen Kommunion glauben wollen, sondern nur eine bildhafte Anwesenheit Christi in den Heiligen Gaben anzunehmen bereit sind.

 

Auch wenn wir am Fest der Orthodoxie den heiligen orthodoxen Glauben preisen und verherrlichen und auch wenn wir unserer Besorgnis um diejenigen Ausdruck zu verleihen versuchen, die den orthodoxen Glauben nicht kennen oder ihn nicht (mehr) hochschätzen oder ihn sogar mit boshaften menschlichen Erfindungen und Klügeleien anzugreifen suchen, so sind wir doch am Fest der Orthodoxie in keiner Weise aufgerufen, in der Selbstgerechtigkeit des Pharisäers über nicht-orthodoxe Christen und ihre Liebe zu Christus urteilen zu wollen. Viel angebrachter ist eine Haltung der Reue und eine aufrichtige Gesinnung wahrer Buße. Denn am Anfang sollte unsere Reue über unser eigenes mangelhaftes orthodoxes Zeugnis stehen. Wir sollten vor Gott und seinen Heiligen demütig und mit zerknirschtem Herzen unsere geistliche Ohnmacht bekennen: dass unserer eigener orthodoxer Glaube oft so schwach und so wenig leuchtend und einladend ist und dass wir deshalb nicht imstande sind, die noch ferne stehenden Menschen zu Christus hin zu führen. Besäßen wir die orthodoxe Fülle des Glaubens nicht nur mit den Worten unserer Lippen, sondern auch im Brennen unserer Herzen und im Leuchten der Taten unseres Lebens, so könnten wir durch das Beispiel eines wirklich orthodoxen Lebens unserer nicht-orthodoxen Mitmenschen auf den Weg zur orthodoxen Wahrheit mitreißen. Der Sonntag der Orthodoxie ist im rechtgläubigen Sinne dann ein Triumph der Orthodoxie, wenn wir uns während der nun vor uns liegenden großen Fastenzeit fest vornehmen, mit Gottes Hilfe die Fesseln unserer Selbstentschuldigungen (vgl.: Matthäus 7:1-5) zu zerreißen und uns ernsthaft aufmachen, die Gegenwart Christi in unserem Leben so hell erstrahlen zu lassen, dass dieses Leben ein Zeugnis, eine orthodoxe Martyria der Einladung hin zur Heiligen Orthodoxen Kirche als der Arche des Heiles ist.

 

 

 

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Vor Deinem Bilde, Allgütiger, werfen wir uns nieder. Wir bitten um Vergebung unserer Schuld, Christus, unser Gott. Dir gefiel es, in Deinem Fleische willig das Kreuz zu besteigen, um Deine Geschöpfe der Knechtschaft des Feindes zu entreißen. Drum rufen wir dankbar Dir zu: Alles hast Du mit Freude erfüllt, da Du kamst zu erretten die Welt.

 

 

Zur Prozession am Sonntag der Orthodoxie

mit den Heiligen Ikonen

 

Zur Heiligenverehrung gehört in der Orthodoxen Kirche auch die Verehrung der Ikonen und Reliquien. Was ist ihr Sinn und wie ist sie entstanden?

 

Nach orthodoxem Verständnis sind die Ikonen (symbolhaltige Abbilder des Urbildes) der Heiligen, der Gottesmutter und des Herrn Selbst transparent für die Gegenwart ihrer Person. Die Verehrung, die diesen Abbildern dargebracht wird, geht über auf deren Urbilder, gilt also den Personen, nicht den Bildern selbst.

 

 

Seit dem 5./6. Jahrhundert hat sich die Ikonenverehrung zusammen mit der Reliquienverehrung zunehmend ausgebreitet. Im Bilderstreit (726-843) wurde die Ikonenverehrung zum Anlass für einen Versuch des Staates, den Einfluss der Kirche im Byzantinischen Reich zu brechen. Die Ursachen für den Ausbruch des Bilderstreites waren verschiedenartig: einerseits war die Kirche, und vor allem das Mönchtum, zu einer Kraft im Byzantinischen Reich geworden, an der der Staat nicht einfach vorbei kam. Andererseits musste der Kaiser als Feldherr von seinen islamischen Gegnern immer wieder hören, die Christen seien Götzendiener, da sie Bilder anbeteten. Zudem kamen in Bezug auf die Bilderverehrung tatsächlich auch zunehmend Missbräuche vor, gegen die die Bischöfe einschreiten mussten. Dies nun nahm Leon III., der Isaurier, der auf allen Gebieten eine absolute Herrschaft anstrebte und den Einfluss der Mönche zu brechen suchte, zum Anlass, 726 ein erstes Edikt gegen die Bilderverehrung zu erlassen. Dieses Edikt und seine Verschärfungen in den folgenden Jahren führte nicht nur zur Zerstörung von unzähligen Ikonen und Bildern in den Kirchen und in Häusern, sondern auch zu Aufständen in Griechenland und Italien und vor allem zu einer allgemeinen Verfolgung der Mönche im ganzen Byzantinischen Reich. Es scheint, als sei für Leon III. und seinen Nachfolger Konstantin V. Kopronymos die Bilderfrage vor allem ein Vorwand gewesen, das Mönchtum auszurotten und damit den Einfluss der Kirche auf das Volk zurückzudämmen. 

 

 

Die bilderfreundliche Kaiserin Irene stellte die Verfolgungen ein und ließ 787 das Siebte Ökumenische Konzil von Nikäa in Freiheit über die Bilderfrage verhandeln, worauf die Bilderverehrung wieder hergestellt wurde mit der Bestimmung, dass den Bildern, wie dem Heiligen Kreuz, dem Evangelienbuch, den Reliquien und allen Heiligen nur die ehrfürchtige Verehrung (timitike proskynesis) nicht aber die wahre Anbetung (alithine latreia) zukomme. Doch unter den folgenden Kaisern flammte die Verfolgung der bilderfreundlichen Opposition gegen den Staatsabsolutismus erneut auf. Erst unter Kaiserin Theodora wurde am ersten Fastensonntag 843 in einem feierlichen Akt in der Hagia Sophia zu Konstantinopel die Entscheidung von 787 wieder in Kraft gesetzt. Seither feiert die Orthodoxe Kirche jedes Jahr am ersten Fastensonntag das Gedächtnis des Sieges der Orthodoxie durch eine Prozession mit den Bildern und das Verlesen der Konzilsbeschlüsse (Synodikon).

 

 

Gilt also das Bilderverbot des Alten Bundes für die Orthodoxe Kirche nicht mehr?

 

Es gilt für die Christen nicht mehr in gleicher Weise wie für die Juden. Denn Christus ist des Gesetzes Ziel (Römer 10:4). Das aber heißt: Mit Christus ist die äußerliche, buchstäbliche Befolgung des Gesetzes einem freieren, verinnerlichten Tun Seines Willens gewichen. Das Bilderverbot im Judentum hatte im wesentlichen zwei Gründe: Es war verboten, Gott abzubilden, weil Gott der menschlichen Vorstellungskraft nicht fassbar ist. Es war ferner verboten, Bilder (das heißt Menschen- und Tierdarstellungen) zu verehren, weil sie dadurch an Gottes Stelle treten.

 

Auch im orthodoxen Christentum ist es nicht erlaubt, Gott als Vater und Schöpfer anders als in der Gestalt Christi darzustellen. Denn durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ist der Unsichtbare uns erschienen und hat eine menschliche Gestalt angenommen, zu der es gehört, dass sie auch im Bilde dargestellt werden kann. Dabei ist es nach orthodoxem Verständnis wichtig, dass mit dieser Darstellung auf die ganze Person Christi, d.h. auf Seine Menschheit und Seine Gottheit, hingewiesen wird. Dies aber ist nur möglich, weil seit dem 3./4. Jahrhundert die christliche Kunst allmählich eine Symbolsprache entwickelt hat, in der deutlich zum Ausdruck kommt, dass das Bild nicht als solches der verehrungswürdige Gegenstand ist, sondern vielmehr auf diesen hinweist. Das Bild ist also nach orthodoxem Verständnis als Symbol zu verstehen, und nur so kann es ohne Gefahr, Götzenbild zu werden, verehrt werden.

 

Wichtigstes Merkmal des symbolhaften Bildes ist seine Zweidimensionalität (d.h. das Fehlen der Perspektive oder auch die ,umgekehrte Perspektive). Durch das Fehlen der Wirklichkeitsillusion wird sichtbar, dass das Bild nicht selbst die Wirklichkeit darstellt, um die es geht, sondern diese lediglich abbildet. Es gibt daher in orthodoxen Kirchen keine Statuen oder dreidimensionale Darstellungen (Kruzifixe), die verehrt werden. Nach orthodoxer Auffassung sind diese bis heute dem Volk Gottes verboten, weil sie der Verführung zum Götzendienst keinen Widerstand entgegensetzen.

