Jahrekreis des Heiles-                               Pfingsten bis Kreuzerhöhung

 

Die Sommermonate des kirchlichen Jahres 

Thomas Zmija

 

Die Sommermonate des kirchlichen Jahreskreises sind angefüllt mit einer Folge kirchlicher Feste, die sich gleich Perlen auf einer Kette aneinanderreihen. Der Monat August beginnt mit den Feiertagen zu Ehren des heiligen Seraphim von Sarov, des heiligen Prophet Elias, der heiligen Maria Magdalena und des heiligen Großmärtyrers und Uneigennützigen (Arztes) Panteleimon. In der Mitte des Monats August wird – wie an Kreuzerhöhung – zum Beginn des Gottesmutterfastens das Kreuz zur Verehrung in die Mitte der Kirche getragen und das Weihwasser geweiht, sowie der erste Honig des neuen Jahres. Auch wird mit dem Gedenktag an die Taufe der Kiewer Rus an die Christianisierung der drei ostslawischen Völker und mit ihnen aller anderen, die daraufhin aus diesem Taufbrunnen von Kiew bis in die Gegenwart den heiligen orthodoxen Glauben empfangen haben, gedacht. Drei Feste unseres Gottes, Herrn und Erlösers Jesus Christus liegen im August. Über das Erste der Herrenfeste, das "Heraustragung des ehrwürdigen Kreuzes unseres Herrn und das Fest des Allbarmherzigen Erlösers und der Allerheiligsten Gottesgebärerin haben wir bereits gesprochen. Da nach der russischen Tradition an diesem Tag der erste Honig geweiht wird, heißt dieses Fest im Volksmund "Honig-Erlöser-(Fest)". Das zweite der Herrenfeste im August ist eines der zwölf Hochfeste, die Verklärung (μεταμόρφωσις = Verwandlung) des Herrn (ПРЕОБРАЖЕНИЕ ГОСПОДНЕ), an dem die heiligen Apostel Petrus, Jakobus und Johannes das vergöttlichendes Licht auf dem Berge Tabor erblickten. Es ist das Fest der Gottesschau inmitten der Marienfasten, also der Fastenzeit, die uns zum Fest des „Entschlafens der allheiligen Gottesgebärerin“ hinführt. Hier feiern wir, dass der österliche Sieg Christi über den Tod, die Auferstehung, durch das ganz von Gottes Gegenwart erfülltes und auf der Teilhabe an Seiner Gnade ausgerichtetes Leben der allheiligen Gottesmutter vollendet wird. Am Fest der Verklärung werden die ersten Trauben und Früchte des Jahres gesegnet. Da in Russland keine Weintrauben wachsen, heißt das Fest im dortigen Volksmund "Apfel-Erlöser-(Fest)". Das drittes der Herrenfeste ist das Fest der "Übertragung des nicht von Menschenhand geschaffenen Bildnisses unseres Herrn Jesus Christus" von Edessa nach Konstantinopel. Der September bringt uns mit dem neuen Schuljahr zugleich auch den Beginn des kirchlichen Neuen Jahres. Am ersten September beginnt mit dem geheiligten siebten Monat der neue Lauf des kirchlichen Jahreskreises. Nach dessen siebtem Tag weist uns der symbolhafte Festtermin für das Fest der "Geburt der allheiligen Gottesgebärerin" am 08. September mit der Zahl für die eschatologische Fülle (= acht) auf die Fülle des in Jesus Christus gekommenen Heiles hin. Mit dem Fest der "Geburt der allheiligen Gottesgebärerin" beginnt die Kirche die Festreihe, die uns zum Gedenken des Beginns unserer Erlösung am Weihnachtstag führen wird. Diesem Fest folgt dann am 14. September das Fest der Erhöhung des heiligen und lebensspendenden Kreuzes". Der Ursprung dieses Festes liegt in der Wiederauffindung des Kreuzes Christi durch die heilige apostelgleiche Kaiserin Helena. Daraufhin wurde die heilige Kreuzreliquie in der Anastasis (Grabes)-Kirche in Jerusalem gezeigt. Heute gibt es noch etwa 350 Partikel der Kreuzes Christi in aller Welt. Auch in Deutschland gibt es an verschiedenen Orten soche Kreuzpartikel, so in Schwäbisch Gemünd, In Scheyern und in Limburg. Von Jerusalem aus verbreitete sich die Kreuzverehrung, darunter auch der kirchliche Brauch, im Gottesdienst Kreuzreliquien und Kreuzdarstellungen dem Volk zur Verehrung zu zeigen (sie zu „erhöhen“ = hochzuhalten), wie es bis heute in allen orthodoxen Bischofskirchen geschieht.