 

Als Festkontakion zum Gedächtnis des Sieges der Orthodoxie singen wir am ersten Sonntag in den Großen Fasten:

 

„Das unbegrenzte Wort des Vaters ward begrenzt durch die Fleischwerdung aus dir, Gottesgebärerin. In dir wurde das befleckte Abbild verwandelt in den ursprünglichen Zustand und erfüllt mit der göttlichen Schönheit des Urbildes. Wir aber, indem wir das Heil bekennen, stellen dies dar in Werken und Worten.“ 

 

Quelle Andreasbote

 

 

 

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Aus dem Synodikon des 7. Ökumenischen Konzils

 

(Lesung während der Prozession mit den Heiligen Ikonen)

 

Wie die Propheten sahen, wie die Apostel lehrten, wie die Kirche übernahm, wie dieLehrer bestimmten, wie die ganze Christenheit übereinstimmend glaubt, wie die Gnade leuchtet, wie die Wahrheit bewiesen wird, wie die Lüge abgestoßen wird, wie die Weisheit bekundete, wie Christus bestätigte, so glauben wir, so reden wir, so bekennen wirChristus unseren wahren Gott, und Seine Heiligen lobpreisen wir in Schriften, Gedanken, Opfern, Kirchen und Ikonen. Christus unseren Gott und Gebieter beten wir mit Ehrfurcht an, und Seinen Heiligen erweisen wir wegen des gemeinsamen Gebieters, die ihnen als Seine wahren Diener gebührende Verehrung.

Dies ist der Glaube der Apostel, dies ist der Glaube der Väter, dies ist der Glaube der Orthodoxendieser Glaube hat die Christenheit gefestigt. Die Prediger der Frömmigkeit verehren wir, brüderlich und liebevoll. Zur Ehre und zum Lob der Frömmigkeit um die sie kämpften preisen wir sie und sprechen:

Den Vorkämpfern der Orthodoxie, den frommen Königen, den heiligen Patriarchen, Bischöfen, Kirchenlehrern, Martyrern und Bekennern ewiges Gedenken.

Lasset uns von den Heiligen erflehen, dass sie uns durch ihr Ringen um Frömmigkeit und ihre Lehren erbauen und in Gott festigen, damit wir treue Nachahmer ihrer Lebensführungwerden, und dass die Gnade und das Erbarmen des Größten und Ersten Hohenpriesters, Christus, unseres wahren Gottes uns überschütte, auf die Fürbitten unserer hochgelobten und ruhmreichen Herrin, der Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria und der gottähnlichen Engel und aller Heiligen.

 

Wo ist ein Gott, so groß wie unser Gott? Du allein bist der Gott, der Wunder tut.

 

Heute ist die Rettung der Welt geschehen; preisen wir den vom Grab Erstandenen und Lenker unseres Lebens, weil Er durch den Tod den Tod bezwungen und uns gab den Sieg und das große Erbarmen. Amen.

 

 

 

Der Heiliger Gregor Palamas

 

zu seinem Gedächtnis am zweiten Sonntag in der Großen Fastenzeit

 

Gregor Palamas wurde 1296 geboren, nachdem seine Eltern durch die türkische Invasion von Kleinasien nach Konstantinopel vertrieben worden waren. Bis 1316 beschäftigte sich Gregor mit weltlichen Studien, den klassischen Grundlagen, durch die ihm aristotelisches Denken vermittelt wurde. Palamas betrachtet die aristotelische Logik als reine Übung, eine Technik der Argumentation, die für einen Christen nützlich und legitim ist. Um das Jahr 1316 entschied sich Gregor plötzlich, beeinflusst durch die Begegnung mit berühmten Mönchen in Konstantinopel und dem Heiligen Berg Athos, der monastischen Berufung zu folgen.

 

Er praktizierte eine Gebetsform, Hesychasmus genannt, was wir jetzt Meditation nennen (Hesychia bedeutet Stille). Bei dieser Form wird eine körperliche Disziplin verwendet, um seinen Geist mit Gott zu vereinen durch die dauernde Wiederholung des Namens Jesus, des Christus, gewöhnlich in der Form des Jesus-Gebets: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner des Sünders.“ Die hesychastischen Mönche behaupteten durch den Gebrauch dieser Gebetsmethode eine echte Vereinigung mit Gott zu erfahren, einschließlich der Schau des Ungeschaffenen Lichtes Gottes, wie es Mose auf dem Berg Sinai gesehen hat, und die Apostel bei der Verklärung Christi auf dem Berg Thabor.

 

Im Jahre 1326 kam der Kalabrese Barlaam, ein früherer griechischer Uniat und Vertreter der aufblühenden humanistischen Tradition der westlichen Renaissance nach Konstantinopel. Barlaam und einige byzantinische Humanisten, die von westlichen philosophischen und theologischen Ideen beeinflusst waren, machten sich über die Praxis des hesychastischen Gebets lustig. Sie bestritten die Möglichkeit für Menschen in echter Vereinigung mit Gott zu sein. Im Jahre 1333 griff Gregor Palamas die Haltung Barlaams an und verteidigte den Hesychasmus. Er begründete die Orthodoxe Lehre, dass der Mensch wirklich Gott erkennen und sich mit Ihm vereinigen kann, durch Christus, das Wort und die Ungeschaffene Energie, den Heiligen Geist der Dreieinheit. 

 

Wesen und Energie

 

Ein Konzil unterstützte 1346 die Lehre des Gregor. Der heilige Mönch machte die berühmte Unterscheidung zwischen dem unergründlichen Wesen Gottes und den Wirkungen oder Energien Gottes, die wahrhaft ungeschaffen und göttlich (wie das göttliche Licht) sind. Diese Energien sind der menschlichen Teilhabe, Erkenntnis und Erfahrung als Heiliger Geist zugänglich. 

 

Nach einigen Jahren politischer Unruhe und theologischer Kontroverse unterstützten Konzilien in den Jahren 1347 und 1351 (in diesem Jahr wurde Gregor Erzbischof von Thessaloniki) nochmals die Position des Gregor als mit der Bibel und der Tradition der Orthodoxen Kirche genau übereinstimmend. Seit dieser Zeit ist die theologische Unterscheidung zwischen dem Wesen Gottes und den Energien Gottes offiziell Teil der Lehre der Orthodoxen Kirche. Gregorios Palamas wurde 1368 durch die Orthodoxe Kirche heilig gesprochen, gerade neun Jahre nach seinem Tod im Jahre 1359.

 

Quelle: Zusammenfassung aus Father Thomas Hopko;

The Orthodox Faith, vol III, Bible and Church History;

in Andreasbote März 2005

 

 

Predigt zum 2. Fasten-Sonntag

 

Am zweiten Sonntag der Großen Fastenzeit gedenkt die orthodoxe Kirche dem Heiligen Gregorios Palamas n diesem Sonntag gedenkt man des Hl. Gregorios Palamas (14. Jahrhundert)  wegen seines orthodoxen Glaubens, seines theologischen Wissens, seines tugendhaften Lebens, seiner Wunder und seiner Bemühungen, die wirklich orthodoxe Lehre zum Thema des Hesychasmus (aus dem Griechischen "ἠσυχία" = Ruhe, Stille) zu erklären.

 

Gedenken unseres Vaters unter den Heiligen

Gregor Palamas, des Erzbischofs von Thessaloniki

 

Warum fasten wir? Warum bringen wir Opfer? Warum stehen wir bei den langen Gottesdiensten? Warum beten wir? Denen, die nach nur zwei Wochen Fasten zu zweifeln und zu schwanken beginnen, gibt die Kirche heute eine Antwort. Diese Antwort ist der Hl. Gregor Palamas, Erzbischof von Thessaloniki im Griechenland des 14. Jahrhunderts, dem der heutige Sonntag geweiht ist.

 

Für viele von euch mag Thessaloniki weit weg sein, aber nicht für mich, denn vor genau 25 Jahren wohnte und arbeitete ich dort ein Jahr lang. Und in Bezug auf den Hl. Gregor Palamas habe ich dort zwei Dinge gesehen.

 

Als erstes habe ich gesehen, dass das Fest des Hl. Gregor Palamas dort auch heute noch mit einer Prozession durch die Stadt mit den heiligen Reliquien gefeiert wird, eskortiert von Matrosen und Polizisten. Vielleicht ist es interessant zu wissen, warum seine irdischen Überreste immer noch so in Ehren gehalten werden.

 

Zweitens besuchte ich einen Ort auf den Hügeln hinter der Stadt Kavalla bei Thessaloniki. Dort kann man immer noch eine Höhle im Fels sehen – das war der Ort, wo Gregor Palamas vor seiner Weihe zum Erzbischof lebte. In dieser Höhle verbrachte er Jahre mit Fasten und Beten. Er achtete nicht auf seinen Leib, sondern strebte die Reinheit des Herzens und damit des Geistes an und erhielt die Gaben des Heiligen Geistes, er erfuhr die Erkenntnis Gottes.

 

Zur selben Zeit nun, als der Heilige Gregor bei strengem Fasten betete, lebte ein kluger Philosoph, ebenfalls ein Grieche, ein Hellenist, namens Barlaam. Er sagte, dass es nach der Logik unmöglich sei Gott zu erkennen, denn Gott wäre definitionsgemäß für den menschlichen Geist unerkennbar und unbegreifbar. Als der Hl. Gregor von Barlaams Philosophie hörte und sie dann studierte, erkannte er in dessen sogenannter Logik eine Gotteslästerung und Häresie. Er erkannte, dass Barlaam es an Reinheit des Herzens mangelte und deshalb dessen Logik die Logik eines Gottlosen war, der nur seiner eigenen Geistes- und Vorstellungskraft vertraute, den geistigen Kräften eines Geschaffenen, nicht des Schöpfers.