 

Mit dem Fest des Schutzes der allheiligen Gottesgebärerin (Покро́в Пресвято́й Богоро́дицы) am 01. Oktober schließt sich dann schon mit dem Beginn des Herbst der Reigen der sommerlichen Feste. Während die slavische Tradition dieses Fest am 01. Oktober begeht, feiert die griechische Tradition das Fest Ἡ ἁγίας Σκέπης τῆς ὑπεραγίας Θεοτόκου erst am 28. Oktober.

 

 

Pfingsten – Festtag der Allheiligen Dreieinheit

 

„Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“

 

Taten der Heiligen Apostel (Apostelgeschichte) 2:1-11

 

 

Der Samstag vor dem Pfingstfest

 

Вселенская Троицкая Родительская суббота

 

Der Samstag, der auf den sechsten Sonntag nach Ostern folgt, ist die Vigil des Pfingstfestes. Dieser Samstag hat in der byzantinischen liturgischen Tradition einen doppelten Charakter.

 

Einerseits trägt er den Namen „Samstag der Toten“. Er ist dem Gebet für die Verstorbenen gewidmet. Wir haben schon am Samstag, der auf den Sonntag des verlorenen Sohnes, an der Schwelle der Fastenzeit, folgt, besonders der Gläubigen gedacht, die diese irdische Welt verlassen haben. An dem letzten Tag der Osterzeit beten wir erneut für sie, denn die glorreiche Auferstehung Christi ist Ursache und Voraussetzung der Auferstehung allen Fleisches. Die Gottesdienste dieses Tages sind identisch mit denen des „Samstags der Toten“ vor der Fastenzeit. Die Epistel (1.Thessalonicher 4: l3-16) der Liturgie ermuntert uns, uns „über die Verstorbenen“ nicht zu grämen „wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen.“

 

Das Evangelium (Johannes 5: 24-30) lässt uns diese Worte Jesu hören: „Amen, Amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen. Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben... Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht.“

 

Im Gegensatz zu den beiden abendländischen theologischen Denktraditionen mit der katholischen Lehre vom Fegefeuer und der damit im Gegensatz stehenden protestantischen Rechtfertigungslehre hat unsere orthodoxe Kirche hat keine Glaubenssätze definiert über den Reinigungsmodus der Seelen der Verstorbenen, die noch nicht zur göttlichen Anschauung und Freude zugelassen sind. Aber sie lädt uns ein, für die Seelen zu beten; sie zweifelt nicht, dass unsere Fürbitte ihnen helfen kann, von Licht zu Licht fortzuschreiten. So beten wir mit den Worten der Kirche dieses Gebet aus dem  heutigen Morgengottesdienst: „Gib, o Herr, Deinen Knechten und Mägden die Ruhe im Land der Lebenden, wo aller Schmerz, alle Trübsal und alles Seufzen entflieht. Vergib ihnen als Menschenliebender die Sünden, die sie in diesem Leben begangen haben, denn du allein bist ohne Sünde und du allein bist barmherzig, Gebieter der Lebenden und der Toten.“

 

 

Das Gebet für die zu Gott Entschlafenen darf uns nicht den anderen Aspekt dieses Samstags vergessen lassen. Es ist der letzte Tag der Osterzeit und der Vortag des Pfingstfestes.

 

Unsere orthodoxe Kirche deutet die sieben Wochen der Osterzeit nicht nur als verlängertes, die Ewigkeit vorwegnehmendes Pas´cha, sondern ebenso sehr als ein kontinuierliches, sich entfaltendes Pfingsten. Indem sie am Abend des Ostersonntags das Evangelium von der Spendung des Heiligen Geistes verkündet (Johannes 20: 19-23), stellt sie das Osterereignis in die Betrachtungsperspektive von Pfingsten: Der Auferstandene tritt in die Mitte Seiner Jünger und spendet zuerst ihnen und durch sie dann Seiner ganzen orthodoxen Kirche – den Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist durch den Empfang der Heiligen Myronsalbung mit Seinen Gaben (Charismen) in jedem Gläubigen gegenwärtig.