 

Sollte nämlich Barlaam recht haben, dann wäre das ganze Werk Christi für uns, von Seiner Empfängnis und Geburt als Mensch, Seine Beschneidung, Sein Empfang im Tempel, Seine Taufe, Seine Kreuzigung, Seine Auferstehung, Seine Himmelfahrt bis zur Sendung des Heiligen Geistes an Pfingsten sinnlos, alles wäre vergeblich. Im Gegensatz zu Barlaam sagte der Hl. Gregor, seit Christus der Schöpfer Mensch und Teil der Schöpfung geworden ist, hat Er der menschlichen Natur die Fähigkeit verliehen heilig zu werden – gleich zu werden Seiner eigenen menschlichen Natur. Durch die Sendung des Heiligen Geistes, hat Er uns allen in unserer menschlichen Natur Zugang zur Heiligkeit verschafft. So wie wir die Sonne durch ihre Energien von Wärme und Licht erkennen, so kann uns Gott erkennbar werden durch die ungeschaf - fenen Energien des Heiligen Geistes.

 

Einfach gesagt, wenn wir die Lehre des Heiligen Gregor verwerfen, dann verwerfen wir alle Werke Christi und dann auch das Kommen des Heiligen Geistes. Barlaams Philosophie würde bedeuten, dass wir Gott nicht erkennen können und dass es keinen Grund für Fasten und Beten gibt. Tatsächlich ist Barlaams Philosophie ein Leugnen Gottes und deshalb der Grundstein für den Atheismus und den Unglauben des letzten Jahrhunderts mit seinen Massakern und Völkermorden mit Hunderten von Millionen Opfern. In der Tat ist die Philosophie des Barlaam die Grundlage für die ganzen neuzeitlichen Ideen, die besagen, dass es keinen Gott gibt, dass der Mensch allein und einsam dem Universum vorsteht, denn es gibt nichts größeres als den Menschen – dass er sich selbst in einem leeren und gottlosen Weltall auf wunderbare Weise geschaffen hat.

 

Der Heilige Gregor behauptete das Gegenteil. Er bekräftigte, dass der Mensch in sich zwei Neigungen trage, eine für das Gute und die Andere für das Böse. Die Neigung zum Guten jedoch kann im Menschen nur durch das Erlangen der Gnade Gottes entfaltet werden, durch die göttlichen Energien, die uns von Gott gesandt werden, nur zugänglich sofern unser Herz und Geist rein genug sind, diese Gnade zu empfangen. Aber diese Gnade, die uns erleuchtet und belebt, kann nur zu uns kommen, wenn wir bereuen, wenn wir fasten und beten, Tränen und Selbstaufopferung auf uns nehmen. 

 

Für uns ist es lebenswichtig zu verstehen, dass die Gedanken des Heiligen Gregor, die er detailliert in seinen Schreiben niederlegt, nicht nur Gedanken sind, nicht nur eine andere Philosophie wie die des Barlaam ist, sondern auf seiner Erfahrung beruhen, dass sie göttlicher Eingebung folgen. Er redete nicht über irgendwelche Ideen, sondern über die Wirklichkeit, die er als Asket in der Höhle, die wir heute noch besichtigen können, erfahren hat. Und schließlich sind es die wunderwirkenden Reliquien des Hl. Gregor, die in einer Prozession noch heute durch die Straßen Thessalonikis getragen werden und nicht der gottlose Staub der Gebeine Barlaams.

 

Dies ist die Wirklichkeit der Kirche, dies ist die Gnade der Energien Gottes, dies ist Heiligkeit, die Erfahrung und Erkenntnis Gottes, nicht eingebildet, nicht die Frucht der Phantasie und des menschlichen Geistes, sondern die Wirklichkeit Gottes, die durch die reinen Herzens und Geistes erkannt und erfahren wird. Denn es steht geschrieben: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“ (Matthäus 5,8). Genau das ist das Ziel von Herz und Geist eines wahren Christen. Heiliger Vater Gregor, bitte zu Gott für uns! 

 

Quelle: http://www.holytrinitymission.org

 

 

zum 2. Fasten-Sonntag

 

Über die Bedeutung unseres Vaters unter den Heiligen Gregor Palamas, des Erzbischofs von Thesaloniki

für die orthodoxe Kirche

 

Predigt des Ehrwürdigen Igumen Josif, des Abtes des Klosters zu Ehren des Heiligen Gregor Palamas (Greek Orthodox Metropolis of Pittsburgh, USA)

 

Manche mag das ja überraschen, aber bis in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts, als westliche, nicht-orthodoxe Theologen und Kirchenmänner noch tonangebend in russischen Akademien waren, und Lutheraner unter dem ersten König von Griechenland (der Lutheraner war) zu Religionsministern ernannt wurden, war der Hl. Gregor Palamas – außer einigen wenigen – fast unbekannt. Obwohl wir ihn den „Erleuchter der Orthodoxie“ nennen und „Säule der Kirche“, war er fast nur in Klöstern bekannt und unter dem einfachen Volk, das ihn liebte.

 

Unwissenheit über ihn ist noch weit verbreitet, obwohl ein ganzer Sonntag in der Großen Fastenzeit ihm gewidmet ist. Ein Buch verweist auf ihn als Mitglied der Familie „Palamas“, als wäre er deswegen bekannt geworden, aber der Name „Palamas“ kommt aus dem Griechischen παλάµη für ‚Kraft, Macht, Geschicklichkeit’ und zeigt die große Ehre, die dem Heiligen Gregor sogar zu seiner Zeit zuteil wurde. Ein Theologe, Vater John Meyendorff, hat den Heiligen Gregor völlig missverstanden, als er meinte, dass ihn die Bogumilen beeinflusst hätten, eine gnostische Religion, die ihren Ursprung in Bulgarien hatte. Andere sehen den Hl. Gregor als theologischen Erneuerer. In Wahrheit aber versteht die Kirche, dass er über die tiefe mystische Theologie der Orthodoxen Kirche schrieb, die über die Väter aus der Zeit der Apostel in Wort und Schrift tradiert worden war. Er fügte nichts Neues hinzu, nahm nichts hinweg und änderte nichts an der Tradition des Glaubens. Aber er konnte alles auf Grund seiner eigenen Erfahrung und seines Wissens über Gott sehr gut erklären. 

 

Der Hl. Gregor sollte uns helfen, uns der wahren Orthodoxie zu besinnen, die lebt und gedeiht, wenn auch manchmal nur unter einer Decke falscher Einflüsse, die sich eingeschlichen haben. Wie ein anderer sagte: „Seine Stimme ist die Stimme der Wahrheit der ganzen Kirche, jenseits der Theologien, jenseits nationaler Interessen, jenseits administrativer Begriffe der Kirche, aus ihrer Seele und ihrem Herzen, das zu allen Menschen spricht – orthodox oder nicht – wenn wir die Vereinigung mit Christus suchen und erfahren.“ 

 

Ich bin so frei zu sagen, dass die „Orthodoxie“, wie sie viele von uns heute kennen, außer ihrem wahren Kern, sich etwas von der erhabenen vollentwickelten Orthodoxie entfernt hat, die der Heilige Gregor Palamas lehrte, und die sowohl im Gottesdienst wie in der Theologie seiner Zeit zu finden war. Unsere menschlichen Schwächen und Kleinlichkeiten haben das verschattet. Viele orthodoxe Gläubige sind zu der Meinung gekommen, dass wir in erster Linie eine Religion des Rituals haben, dass das, was wir tun und wie wir unsere Gottesdienste halten, uns orthodox macht. Wenn das wahr ist, heißt das, dass wir tatsächlich nicht Gott verehren, sondern rituelle Vorgänge und Gesten und dass wir uns in diesem Fall nicht direkt mit Gott vereinigen. Wir „vereinigen“ uns mit Kultur und Sprache und Gebräuchen. Wir haben vergessen, dass unsere Gottesdienste, einfach und bescheiden oder großartig und prächtig, die Teilhabe an der zeitlosen, ewigen Wahrheit Christi unseres Gottes sind, mit dem Höhepunkt in der Teilnahme an der Heiligen Kommunion. „Der Zweck des Dienstes an Gott – wenn man die Stimme Gottes in der Stille vernimmt, Verstand und Augen der Welt verschlossen, konzentriert auf die Fenster zur anderen Welt, die unsere Ikonen sind; unsere Sinne gesättigt vom Weihrauch; unsere Egos demütig gezähmt im frommen Stehen und im Gebet – wurde durchkreuzt... So können wir, wenn wir in den Gebeten, die den Hymnus vor dem Einzug mit dem Evangelium begleiten, das Flehen hören, wenn die heiligen Engel uns begleiten und bei uns sind, wenn wir Christus empfangen, Der wahrhaft gegenwärtig ist unter uns und der zu uns spricht“ durch die von Alters her überkommenen Göttlichen Liturgien der Kirche. 

 

Der Hl. Gregor Palamas mahnt uns zu den tiefen Wahrheiten unseres Glaubens zurückzukehren, zum Sinn des christlichen Lebens – nämlich die Vergöttlichung in Christus zu erlangen – und zur wahren Verehrung des wahren Gottes, die Erleuchtung und Heil sind. Der Hl. Gregor Palamas ruft uns auf, „Teilhaber an der göttlichen Natur“ zu werden, wie die Schrift sagt. Gott bleibt Gott, aber wenn wir mit Ihm vereinigt werden, werden wir, was wir nicht waren, und doch werden wir, was wir geschaffen wurden zu sein, durch Reue und Demut, durch Abtöten unserer Selbsucht, Beschneiden unseres Willens, und Annahme der Kreuze, die auf unsere Schultern gelegt werden, usw. 

 

Schließlich lehrte uns der Heilige Gregor Palamas wie wir zu kämpfen haben und wie wir unter und hinter und durch die Beschwerden und Schwierigkeiten sehen können. Er machte es durch sein eigenes Beispiel. Es gibt keinen besonderen Ruhm für Leiden. Das ist nicht orthodoxe Lehre. Gott verlangt tatsächlich so wenig von uns, aber Er lehrt uns durch die großen Väter wie den Heiligen Gregor Palamas und die hesychastische Tradition der Kirche, wenn wir leiden und das Leiden ohne Murren oder Aufmucken annehmen, dann bestätigen wir die Gegenwart der Gnade Gottes, auch inmitten des Leidens, wie auch inmitten des Glücks und der Freude, denn der Heilige Geist „ist überall und erfüllt alles“. Wir lösen uns liebevoll von der Welt mit ihren Gewinnen und Verlusten, wir lösen uns, wir erheben uns, wir schweben auf den Flügeln des Gebets zu Gott.

 

In Thessaloniki werden bis auf den heutigen Tag am Fest des Heiligen Gregor seine Reliquien in einer Prozession, begleitet von Matrosen und der Polizei, durch die Stadt getragen. Oben auf den Hügeln kann man die Höhle sehen, in der er lebte, bevor er Erzbischof wurde. Dort machte er die direkte Erfahrung und erwarb sein Wissen über den Allmächtigen Gott, durch die Ungeschaffenen Energien. Alles was der Heilige danach lehrte und was sorgfältig bewahrt an uns weitergegeben wurde, hat seinen Ursprung in dieser Zeit und an diesem Ort. Seine Lehren sind nicht bloße „Gedanken“ oder erhabene „Ideen“, nicht einfach eine „christliche Philosophie“, sondern sie sind des Hl. Gregors gelebte Erfahrung mit dem Lebendigen Gott. 

 

Im Traum sah der Heilige Gregor eines Tages, dass er voll Milch des Himmels war, die überlief und sich in Wein verwandelte, der die Luft um ihn mit einem wundervollen Duft erfüllte. Dies war das Zeichen, dass er mit der Ungeschaffenen Gnade erfüllt war und die Zeit gekommen war, anderen die Geheimnisse zu lehren, die ihm offenbart worden waren. 

 

Während seines Lebens war er in große polemische Streitigkeiten verstrickt, wurde ins Gefängnis geworfen, war der Abt eines Klosters auf dem Heiligen Berg, unterhielt eine umfangreiche Korrespondenz und schrieb Bücher zur Verteidigung des Glaubens. Im Jahre 1347 wurde er Erzbischof von Thessaloniki. Später fiel er, während einer Reise nach Konstantinopel, in die Hände der Osmanen, die ihn ein Jahr lang festhielten. Als er nach Thessaloniki zurückkam, wurde er lange krank, aber einige Zeit vor seinem Tod erschien ihm der Hl. Johannes Chrysostomos mit einer Einladung, dem Chor der Heiligen beizutreten. So wurde 1350 der Hl. Gregor zu Gott gerufen, mit dem er auch in seinem Leben schon eng und liebend vereint gewesen war, sein irdischer Leib leuchtend und strahlend als Zeichen für die Gläubigen, dass er Gott erfreut hatte und seine Lehren wahrhaft von Gott waren. 

 

Wir hier unten preisen den Heiligen Gregor Palamas zusammen mit der ganzen Kirche jedes Jahr am 2. Sonntag der Großen Fastenzeit, und machen uns bewusst, dass wir dazu berufen sind vereint zu werden, wie der Hl. Gregor, nicht mit weltlichen Sorgen und Dingen, nicht mit weltlichen Ideen und Moden, sondern mit der Ungeschaffenen Energie des Lebendigen Gottes, dem gebührt aller Ruhm, alle Ehre und Anbetung, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

 

 

3. Fasten-Sonntag

 

Verehrung des Kostbaren und Lebensschaffenden Heiligen Kreuzes 

 

An diesem Sonntag gedenkt die Orthodoxe Kirche des Kostbaren und Lebenspendenden Kreuzes unseres Herrn und Retters Jesus Christus. Die Gottesdienste beinhalten eine besondere Verehrung des Kreuzes durch die Gläubigen im Gedenken an die Kreuzigung während der Großen Woche. 

 

Das Gedenken und der Ritus des 3. Fasten-Sonntags ähneln stark dem Ritus am Fest Kreuzerhöhung (14. September) und bei der Prozession am Fest des Lebenspendenden Kreuzes (1. August). Der Sonntag der Kreuzverehrung bereitet uns nicht nur auf das Gedenken der Kreuzigung vor, sondern er erinnert uns auch daran, dass die ganze Fastenzeit ein Zeitabschnitt ist, in dem wir mit Christus gekreuzigt werden. 

 

Da wir „das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt“ (Galater 5: 24) und uns in diesen 40 Tagen des Fastens gedemütigt haben, wird uns nun das kostbare und lebenspendende Kreuz vor Augen geführt um unsere Seelen zu erfrischen und uns zu ermutigen, die wir vielleicht erfüllt sind mit Bitterkeit, Unwillen und Niedergeschlagenheit. Das Kreuz erinnert uns an die Passion des Herrn und da es uns Ihn als Vorbild zeigt, ermutigt es uns Ihm in Kampf und Opfer zu folgen, und dadurch ermutigt, versichert und getröstet zu werden. Mit anderen Worten, wir müssen erfahren, was der Herr während Seiner Passion erfahren hat – auf schändliche Weise gedemütigt zu werden. Das Kreuz lehrt uns, dass wir durch Schmerz und Leiden die Erfüllung unserer Hoffnungen sehen werden: das himmlische Erbe und ewige Herrlichkeit. 

 

Wie die, welche einen langen und mühsamen Weg gehen und von Müdigkeit befallen werden im Schatten eines blätterreichen Baumes Erholung und Erstarken finden, so finden wir Trost, Erfrischung und Verjüngung unter dem Lebenspendenden Kreuzesbaum, den die Väter in diesen Sonntag ‚gepflanzt’ haben. So gestärkt können wir unsere Fastenreise leichten Schrittes, ausgeruht und ermutigt fortführen. 

 

Oder, wie vor der Ankunft des Königs die königlichen Standarten, Trophäen und Siegeszeichen voraus getragen werden und dann der König selbst im Triumphzug jubelnd und frohlockend ob seines Sieges erscheint und seine Untertanen mit Freude erfüllt, so geht das Fest der Kreuzverehrung dem Kommen unseres Königs Jesus Christus voraus. Es macht uns aufmerksam darauf, dass Er dabei ist Seinen Sieg über den Tod zu verkünden und uns in der Herrlichkeit der Auferstehung zu erscheinen. Sein Lebenspendendes Kreuz ist Sein königliches Zepter und da wir es verehren werden wir mit Freude erfüllt und erweisen Ihm die Ehre. So also werden wir vorbereitet, unseren König willkommen zu heißen, der so offenbar über die Mächte der Finsternis triumphiert. 

 

 

Dieses Fest wurde noch aus einem anderen Grund in die Mitte der Großen Fastenzeit gelegt. Man kann das Fasten mit der Quelle von Mara vergleichen, deren Wasser die Kinder Israels in der Wildnis fanden. Das Wasser war nicht trinkbar weil es zu bitter war, aber süß wurde, als der Prophet Moses ein Stück Holz hineinwarf. Genau so versüßt das Kreuz die Tage des Fastens, die bitter und oft schmerzlich sind wegen unserer Tränen. Doch Christus tröstet uns auf unserem Weg durch die Wüste des Fastens, führt und leitet uns an Seiner Hand zum geistigen Jerusalem hinauf durch die Kraft Seiner Auferstehung. 

 

Zudem wird das Heilige Kreuz der Baum des Lebens genannt und in die Mitte des Fastens gesetzt, wie der Baum des Lebens im Paradies in die Mitte des Gartens Eden gesetzt war. Dadurch wollten die Heiligen Väter uns an die Schlemmerei des Adam erinnern, wie auch an die Tatsache, dass durch diesen Baum die Verbannung getilgt ist. Wenn wir uns also mit dem Kreuz verbinden, werden wir den Tod nicht schauen, sondern das ewige Leben erben. 

 

 

Die Ikone zum Fest der Kreuzverehrung ist die gleiche wie zum Fest der Kreuzerhöhung am 14. September. Darauf ist abgebildet wie Patriarch Makarios hinter dem Altar steht und das Kreuz für alle sichtbar erhebt. Zu beiden Seiten des Patriarchen stehen Diakone. Das erhobene Kreuz ist umgeben von vielen Geistlichen und Laien, die es verehren, zusammen mit der Hl. Helena, der Mutter des Kaisers Konstantin. Im Hintergrund des Bildes ist eine Kuppel zu sehen, welche die Auferstehungskirche in Jerusalem darstellt. Diese Kirche war eine von den Kirchen, die von Kaiser Konstantin an den heiligen Stätten Jerusalems erbaut wurden.