 

Durch die Wiedergeburt, die wir im Sakrament der Heiligen Taufe empfangen und durch die Salbung mit dem Heiligen Geist, die wir im Sakrament der Myronsalbung empfangen, werden alle Getauften in die Heilige Kirche als dem geistlichen Tempel und Leib Christi eingefügt. Dabei erhalten alle Orthodoxen durch das Wirken des Heiligen Geist auch Anteil am „Priestertum aller Getauften“. Sie werden dadurch erst befähigt die Werke eines christlichen Menschen zu vollbringen und geistige Opfer darbringen, die machtvolle Taten zu bekennen und durch ein christlich-orthodoxes Leben das heilige Evangelium Christi zu verkünden (vgl.: 1. Petrus 2:4–10). Als wichtigste Gabe des Heiligen Geistes erhalten die Gläubigen zugleich auch das Charisma des Gebetes  (vgl. Apostelgeschichte 2: 42–47). Die Gaben des Heiligen Geistes befähigen den Christen erst, „sein ganzes Leben Christus, Gott zu überliefern“, das heißt, sich als eine lebendige, heilige und wohlgefällige Opfergabe Gott darbringen (vgl.: Römer 12:1).

 

Außer dem gemeinsamen Priestertum alles Getauften gibt es in der Kirche auch das sakramentale Priestertum. Dieses Sakrament ist von Christus selbst vor Seiner glorreichen Himmelfahrt im Obergemach (Abendmahlssaal) an den Heiligen Aposteln vollzogen und damit eingesetzt worden (vgl.: Johannes 20: 19-23). Dieses sakramentale Priestertum ist aber nicht Ausdruck einer klerikalen Herrschaft in der Kirche, sondern ein Priestertum des Dienstes für die Gläubigen (Laien). Deshalb sind in der orthodoxen Kirche das sakramentale Priestertum und das gemeinsamen Priestertum aller Getauften  auch organisch aufeinander zugeordnet. Das sakramentale Priestertum in der Kirche bildet durch sein besonderes, heiliges Charisma, das durch den Empfang der Weihe im dem Sakrament der Handauflegung (Cheirotonie) empfangen wird, das priesterliche Volk Gottes (Laos) geistlich heran, indem es die Gottesdienste vollzieht und das Heilige Evangelium verkündet sowie die heiligen Mysterien (Sakramente) vollzieht.  

 

Deshalb vollzieht das sakramentale Priestertum auch die Göttliche Liturgie, in der das reine eucharistische Opfer Gott dargebracht wird. Die Göttliche Liturgie wird vom Bischof und den Priestern im Namen des Volkes Gottes und für das Volk Gottes (Laos) vollzogen. Diese Darbringung vollzieht der Bischof oder der von ihm beauftragte Priester jedoch nicht für sich selbst, sondern als „Ikone Christi“ inmitten der Kirche und für die Kirche Christi. So vollzieht sich die Darbringung der Gebete und der eucharistischen Gaben immer im Namen des ganzen Volkes Gottes. Die Gläubigen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit. Sie üben ihr Priestertum aller Getauften aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligmäßigen Lebens, durch Askese (Selbstüberwindung) und durch die tätige Nächstenliebe. So konkretisiert sich das charismatische Wirken des Heiligen Geistes mit der Fülle Seiner Gaben vor allem in der Feier der Göttlichen Liturgie. Hier versammeln sich die durch die Heilige Myronsalbung mit dem Priestertum der Anbetung begabten Gläubigen um ihren, mit der Gabe des sakramentalen Priestertums ausgestatteten Bischof - oder um den von ihm beauftragten Priester - um in der Epiklese, dem Gebet um das Gnadenwirken des Heiligen Geistes an den vorgelegten Gaben und an der versammelten Gemeinde (= Kirche), die Wandlung beider in den wahren Leib Christi zu erbitten. So wird, wie durch das Wirken des Heiligen Geistes an den versammelten Aposteln zu Pfingsten auch jetzt während der Feier der Göttlichen Liturgie durch das Wirken des Heiligen Geistes an der versammelten Kirche und den vorgelegten Heiligen Gaben die Heilige Orthodoxe Kirche gebildet. Insofern ist jede Liturgiefeier nicht nur eine Anamnese (Vergegenwärtigung) von Ostern (Auferstehung), sondern zugleich auch eine Anamnese des Pfingstfestes (Sendung des Heiligen Geistes).

 

 

Die Gebete für die Verstorbenen

zum Seelensamstag vor Pfingsten 

 

Vater Serafim Pâtrunjel 

 

Der Du als Menschenliebender in der Weisheit Tiefe alles regierst und allen zuteilst, was ihnen frommt, Du einziger Schöpfer, gib, Herr, Erquickung den Seelen Deiner Knechte. Denn auf Dich, den Schöpfer und Bildner, unseren Gott, haben sie ihre Hoffnung gesetzt.

 

Pentekostarion aus der Vesper das Troparion

 

Die Gebete für die Verstorbenen und die Reinigungsopfer waren zur Zeit des Alten Testamentes bekannt und wurden praktiziert! (2. Makkabäer 12:42- 46) Das liturgische Gedächtnis für die Verstorbenen und die Almosen für sie zielen in der Kirche auf die Erfüllung einer frohen Hoffnung hin. Gott bestimmt niemanden im voraus für die Hölle und schickt niemanden dorthin, sondern er will, dass alle den Segen (1. Petrus 3: 9) erlangen. Obwohl die Zeit der Umkehr und der Rettung in diesem Leben ist (2. Korinther 6: 2) betet die Kirche für die Verstorbenen mit der Hoffnung, dass bis zum Jüngsten Gericht die Möglichkeit des Wechsels des Zustandes, in dem sich die Verstorbenen befinden, besteht. Für diejenigen, die in der Unterwelt sind, hoffen wir auf eine Verbesserung des Zustandes, sogar auf ihr Übergehen zum Seligkeitszustand durch das Erbarmen Gottes. Für die im Seligkeitszustand sich Befindenden hoffen wir, dass unsere Gebete ihre Freude vermehren werden. Die Kirche stellte und stellt keine Spekulationen bezüglich der Änderungen des Zustandes an, die als Folge ihrer Gebete geschehen sollen. Sie betet einfach für alle zu Gott und läßt Gott in Seiner Güte und Gerechtigkeit das ewige Schicksal jedes einzelnen bestimmen.

 

Gib, unser Heiland, mit den Heiligen Erquickung Deinen Knechten und laß sie sich in Deinen Höfen lagern, so wie geschrieben steht. Vergib ihnen, Guter, ihre Sünden, die freiwilligen und unfreiwilligen und alle, die in Kenntnis oder Unkenntnis geschehen sind, einziger Menschenfreund.

 

Pentekostarion aus dem Morgengottesdienst zum 2. Kathisma

 

 

Auch im Gebet für die Verstorbenen rufen wir die Mutter Gottes, die auch unsere Mutter ist, an, die unsere Schwächen genau kennt und wegen ihrer Heiligkeit viel vor dem Gebieter vermag:

 

Die aus der Zeitlichkeit von uns geschieden sind, laß wohnen in der Erwählten Gezelten und mit den Gerechten erquicke sie, Heiland, Du einzig Unsterblicher. Denn wenn sie als Menschen auf Erden gesündigt haben, wohlan, als sündeloser Herr vergib ihnen ihre freiwilligen und unfreiwilligen Fehler durch die Vermittlung der Gottesgebärerin, die Dich geboren hat, damit wir einstimmig für sie rufen: Halleluja.

 

Pentekostarion im Morgengottesdienst das Kontakion 

 

Die Kirche betet für alle Verstorbenen. Alle Menschen sind unsere Geschwister in Christus und haben das gleiche Ziel zu erreichen. Das Reich Gottes strebt, alle zu umfassen, unsere Liebe richtet sich auf alle, so dass wir sie alle im Gebet vor Gott bringen, hoffnungsvoll angesichts Seiner Güte: 

 

Der Du durch Deinen Willen das All schufst, erquicke die Christen, die gläubig gestorben sind, Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, Geschwister und Freunde, Reiche und Arme, Könige und Herrscher, wie auch Einsiedler, Gott, dort, wo die Scharen Deiner Gerechten und Deiner Heiligen sind, Du, die Wohnung aller. Zu Dir flehen wir, der Du leicht zur Versöhnung bereit bist, o Herr, Christus, König, schenke ihnen die Vergebung der Fehler, durch die sich alle Deine Knechte verfehlt haben.

Pentekostarion im Morgengottesdienst zum Kathisma

 

 

Worum beten wir für die Verstorbenen?