 

Quelle: http://lent.goarch.org/sunday_of_the_cross

 

 

3. Sonntag der Großen Fastenzeit

Sonntag der Kreuzverehrung

 

Hand-Out zur Gemeinde-Kathechese in Balingen am 19.03.2016

 

Thomas Zmija v. Gojan

 

In der Mitte der 40-tägigen Fastenzeit wird am Samstag Abend während der Nachtwache feierlich das Kreuz in die Mitte des Gotteshauses getragen und zur Verehrung auf ein Analoi gelegt.

 

Durch das Gedenken des Leidens und des Todes Christi sollen die Fastenden gestärkt werden. Die gesamte Woche bis zum nachfolgenden Freitag liegt das Kreuz in der Mitte der Kirche aus und wird beim Eintritt ebenso wie bei Verlassen der Kirche sowie während der Gottesdienste kniefällig verehrt.

 

So heißt die vierte Woche der Fastenzeit Kreuzverehrungswoche. Auch die Gottesdienste sind thematisch vom Kreuz bestimmt. In dieser Woche haben wir schon die Hälfte des Weges durch die Große Fastenzeit zurückgelegt.

 

Der geistliche Hintergrund dieses Kreuzverehrungsfestes in Mitten der Fastenzeit ist, dass die Christen auf ihrem geistigen Weg ins himmlische Jerusalem - zum Fest der Auferstehung - das Heilige Kreuz als den Baum des Lebens finden und in seinem Schatten Kraft schöpfen sollen für den weiteren asketischen Weg. Denn durch das Kreuz des Herrn erfahren wir das Strahlen Seines Sieges über den Tod schon voraus. Die Geduld der Fastenden soll noch einmal gestärkt werden indem sie den Blick der Augen ihrer Herzen auf die Lichte Auferstehung des Herrn durch Sein Kreuz hindurch richten. Deshalb lautet auch der Gesang, wenn wir die Ikone des heiligen Kreuzes verehren: "Vor Deinem Kreuz fallen wir nieder, o Gebieter, und Deine heilige Auferstehung verherrlichen wir!"

 

Die orthodoxe Kreuzverehrung will an das erinnern, was an uns im Mysterion  der heiligen Taufe geschehen ist: Durch das dreimalige Untertauchen haben wir sakramental am Kreuzestod Jesu Christi teilgenommen und durch das jeweils darauf folgende Auftauchen schenkte uns Christus auch sakramentalen Anteil an Seiner Macht als der Auferstandene zu einem neuen Lebenswandel. So hat die orthodoxe Kreuzverehrung ihre Grundlage im Heilsmysterion der heiligen Taufe und das heilige Kreuz wiederum ist das wirkmächtige Siegeszeichen unserer Befreiung aus der Allmacht der Herrschaft des Todes. So schließen wir uns als orthodoxe Christen mit unserer Kreuzverehrung liturgisch dem Siegeszug Jesu Christi durch das Totenreich zu unserer Auferstehung am Ostermorgen an. Im Gegensatz zum Empfinden gerade unserer evangelischen Mitchristen ist nicht der innere psychologische Nachvoll­zug des Leidens Christi das Entscheidende, sondern unsere liturgisch-anamnetische Teilnahme an dem, was durch unseren Herrn Jesus Christus am Kreuz geschehen ist. Es ist dieser uns das Heil bringende Tod des Herrn am Kreuz, der uns in unserer heiligen Taufe leibhaft berührt hat und so in die Erlösung durch Christus mit hinein genommen hat. So sind wir durch das dreimaligen Untertauchens während des Vollzugs der heiligen Taufe in geheimnisvoller (sakramentaler) Weise mit dem Tod Christi am Kreuz und Seiner Auferstehung am Ostermorgen verbunden worden, wir sind „eingepflanzt", wie es der heilige Apostel Paulus in seinem Brief an die Kirche von Rom ausdrückt: „So sind wir mit Ihm (Christus) durch die Taufe begraben in den Tod, auf dass wir, gleichwie Christus von den Toten auferweckt ist... auch wir in einem neuen Leben wandeln" (Römer 6:4).

 

Der orthodoxen Verehrung des heiligen, kostbaren und lebensspendenden Kreuzes des Herrn liegen zwei historische Ereignisse zu Grunde: Die Auffindung des Kreuzes zur Zeit des heiligen, apostelgeichen Kaisers Konstantin durch dessen Mutter, die heilige Kaiserin Helena im vierten Jahrhundert und im achten Jahrhundert dessen Rückführung nach Jerusalem unter Herakleios. Diese beiden Ereignisse finden ihr Gedächtnis durch jeweils ein eigenes Fest im orthodoxen Festkalender. Vor allem aber wird das heilige Kreuz während der Großen und Heiligen Woche am Karfreitag verehrt, wenn das Kreuz im Rahmen des liturgischen Gedächtnisses des heiligen Leidens und Sterbens des Herrn aus dem Altarraum zur Verehrung durch die Gläubigen in die Mitte der Kirche getragen wird. Außerdem gibt es im orthodoxen Festkalender noch Prozessionfest für das Heilige Kreuz am 01. August. Dieses Prozessionfest hat seinen Ursprung in Konstantinopel, wo einst während einer Pest-Epidemie der im kaiserlichen Palast aufbewahrte Kreuzpartikel in die Stadt getragen wurde, um der Krankheit Einhalt zu gebieten. In einer Prozessio zog die heilige Reliquie durch alle Häuser und Straßen der Stadt. Dies dauerte insgesamt zwei Wochen. Von da an wurde das Kreuzesholz jährlich zu Beginn des Mutter-Gottes-Mutter-Fasten hinausgetragen und kehrte am letzten Tag vor dem Fest des Entschlafens der Gottesmutter in die Kapelle des kaiserlichen Palastes zurück. Die Kirche in Russland und der Ukraine hat das Fest von den Griechen bei der Christianisierung übernommen. Hier verband sich die Verehrung des Heiligen Kreuzes mit dem Gedenken an die Taufe der Kiewer Rus am 01. August 988.

 

So wird das Heilige Kreuz des Herrn viermal im Kirchenjahr in der orthodoxe Kirche verehrt:

 

Am 14. September, dem Fest der Auffindung und Erhöhung des Heiligen Kreuzes im Jahre 326 in Jerusalem.

 

Am 3. Sonntag in den Großen Fasten vor Ostern, dem Fest der Kreuzverehrung.

 

Am 1. August mit der Prozession des Heiligen Kreuzes um die Kirche.

 

Am Hohen und Heiligen Freitag (Karfreitag) vor Ostern, wenn das Heilige Kreuz im Rahmen des liturgischen Passionsgedächtnisses aus dem Altarraum in die Kirche herausgetragen wird.

 

Schon im Jahre 312 war die Kaiserin Helena in Trier Christin geworden. Als sie dann schon über 70 Jahre alt war, hatte sie im Traum den göttlichen Befehl erhalten, nach Palästina zu reisen, um die heiligen Stätten des Wirkens des Herrn zu finden und würdig auszugestalten. So unternahm die Kaiserin Helena eine Wallfahrt ins Heilige Land und gelangte etwa um das Jahr 326 auch nach Jerusalem, wo ihr die Gnade zuteil wurde das größte aller Heiligtümer aufzufinden - das Heilige Kreuz des Herrn. Mit Hilfe einiger Bewohner der Stadt, die den Aufbewahrungsort des Heiligen Kreuzes noch aus den Erzählungen ihren Vorfahren kannten, begannen damals die Ausgrabungen auf dem Golgotha-Hügel. Der dort zu Zeiten des heidnischen Kaisers Hadrian gebaute Dianatempel wurde mitsamt seinen Fundamenten abgetragen. Unter dem Fundament des heidnischen Tempels trat daraufhin eine Höhle zutage, in der sich drei Kreuze und auch Nägel befanden. Um entscheiden zu können, welches das wahre Kreuz des Heilandes ist, lies der Patriarch von Jerusalem Markarios Kranke herbei bringen. Man legte diesen dann das Holz der verschiedenen Kreuze auf. Die Kranken wurden bei der Berührung durch das wahre Kreuz des Erlösers geheilt. Die Auffindung des Heiligen Kreuzes ereignete sich in der Zeit vor dem Osterfest, so dass eine Großzahl von Pilgern in der Heiligen Stadt zusammengekommen war. Schnell verbreitete sich die Kunde, dass das Kreuzes des Heilandes wiedergefunden war, unter ihnen, so dass die Menschen alle auf Golgotha zusammenströmten. Wegen der großen Menschenmenge konnten aber weder alle Wallfahrer sich dem Heiligen Kreuz nähern, noch es auch nur von Ferne anblicken. Deshalb trug der Patriarch Makarios, assistiert durch die gesamte Geistlichkeit des Stadt, das Heilige Kreuz bis auf die Felsenspitze der Anhöhe von Golgatha. Einige Male hoben sie das heilige Kreuzesholz empor und richteten es so auf, dass alle das Heilige Kreuz sehen konnten. Dabei verneigten sich die Menschen mit einer großen Metanie bis zum Boden und sangen dabei vierzigmal: "Herr, erbarme Dich!". Dies geschah am 13. September des Jahres 326.