 

Unser Gebet für die Verstorbenen zielt auf ihre Erquickung und auf ihr ewig glückliches Leben ab. Wir wissen nicht, wo sich jemand, der aus diesem Leben geschieden ist, befindet. Auch wenn wir oft Vermutungen haben, können wir den Ort und den Zustand der Verstorbenen nicht kennen. Der einzige Kenner der Herzen, der ein rechtes Urteil haben kann, ist Gott. Weil wir wissen, dass bis zum universalen Gericht weder die Freude noch die Verdammung der Seele ewig sind, beten wir um die Erquickung aller:

 

Geruhe, dass an Deiner unsagbaren Herrlichkeit Anteil erlangen, o Christus, die zu Dir hingeschieden sind, dort, wo die Wohnung der Jauchzenden ist, wo die Stimme reinen Jubels erschallt.

 

Pentekostarion aus dem Kanon im Morgengottesdienst 4. Ode das 2. Stichiron

 

Unter den Heiligen gib Erquickung, Christus, den Seelen Deiner Knechte, dort, wo weder Mühsal noch Trauer noch Seufzen ist, sondern endloses Leben. 

 

Pentekostarion, aus dem Kanon im Morgengottesdienst nach der 6. Ode das Kontakion

 

Geruhe, Christus, dass die im Glauben Hingeschiedenen an Deinem strahlenden und göttlichen Licht Anteil erlangen, und schenke ihnen Erquickung in Abrahams Schoß, Du als einzig Erbarmender, und der ewigen Seligkeit würdige sie.

 

Pentekostarion aus dem Kanon im Morgengottesdienst 9. Ode das 2. Stichiron

 

 

Das Land der Sanftmütigen“ (Kanon im Morgengottesdienst, 8. Ode, 3. Stichiron), „der Schoß Abrahams“ (Kanon im Morgengottesdienst, 9. Ode, 2. Stichiron), der Ort, wo „weder Mühsal noch Trauer noch Seufzen ist, sondern endloses Leben“ (Kanon im Morgengottesdienst das Kontakion) und „das Land der Lebenden“ (Morgengottesdienst das 7. Lobpreisstichiron) sind unsere Bezeichnungen für den Ort und den Zustand der Seligkeit, was wir mit einem Wort „Paradies“nennen. „Paradies“ bezeichnet sowohl den Bereich Gottes, die Gemeinschaft mit Ihm, die persönliche Anwesenheit des verherrlichten Herrn (Matthäus 24:30; Apokalypse 1: 7), als auch den Zustand derer, die gesiegt haben (Apokalypse 2: 7). Die Kirche betet, dass alle zu Bürgern des Paradieses werden, wo sie die ewige, aus Gott hervorströmende Seligkeit genießen.

 

Wenn Du auf Deiner Herrlichkeit Throne mit Engeln kommen wirst, um über die Erde Gericht zu halten, dann erfülle die Seelen Deiner Knechte mit Deiner göttlichen Freude, dass sie ohne Ende singen und rufen: Gepriesen bist Du, Gott unserer Väter.

 

Pentekostarion im Morgengottesdienst die 7. Ode das 1. Stichiron

 

 

 Über das Hervorgehen des Heiligen Geistes

 

Die Frage nach dem Hervorgehen des Heiligen Geistes ist unmittelbar mit der Unterscheidung zwischen dem Wesen und den Energien Gottes verbunden. Sie kann ohne diese Voraussetzung nicht richtig interpretiert werden. Der Heilige Geist ist die dritte Person der Trinität. Gleichzeitig aber wird auch die Gnade bzw. die Energie Gottes »Heiliger Geist« genannt. Der Hl. Geist als Person geht nur vom Vater aus. Der Heilige Geist als Gnade oder Energie Gottes geht zwar vom Vater, aber auch vom Sohn wie auch vom Heiligen Geist selbst aus. Anders gesagt: Der Heilige Geist als Gnade Gottes geht von allen drei Personen der Trinität aus, weil die Energie allen drei Personen gemeinsam ist.

 

Als Christus zu seinen Jüngern vom Heilige Geist sprach, sagte er: »Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir.« (1. Johannes 15: 26)  Die beiden Verben »senden« und »ausgehen« und besonders der grammatische Wechsel in der Zeitform zeigen den Unterschied zwischen dem ewigen Ausgehen des Heiligen Geistes und seiner Sendung in der Zeit. Christus verspricht, dass er seinen Jüngern den Hl. Geist senden wird, der ewig vom Vater ausgeht. Das Erscheinen des Heiligen Geistes in Raum und Zeit ist mit der Person Christi verbunden, so wie auch umgekehrt Christi Erscheinen in Raum und Zeit mit der Person des Heiligen Geistes verbunden ist. Das letztere aber bedeutet nicht, dass der Sohn vom Heiligen Geist gezeugt wird, ebenso wie auch das erstere nicht bedeutet, dass der Heilige Geist auch vom Sohn ausgeht (filioque). 

 

Das "Filioque" ist eine falsche theologische Ansicht über das Hervorgehen des Heiligen Geistes. Im lateinischen Westen vertrat bereits Augustinus von Hippo, dass der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgehen würde. Seine Vorstellungen und Argumentationsweise dominiert bis heute sowohl das katholische als auch die evangelische theologische Denken, so dass das "filioque" dann im 11. Jahrhundert von der römischen Kirche einseitig in das Glaubensbekenntnis (Nicäno-Konstantinopolitanum) eingefügt wurde. Da das Glaubensbekenntnis wie die gesamte Feier der Heiligen Messe auf Latein vorgetragen wurde, wurde der Ausdruck Filioque (= "und dem Sohn“) in der Folge zum Fachbegriff der hieraus folgenden theologischen Kontroverse.

Nach der Ansicht der Lateiner geht der Heilige Geist seinem Ursprung und nicht nur seiner Sendung nach „aus dem Vater und dem Sohn hervor“. Diese Neuerung im Glaubensbekenntnis verstößt aber gegen die Kanones des Dritten Ökumenischen Konzils (431), die derartige Schritte untersagen und mit dem Anathema belegen. Während die Lateiner seit dem Großen Schisma (1054) immer wieder versucht haben, die Rechtgläubigkeit des "Filioque" zu erweisen ( z.B.: Thomas von Aquin: Opusculum contra errores Graecorum ad Urbanum IV) wurde diese Denken im christlichen Osten als dem rechten Glauben nicht angemessen immer abgelehnt. Die lateinische, heterodoxe Position sieht den Sohn gemeinsam mit dem Vater als ewigen Ursprung des Heiligen Geistes. Dadurch wird jedoch eine falsche Kategorie in das theologische Denken über die Heilige Dreiheit eingeführt, die den ewigen Ursprung und die soteriologische Sendung des Heiligen Geistes nicht unterscheidet. Im lateinischen Westen kam es später, auf diesen heterodoxen Anschauungen fußend, deshalb auch zur Formulierung einer juridischen Erlösungslehre des Anselm von Canterbury und hierauf aufbauend, zur Formulierung der reformatorischen Rechtfertigungslehre. Deshalb ist heute für viele protestantische Theologen das "Filioque" eine  Conditio sine qua non reformatorisch verstandener Theologie.

Die orthodoxe Kirche betrachtet diese Entwicklung im Denken der lateinischen Kirche mehrheitlich als eine Häresie, die neue Kategorien in die Gotteslehre einführt und die Unterscheidung zwischen dem ewigen Ursprung des Heiligen Geistes allein aus dem Vater und der soteriologische Sendung des Heiligen Geistes durch Vater und Sohn nicht mehr vornimmt. So sagen die Heiligen Väter in Bezug auf die soteriologische Sendung, dass der Heilige Geist aus dem Vater durch (dia) den Sohn hervorgeht (Hl. Maximus Confessor). Jedoch bedeutet die soteriologische Sendung nicht, dass der Sohn damit zugleich auch ewiger (Mit-) Ursprung (αιτών) des Heiligen Geistes ist. Der heilige Patriarch Photios der Große von Konstantinopel hat die fehlende Rechtgläubigkeit des "Filioque" in seiner „Abhandlung über die Mystagogie des Heiligen Geistes“ besonders klar und unmissverständlich herausgestellt. Der Heilige Photios beschreibt das "Filioque" deutlich als eine Häresie der Trinitätslehre (Τριαδολογία), die auf den Wesenskern dessen abzielt, was die Kirche über das Sein Gottes glaubt. Insofern ist das Filoque für die Orthodoxen auch heute im ökumenischen Dialog kein missverständliches, aber grundsätzlich mögliches Theologumenon, sondern eine ernste und nicht akzeptable Verdunkelung (Häresie) des christlichen Glaubens.