 

In den darauf folgenden Jahren ließ Kaiser Konstantin dann die gewaltige Auferstehungskathedrale (Ναός της Αναστάσεως) errichten. Dabei handelte es sich um einen ganzen Gebäudekomplex, dder sowohl den Felsen von Golgotha als den Ort der Kreuzigung des Herrn, als auch die Höhle des Heiligen Grabes sowie die Grotte umfasste, in der die Kaiserin Helena das Heilige Kreuz aufgefunden hatte. Außerdem wurde dort eine Große Basilika errichtet, der Vorläuferbau des "Katholikons der Orthodoxen" in der heutigen Grabeskirche. Dieser Bau wurde aber in seiner heutigen Form erst im 12.Jahrhundert  unter den lateinisch-fränkischen Kreuzfahrern errichtet. Die größten Teile des Heiligen Kreuzes wurden im Altarraum des Katholikons, am sogenannten "himmlischen Ort" hinter dem Altartisch aufbewahrt und an den großen Festtagen kann seither das gläubige Volk im Katholikon die heilige Reliquie verehren. Schon damals aber wurden Teile der Kreuz-Reliquie nach Konstantinopel gebracht und ein Teil des Titulus und das Kreuz des guten Schächers gelangten nach Rom. Dort wurden sie zur Verehrung durch die Gläubigen in der Kirche Santa Croce in Gerusalemme aufgestellt, wo sie sich bis heute befinden. Am 13. September des Jahres 335 wurde dann die konstantinische Basilika über dem Heiligen Grab feierlich eingeweiht.  Am 14. September, dem Tag nach der Kirchweihe, wurde in der neuen Kirche dem Volk zu ersten Mal das Kreuzesholz gezeigt („erhöht“) und zur Verehrung dargereicht.

 

 

Anfang des siebten Jahrhunderts wurde ganz Palästina und auch die Heilige Stadt Jerusalem vom persischen Großkönig, dem Schah-in-Schah Chosrau, eingenommen. Er ließ die Kirchen zerstören und brachte die heiligen Reliquien als Trophäen nach Persien. So wurde es auch das Heilige Kreuz in die persische Hauptstadt gebracht. Auf dem Weg nach  Seleukia-Ktesiphon am Fluss Tigris wurde die heilige Kreuz-Reliquie durch die aramäischen Christen in Mesepotamien verehrt. In dieser für das rhomäische Reich schwierigen Zeit wurde Herakleios I. rhomäischer Kaiser in Konstantinopel. Sogleich begann er mehrere Feldzüge gegen das neupersische Sassanidenreich zu führen. Dabei erlitten die Perser schwere Niederlagen. Eine der Bedingungen in den Friedensverhandlungen war die Rückgabe der Reliquie des heiligen Kreuzes. Das Heilige Kreuz wurde daraufhin an die rhomäischen Christen zurückgegeben und in einer feierlichen Prozession nach Palästina zurückgeführt. Der Kaiser Herakleios selbst trug das Kreuz auf seinen Schultern von den Toren Jerusalems bis zur Auferstehungs-Basilika. Aus Ehrfurcht vor Christus, dem eigentlichen König der Welt, legte der rhomäische Kaiser seine Krone und das kaiserliche Purpurgewand ab und schritt nur mit seinem weißen Untergewand bekleidet durch die Straßen der Heiligen Stadt.

 

Um einen erneuten Verlust des Heiligen Kreuzes zu verhindern, wurde die Reliquie daraufhin in mehrere Partikel geteilt, so dass das heilige Kreuz heutzutage in viele einzelne Stücke geteilt ist. Diese werden in fast allen Ländern der christlichen Welt aufbewahrt. Ein besonders großes Stück wird aber bis heute im Altar des orthodoxen Katholikons in der Jerusalemer Auferstehungskirche (Grabeskirche) aufbewahrt. Auch in Deutschland befinden sich Reliquien des heiligen Kreuzes, so zum Beispiel in Limburg (Limburger Staurothek), in Schwäbisch Gemünd (Würtemberg) und im Benediktinerkloster Scheyern (Bayern). Auch im Wien, wo die fränkischen Reichskleinodien aufbewahrt werden, befindet sich eine Reliquie des heiligen Kreuzes.

 

 

In vielen Kirchen und Klöstern, auch im deutschen Sprachraum, werden Partikel des Heiligen Kreuzes aufbewahrt und verehrt. 

 

- im Hildesheimer Dom im Bernwardskreuz

- in der Kirche Heilig Kreuz und Mariä Himmelfahrt des Klosters Scheyern im Scheyrer Kreuz 

- im ehemaligen Benediktinerkloster Wiblingen in der Ölbergkapelle

- im Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd im Heilig-Kreuz-Reliquiar

 

- in der Kreuzkapelle im Stift Heiligenkreuz in Niederösterreich

 

 

 

Geschichte der Heilig-Kreuz-Reliquie

 

um 325: Die heilige Helena, die Mutter des heiligen Kaisers Konstantin, pilgert ins Heilige Land. Dabei findet sie neben anderen Reliquien, die mit dem Leben Christi in direktem Zusammenhang stehen, auch das Heilige Kreuz.

325: Die Auffindung des Heiligen Kreuzes und des Heiligen Grabes Christi war der Anlass zum Bau der Auferstehungs-Basilika (Grabeskirche) über dem Felsen von Golgotha in Jerusalem. Ein Teil des Kreuzes wurde in die Palastkapelle der heiligen Helena, das spätere Benediktiner-Kloster Santa Croce in Gerusalemme, nach Rom gebracht, ein anderer Teil zu ihrem Sohn nach Konstantinopel. Ein weiterer Teil verblieb in Jerusalem. Davon berichtet uns die römisch-gallische Pilgerin Egeria im Jahre 383:

„In Jerusalem wird ein vergoldetes Kästchen gezeigt, in dem sich ein Teil des Heiligen Kreuzes befindet; es wird geöffnet, das Kreuzholz herausgehoben und zusammen mit der Kreuzinschrift auf den Tisch gelegt.“

614: Der persische Sassanidengeneral Shahrbaraz eroberte Jerusalem und überführte die dortigen Reliquien nach Seleukia- Ktesiphon, wo sie von der christlichen Königin der Königinnen, Schirin, in Empfang genommen wurden.

628: Der Sassanidenkönig Chosrau II. unterlag dem byzantinischen Kaiser Herakleios I. Durch seinen Tod entstanden Machtkämpfe um den Thron. Die Tochter Chosraus II., Boran, schloss mit dem rhomäischen Kaiserreich einen Friedensvertrag ab und veranlasste die Rückgabe der Reliquien.

630: Kaiser Herakleios I bringt das heilige Kreuz nach Jerusalem zurück, wo es erstmals wieder feierlich zu Verehrung durch die Gläubigen aufgestellt wird.

638: Eroberung von Jerusalem durch die Muslime. Die Kreuzpartikel aus der Grabeskirche waren schon vorher nach Konstantinopel in Sicherheit gebracht. Als sich die Situation in der Heiligen Stadt beruhigte hatte, wurden aber Teile der Reliquien wieder in die Auferstehungs-Basilika zurück gebracht.

1099: Die fränkisch-lateinischen Kreuzritter erobern Jerusalem. Auf ihrer Suche  nach dem „wahren Kreuz" stoßen sie auf einen syrischen Christen, dessen Familie einen Partikel des heiligen Kreuz hütete. Da er sich weigerte, es herauszugeben, trieb man ihm brennende Pinienspäne unter die Nägel und brach ihm Knochen, bis er das Versteck preisgab. Seither wurde das Kreuz bei allen wichtigen Feldzügen und Schlachten gegen die Muslime (Sarazenen) mitgeführt.

1187: Nach Aussage der lateinischen mittelalterlicher Quellen geriet der Kreuzpartikel, der sich in den Händen der fränkisch-lateinischen Ritter befand, während der Schlacht bei Hattin im Jahre 1187 in die Hände der Muslime und ist seither verschollen.

1204: Lateinisch-fränkische Kreuzfahrer erobern während des vierten Kreuzzugs Konstantinopel. Dabei fallen der erobern die in Konstantinopel aufbewahrten Reliquienteile des Heiligen Kreuzes in die Hände. Diese werden oft vielfach geteilt, so dass  hunderte kleine Reliquienpartikel und kleine Stücke von Kreuzrittern aus Konstantinopel nach Westeuropa gebracht werden. Die Kölner Königschronik (Chronica regia Coloniensis), berichtet zum Jahre 1204: "Nach der Eroberung der Stadt wurden unschätzbare Reichtümer gefunden... und auch ein Teil des Kreuzes des Herrn, das, von Helena aus Jerusalem überführt und mit Gold und kostbaren Edelsteinen geschmückt, dort höchste Verehrung erfuhr. Es wurde von den anwesenden Bischöfen zerteilt und mit anderen sehr kostbaren Reliquien unter den Rittern aufgeteilt; später, nach deren Rückkehr in die Heimat, wurde es Kirchen und Klöstern gestiftet".

 

 

m Sonntag der Kreuzverehrung, dem dritten Sonntag in der Großen Fastenzeit, wird am Ende des Morgengottesdienstes (nach traditioneller Praxis in Verbindung mit einer Nachtwache (Vigil)) oder am Ende der Göttlichen Liturgie ein besonderer Gottesdienst gefeiert.

 

Das Ikone des Heiligen Kreuz wird mit Basilikum oder Narzissen geschmückt und in feierlicher Prozession zum Gesang des Dreimalheilig durch die Kirche getragen. Dann wird es auf einem Tisch vor dem Volk aufgestellt und das Festtropar (Tropar des Heiligen Kreuzes) gesungen. Wenn der Priester das Kreuz verehrt, singt zuerst er und dann das Volk „Dein Kreuz verehren wir, Herr, und Deine heilige Auferstehung preisen wir.“ Dann verehren die Gläubigen das Kreuz und erhalten vom Priester Blumen oder Basilikum (Nach der griechischen Tradition).