 

 

Das Erscheinen der Gnade des Heiligen Geistes in der Welt, was das gemeinsame Werk aller drei Personen der Gottheit ist oder seine Sendung nach der Himmelfahrt Christi zur Vollendung von dessen Erlösungswerk und zum Aufbau der Kirche dürfen nicht mit dem ewigen Hervorgehen des Heiligen Geistes als Person aus dem Vater verwechselt werden. Der Vater ist der einzige Ursprung der Gottheit. Der Vater zeugt den Sohn und bringt den Heiligen Geist aus sich hervor. Im Prozess der Heilsgeschichte »teilen sich die drei Personen die Zeit, indem jede einzelne zum Vorschein kommt und mit ihr immer auch die übrigen zum Vorschein bringt« (Heiliger Gregor Palamas: Über das Hervorgehen des Heiligen Geistes) . So erscheint zuerst der Vater, dann der Sohn und endlich der Heilige Geist . 

 

Die Lehre, dass der Heilige Geist als Hypostase, als Person also, nicht nur vom Vater, sondern auch vom Sohn ("filioque") ausgeht, wurde im westlichen Christentum diskutiert und schließlich als verbindliche dogmatische Wahrheit festgelegt. Es handelt sich dabei nicht um eine einfache theologische Sondermeinung, sondern um eine dogmatische Neuerung, die sich auf den Kern des christlichen Glaubens, nämlich auf das Trinitätsdogma, bezieht. Die Auseinandersetzung um das »filioque« erscheint nach orthodoxer Auffassung als erstes charakteristisches Anzeichen einer Ideologisierung der Theologie. Während die frühere gemeinsame Theologie des Westens und des Ostens auf der Heilsgeschichte beruhte, also auf dem Erscheinen Gottes in der Geschichte und auf der Erfahrung der Anwesenheit Gottes seitens der Glieder der Kirche, wurde durch das »filioque« eine »neue Theologie« eingeführt. Dies begann, als die rechtgläubigen Christen in Spanien, die im Arianischen Streit die Gleichheit des Sohnes und des Vaters auszudrücken versuchten, behaupteten, auch der Sohn bringe den Heiligen Geist hervor. Die Durchsetzung dieser Ideologisierung erfolgte viel später durch die Intervention der politischen Macht. Im Jahre 810 hat Papst Leo III. die Forderung Karls des Großen abgelehnt, das »filioque« in das Glaubensbekenntnis aufzunehmen. Um seine Ablehnung zu unterstreichen, ließ der Papst den authentischen Text des Glaubensbekenntnisses (ohne "filioque") in griechischer und lateinischer Sprache auf zwei Silbertafeln schreiben und in der Peterskirche aufstellen. Die endgültige Aufnahme des »filioque« in das Glaubensbekenntnis scheint unter Papst Benedikt VIII. um das Jahr 1014 stattgefunden zu haben. Schließlich wurde das »filioque« zum Kennzeichen des westlichen Christentums. Damit war ein wesentlicher Gegensatz zwischen Ost und West entstanden, der bis heute immer noch fortbesteht.

 

Quelle: Andreasbote

 

 

Beachte, ich bitte dich, wie der Geist genau zu der Zeit kommt, da sie im Gebet versammelt sind, da sie Liebe zueinander haben.

Hl. Johannes Chrysostomos

 

Durch jenen Sturmwind wurden die geistigen Kräfte der Boshaftigkeit und alle unreinen Dämonen aus der Luft ausgetrieben und zerstreut.

Hl. Gregor Dialogos

 

Es heißt: "wie von einem daherfahrenden, gewaltigen Winde". Das zeigt, daß ihnen (den Aposteln) nichts in der Lage sein wird zu widerstehen, sondern daß sie alle ihre Feinde wie Staub zerstreuen werden.

Hl. Johannes Chrysostomos

 

Entsprechend erschien der Geist in Gestalt des Feuers, denn Er treibt aus einem jeden Herzen, das Er erfüllt, die Gefühlskälte und entflammt es mit der Liebe zum Ewigen.

Hl. Gregor Dialogos

 

Weshalb erschien er im Bilde von Zungen? – Um zu zeigen, dass Er mit dem göttlichen Wort verwandt ist, denn dem Wort ist nichts so verwandt wie die Zunge; zugleich aber auch zur Gnadengabe des Lehrens, denn der Lehrer in Christus braucht eine begnadete Zunge.