 

 

Die Verehrung des Heiligen Kreuzes 

 

Nach der Großen Doxologie trägt der Priester unter dem Gesang des Heiliger Gott das Kreuz zur Verehrung durch die Gläubigen in die Kirche. Nachdem er das Kreuz auf ein Analoi in der Mitte der Kirche gelegt hat, vollzieht er drei große Metanien, wobei der Chor jeweils singt:

 

das folgende Troparion dreimal im 6. Ton:

 

Dein Kreuz verehren wir, Herr. Und Deine heilige Auferstehung preisen wir!

 

nach dem Priester verehrt auch das versammelte Volk

das Heilige Kreuz. Der Chor singt dabei:

 

Idiomelon des Kaiser Leons des Weisen

 

Kommt, Ihr Gläubigen, heute lasst uns verehren das lebenspendende Holz, an dem Christus, der König der Herrlichkeit, freiwillig ausgespannt Seine Arme und uns erhöht hat zur ursprünglichen Seligkeit; uns, die einst der Feind durch des Essens Lust beraubt und von Gottes Gemeinschaft geschieden hat. Kommt, Ihr Gläubigen, lasst uns verehren das Holz, durch das wir gewürdigt wurden, die Häupter der unsichtbaren Feinde zu zertreten. Kommt, all Ihr Völker der Heiden, mit Lobpreis zu verehren das Kreuz des Herrn. Freue Dich, Kreuz, des gefallenen Adams vollkommene Erlösung. In Dir rühmen sich unsere gottesfürchtigen Könige, denn in Deiner Kraft haben machtvoll sie unterworfen Ismaels Volk. Dich küssen voll Furcht jetzt wir Christen und preisen den an Dich geschlagenen Gott und sprechen: Du an das Kreuz geschlagener Herr, erbarme Dich unser, Du allein Guter und Menschenliebender.

 

Stichiron im 8. Ton

 

Heute wird ans Kreuz geschlagen der Gebieter über die Schöpfung, der Herr der Herrlichkeit. Heute wird Seine Seite von der Lanze durchbohrt. Heute kostet Galle und Essig die süße Wonne der Kirche. Heute wird mit einem Kranz von Dornen gekrönt, der den Himmel mit Wolken bedeckt. Heute wird mit einem Spottgewand bekleidet und von irdener Hand geschlagen, der mit Seiner Hand den Menschen gebildet hat. Heute gewährt Seinen Rücken den Geißelhieben, der den Himmel mit Wolken umhüllt. Heute empfängt Er Bespeiung und Hiebe, Verspottung und Faustschläge. Heute erträgt Er alles aus Liebe zu mir, dem Verurteilten, Er, mein Erlöser und Gott, die Welt aus der Irrsal zu erretten in Barmherzigkeit.

 

Ehre und im 8. Ton

 

Heute wird zugänglich mir, der unzugänglich ist in Seinem Wesen. Heute erduldet das Leiden, der mich von den Leidenschaften befreit. Heute wird von ruchlosen Lippen bespien, der das Licht schenkt den Blinden. Heute gewährt Er Seinen Rücken den Geißelhieben für die Gefangenen. Da am Kreuz Ihn sah die allreine Jungfrau, Seine Mutter, rief sie aus unter Qualen: Der Du an Schönheit alle Sterblichen überragst, wie erscheinst Du leblos und entstellt? Ohne Schönheit und Gestalt? Weh' mir, mein Licht, ich kann nicht ertragen, Dich schlafen zu sehen. Es verzehrt sich mein Innerstes, und ein furchtbarer Schmerz durchdringt mir das Herz. Ich preise Deine Leiden, ich neige mich vor Deiner Barmherzigkeit. Langmütiger Herr, Ehre sei Dir.

 

Jetzt und im  6. Ton

 

Heute ist erfüllt die prophetische Verheißung: Siehe, wir beten an an dem Ort, an dem Deine Füße gestanden haben, o Herr. Kostend vom Holz der Erlösung werden wir von der Sünde Leidenschaften befreit auf die Fürbitten der Gottesgebärerin, Du allein Menschenliebender.

 

 

Predigt zum Sonntag der Kreuzverehrung:

 

Erzpriester George Nicozisin war ein bekannter orthodoxer Theologe und Gemeindepriester der St. Nicholas Greek Orthodox Church in St. Louis (Missouri) USA.

 

In der heutigen Evangeliumslesung (Mk 8: 34-9,1) sagt Jesus: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. “ Nach dem Wörterbuch heißt ‚verleugnen’ zurückweisen, bestreiten, als falsch hinstellen. Wenn wir uns auf diese Definitionen beschränken, sind wir der christlichen Selbstverleugnung gegenüber ungerecht. Um besser zu verstehen, was Jesus meint, müssen wir zum griechischen Urtext zurück. Hier heißt es „ἀπαρνησάσθω“, das die Bedeutung von Verzicht und völliger Ablehnung von allem hat, was mit Jesu geplanter Erlösung unser aller unvereinbar ist.

 

Es gibt manche unter uns, die ein enges und begrenztes Verständnis von Selbstverleugnung haben. Wir wählen mehr oder weniger zufallsgesteuert aus, was wir nicht mehr machen wollen, und was wir im Namen des Christentums tun wollen. Wir heißen das „unsere kleinen Kreuze, die wir tragen müssen“. „Ich werde in der Großen Fastenzeit nicht ins Kino gehen/nicht fernsehen.“ So enden wir mit einer Liste von Nebensächlichkeiten, die keine Beziehung zur „Selbstverleugnung“ haben, über die Jesus in unserer heutigen Perikope spricht. Die christusgleiche Selbstverleugnung geht viel tiefer. Sie durchdringt die Fassade, die unsere verborgenen Sünden verdeckt, unsere Unzulänglichkeiten und Fehler.

 

Verzicht heißt nicht, dass wir unsere Lebensbedürfnisse nicht befriedigen dürften, noch dass wir als Bettler in Lumpen herumlaufen müssten. Es heißt auch nicht, dass wir unsere Individualität, Persönlichkeit oder Identität verlieren. Wenn Jesus von der völligen und äußersten Selbstverleugnung redet, meint Er, dass wir unser Aufmerksamkeit heischendes Ego zurückstellen müssen, das uns hindert die Kinder Gottes zu werden, zu denen wir bestimmt waren. Gute Absichten genügen nicht. Deshalb sagt Jesus: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach."

 

„Nimm dein Kreuz und folge mir“ heißt, dass wir unsere Reise zur Erlösung antreten. Wenn der Weg, den wir gehen nicht Gottes ewiges Reich zum Ziel hat, dann sollten wir besser umkehren und den richtigen suchen!

 

„Sein Kreuz auf sich nehmen und Jesus folgen“ heißt sich noch größere Mühe zu geben, wenn diese Augenblicke des Elends, des Unglücks, von Trauer, Verlust und Kummer uns überkommen. Es heißt unseren unkontrollierbaren Zorn beherrschen, unsere unangebrachte Gefühllosigkeit, unsere Ungeduld und unser Ungestüm. Es heißt Temperament und Veranlagung zu bändigen, damit wir sie beherrschen und nicht sie uns.

 

Es gibt noch einen Grund, warum diese Perikope bei der Liturgie am 3. Sonntag der Fastenzeit gelesen wird. Das Synaxarion, der Teil des Buchs für den Orthros, der das Fest des Tages ankündigt und beschreibt, sagt folgendes: 

 

„An diesem Dritten Sonntag der Großen Fastenzeit feiern wir die Verehrung des Kostbaren und Lebenspendenden Kreuzes und deshalb: insoweit als wir uns in den vierzig Tagen des Fastens in gewisser Weise selbst kreuzigen und verzagt, mutlos und nachlässig werden, wird uns das Lebenspendende Kreuz zu unserer geistlichen Erholung und Bestäti - gung, zur Erinnerung an das Leiden Christi und zu unserem Trost dargeboten. Wie die, die einen langen und ermüdenden Weg gehen und einen schönen Baum in vollen Laub sehen in seinem Schatten sich niederlassen und eine zeitlang rasten und dann wie verjüngt ihren Weg wieder aufnehmen, so wurde in die Zeit des Fastens und der schwierigen Reise und der Anstrengung das Lebenspendende Kreuz von den Heiligen Vätern der Kirche in die Mitte gestellt, um Rast und geistliches Labsal zu bieten und uns zu erleichtern und Mut zu machen für die verbleibende Aufgabe.

 

Christus tröstet uns sozusagen in einer Wüste, bis Er uns durch Seine Auferstehung hinaufführt in das geistige Jerusalem. So wie das Kostbare Kreuz, das auch der Baum des Lebens genannt wird, in die Mitte des Paradieses gepflanzt war, so stellten die Heiligen Väter das Kreuz in die Mitte der Heiligen und Großen Fastenzeit, als heilige Mahnung an die Glückseligkeit des Adam und wie er ihrer verlustig ging. Es erinnert uns auch daran, dass wir durch die Teilhabe am Baum des Lebens, dem Kostbaren und Lebenspendenden Kreuz, nicht mehr sterben sondern leben."

 

Der Heilige Johannes Chrysostomos beschreibt das Kreuz auf diese Weise: „Das Kreuz ist der Beweis der Liebe Gottes. Das Kreuz ist die unerschütterliche Mauer, die unbezwingbare Waffe, das Reich der Tugend. Das Kreuz hat unseren Schuldbrief zerrissen und die Macht des Todes bezwungen. Das Kreuz hat uns das Paradies geöffnet, es hat den Räuber eingelassen und das Menschengeschlecht aus dem drohenden Verhängnis in das Reich Gottes geführt.“

 

Jesus spricht noch einmal die Einladung an uns aus, „uns zu verleugnen, unser Kreuz auf uns zu nehmen und Ihm zu folgen.“ Unsere Kirche gibt uns diesen 3. Sonntag der Fastenzeit – die Mitte des Wegs nach Golgotha – um mit Jesus zu rasten, uns geistlich zu erquicken, unsere Fastenreise zu bewerten und sie mit umso größerer Entschlossenheit weiterzuführen. Aber die Initiative liegt bei uns. Der Weg zum Frühling führt durch die Härten des Winters. Es gibt keinen Weg zum OsterSonntag, wenn wir nicht die Schmerzen aller unserer Karfreitage durchleben. Es gibt keinen anderen Weg das ewige Leben zu gewinnen als uns völlig und ganz in Christus zu verleugnen. Wir tun es, wenn wir unser persönliches Kreuz tragen und erdulden und Ihm folgen.

 

Quelle: Andrasbote

 

 

Die Sonntage bis zur Mitte der Großen Fastenzeit 

 

 Rev. George Mastrantonis, Griechische Orthodoxe Erzdiözese von Nordamerika

 

Sonntag des Jüngsten Gerichts oder des Fleischverzichts (Matthäus 25: 31-46)

 

Es ist feste Überzeugung und Glaube der Kirche, dass Christus ein zweites Mal auf die Erde kommen wird, nicht um die Welt zu erlösen, sondern in ‚Herrlichkeit’ um die Welt zu richten. Jemand könnte fragen: Da Gott das Schicksal jedes Einzelnen im Voraus kennt, warum hat er nicht verhindert, dass Ungläubige und Missetäter geboren werden, wenn sie dann auf ewig verdammt werden? Das Schicksal der Menschen wird hier auf Erden bestimmt, denn nach dem Tod gibt es keine Gelegenheit mehr für Reue um seinen Zustand zu verbessern. Des Menschen endlicher Geist kann Gottes Liebe für seine Erlösung und für sein Urteil zur Verdammnis nicht begreifen. Doch ist hier der Mittelpunkt des Glaubens, dass es einen Höchsten Richter gibt für diejenigen, die während ihrer irdischen Zeit unentdeckt und unbestraft Frevel und Missetaten begangen haben. Wenn wir uns der Großen Fastenzeit und Ostern nähern wird der Christ gemahnt, seine Fehler durch Fasten, Beten und Almosengeben zu korrigieren, wie es in der Evangeliumsperikope dieses Tages steht. Das Jüngste Gericht wird jeden Menschen nach den guten Werken, die er als Ergebnis seines Glaubens an Gott und seine Anbetung getan hat. Diese guten Werke sind an die ‚Geringsten’ gerichtet, an die in Not, wie Christus selbst sagt, „was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan“ (Vers 45). 

 

Sonntag der Vergebung oder Käse-Fastensonntag (Matthäus 6: 14-21)

 

Das Thema dieses Sonntags bezieht sich auf die Vertreibung Adams aus dem Paradies. Adam im Paradies missbrauchte seine Freiheit dazu sich selbst zu erlauben vom Bösen verführt zu werden, um das Gebot zu missachten, nicht von der Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen. Der Bö- se überzeugte ihn, dass er durch diese Tat mehr wissen würde als Gott. In ihrer Hymnologie zeigt uns die Kirche den Zustand Adams außerhalb des Paradieses, wie er weint und hart für seinen Lebensunterhalt arbeitet. Die Evangeliumsperikope des Tages bezieht sich auf die Art des Betens, Fastens und Almosengebens und auf alle guten Werke. Diese müssen im Verborgenen getan werden, ohne sich ihrer zu rühmen. Der Sinn des Sonntags ist Gottes Nachsicht mit der menschlichen Schwäche, „denn wenn ihr den Menschen Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (V. 14-15). Dies wird auch im Herrengebet betont.

 

Die Woche (sechs Tage) vor dem Käse-Fastensonntag und nach dem Sonntag des Fleischverzichts ist die Ergänzung der Periode der Großen Fastenzeit auf vierzig Tage (ohne Samstage und Sonntage). Der Name beinhaltet, dass das Fasten dieser Woche der allmähliche Übergang, vom Fleischessen zum strikten Fasten der Fastenzeit ist, die am nächsten Tag, Montag, beginnt. Die erste Woche der Fastenzeit endet mit dem Sonntag der Orthodoxie

 

1. Fastensonntag – Sonntag der Orthodoxie (Johannes 1: 43-52)

 

Dieser Sonntag gedenkt der Rückkehr der Ikonen in die Kirchen aufgrund der Entscheidung des Siebenten Ökumenischen Konzils (787). Die Kirche bestimmte, dass diese Feier jedes Jahr am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit als Sonntag der Orthodoxie, beginnend mit dem 11. März 843, stattfinden soll. Jedes Jahr an diesem Sonntag wird der Triumph des Glaubens der Orthodoxie mit Gepränge gefeiert. Nach dem Hl. Johannes von Damaskus ist die Ikone Christi eine ausdrückliche Bestätigung und Erinnerung an die Tatsache Seiner Fleischwerdung, die eine lebenswichtige Bedeutung für das Heil der Gläubigen hat, eine Bestätigung, die bis heute in der Orthodoxen Kirche maß- geblich ist. Die Feier des Tages umfasst eine prunkvolle und andächtige Prozession mit der Ikone Christi um die Kirche. Der Sonntag der Orthodoxie fordert die Menschen auf, sich wieder der tiefen Bedeutung ihres Glaubens zu widmen und einstimmig zu erklären: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“

 

2. Fastensonntag – Heiliger Gregor Palamas (Markus 2: 1-12)

 

Dieser Sonntag erinnert an das Leben des Heiligen Gregor Palamas (14. Jahrhundert). Die Kirche weiht diesen Sonntag dem Heiligen Gregor für seinen orthodoxen Glauben, sein theologisches Wissen, sein tugendhaftes Leben, seine Wunder und sein Bemühen, die orthodoxe Lehre vom Hesychasmus (aus dem Griechischen für ‚Ruhe’) zu erklären. Hesychasmus war ein System des Mystizismus, das auf dem heiligen Berg Athos im 14. Jahrhundert von Mönchen verbreitet wurde, die glaubten, dass Menschen durch ein sorgfältig ausgearbeitetes System asketischer Praktiken, basierend auf der vollkommenen Ruhe von Leib und Seele, eine Sicht des Göttlichen Lichts erreichen können, mit der genauen Unterscheidung zwischen dem Wesen und den Energien Gottes. Gregor wurde bekannt durch seine Bemühungen, den Unterschied zwischen der richtigen Lehre und seiner Theorie zu erklären. Gregor widmete sich einem asketischen Leben von Gebet und Fasten, wie es in der Großen Fastenzeit praktiziert wird.

 

3. Fastensonntag – Sonntag der Kreuzverehrung (Markus 8: 34-9,1)

 

Dieser Sonntag erinnert an das verehrungswürdige Kreuz und die Kreuzigung Jesu Christi. Das Kreuz als solches bekommt Sinn und Verehrung wegen der Kreuzigung Christi an ihm. Deshalb ist verständlich, dass das Kreuz, sei es in Hymnen oder Gebeten, ohne Christus keinen Sinn oder Platz im Christentum hat. Die Verehrung des Kreuzes zur Mitte der Großen Fastenzeit soll die Gläubigen jetzt schon an die Kreuzigung Christi erinnern. Deshalb beziehen sich die Perikopen und die Hymnen auf die Passion, das Leiden, Jesu Christi: die Perikopen dieses Tages wiederholen die Berufung des Christen durch Christus, ihm sein Leben zu weihen, denn „wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Vers 34).

 

Der Vers zeigt klar die Art der Hingabe, die vom Christen benötigt wird, in drei Schritten:

 

1. Seines Hochmuts und Ungehorsams gegen Gottes Plan zu entsagen

 

2. sein persönliches Kreuz (die Schwierigkeiten des Lebens) zu tragen mit Geduld, Glaube und der vollen Annahme des Willens Gottes, ohne zu klagen, dass die Last zu schwer sei; wer sich selbst verleugnet hat und sein Kreuz trägt, wird geführt zu der

 

3. Entscheidung, Christus nachzufolgen.

 

Diese drei freiwilligen Schritte sind drei Glieder, die nicht voneinander getrennt werden können, denn die hauptsächliche Kraft sie tun zu können ist die Gnade Gottes, die der Mensch immer anruft. Die Verehrung des Kreuzes wird durch die Gläubigen ausgedrückt in Gebeten, im Fasten, im Almosengeben und in der Vergebung der Übertretungen anderer. An diesem Sonntag wird der Kreuzverehrung in einem besonderen Gottesdienst gedacht, der der Göttlichen Liturgie folgt und in dem die Bedeutung des Kreuzes darin gezeigt wird, dass es zur Auferstehung Christi führt.