Hl. Gregor Palamas

 

 

Der Herrentag der heiligen Pfingstfeier, die Sendung des Heiligen Geistes und die Feier des Dreieinen Gottes

 

Die Pentekóste, das Fünfzig-Tage-Fest, von dem sich die deutsche Benennung „Pfingsten“ herleitet, ist die griechische Bezeichnung für das jüdische „Wochenfest“. Es wurde sieben Wochen nach der Pas’cha-Feier im Frühsomer als freudiges Dankfest für die Getreideernte begangen. (Im Herbst, Anfang Oktober, wurde das Laubhüttenfest als Dank für die Traubenernte gefeiert.) Beim Wochenfest brachte man zwei Brote aus der neuen Weizenernte im Tempel dar. Nach der Zerstörung des Tempels erhielt das Fest einen neuen Inhalt; es wurde zu einem Dankfest für die Offenbarung und das Geschenk des Gesetzes am Sinai.

 

 

In der Zahl „fünfzig“ kommt für die mit der Symbolsprache vertrauten Christen der Frühzeit die Fülle der Offenbarung und ihre Vollendung zum Ausdruck. Diese Zahl ist die Summe aus 7 x 7 + 1, und der Pfingstsonntag ist der 8. Ostersonntag. Die Zahl „acht“ ist das Ergebnis aus 7 + 1 und die Zahl der Vollendung. Gott hatte die Welt in sieben Tagen erschaffen; die „sieben“ ist die Zahl der Fülle. Am 8. Tag aber, dem 1. Tag der neuen Woche, ist Christus von den Toten auferstanden; die Zahl „acht“ bedeutet Neuschöpfung und Erfüllung. Die von Lukas in der Apostelgeschichte geschilderte Geistsendung ist die Erfüllung der Verheißung des Propheten Joel und der Geistzusage des Auferstandenen; zugleich ist sie das erste Erntefest der Kirche, die unter dem Wirken des Heiligen Geistes die Erstlingsfrüchte der Christusverkündigung heimführt. Der Kreis der Anwesenden bei dem Pfingstfest ist nicht näher bestimmt. Nach der Apostelgeschichte (Apostelgeschichte  1: 15) waren anfangs hundertzwanzig Personen versammelt; jetzt sind es offensichtlich die zwölf Apostel, an denen sich das Wunder vollzieht. Das plötzliche und unfassbare Geheimnis der Geistsendung wird in Bildern des Sturmes, des Feuers und der Sprachengabe offenbar, in Zeichen, die schon im Alten Testament Gottesoffenbarungen begleitet haben. Eine göttliche Kraft, der Geist des verklärten Christus ist es, der die Jünger zu einer neuen Gemeinschaft zusammenführt und zur Missionsarbeit befähigt, so dass nach der Predigt des Petrus „an die dreitausend Seelen“ der Kirche eingegliedert wurden.

 

 

Im Sprachenwunder des Pfingstereignisses wurde die babylonische Sprachverwirrung aufgehoben. Alle Menschen, gleich welcher Nationalität und Sprache, verstehen die Botschaft Christi, die sich nicht mehr an das eine Volk der Juden richtet, sondern alle Völker im neuen Gottesvolk der Kirche eint. Hatten einst beim Turmbau zu Babel Geist und Hochmut der Menschen zu ihrer Entzweiung geführt, so dass sie sich nicht mehr verstanden, führt nun der Heilige Geist die unterschiedlichen Sprachen in dem gemeinsamen Bekenntnis zu Christus und zu dem dreieinen Gott zusammen.

 

 

Als frühchristliche Überlieferung gibt die Völkerliste der Apostelgeschichte (Apostelgeschichte 2: 9-11), etwa um das Jahr 90 verfasst, zu erkennen, dass das Evangelium von Jerusalem aus bereits das Reich der Parther (Perser) im Osten und das Reich der Römer im Westen, Kappadokien im Norden und Ägypten im Süden erreicht hat.

 

Am Pfingstfest feiert die Kirche die Vollendung der Offenbarung, das Bekenntnis zum dreieinen Gott, wie es im Evangelium geoffenbart ist. Das Fest der Geistsendung ist für die orthodoxen Christen daher das Fest des dreieinen Gottes, das die Kirchen des Abendlandes als Dreifaltigkeitsfest am Sonntag nach Pfingsten begehen. Am Sonntag nach Pfingsten feiert die orthodoxe Kirche das Fest Aller Heiligen, der himmlischen Früchte des Heiligen Geistes. Am Samstag vor Pfingsten aber gedenkt sie der in Hoffnung auf die Vollendung entschlafenen Gläubigen.

 

Pfingsten ist nicht ein einmaliges Ereignis in der frühen Kirchengeschichte gewesen, es ist das bleibende Hochfest des neuen Bundesvolkes, dem Christus verheißen hat: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18: 20).

 

Quelle: Andreasbote

 

 

Das Rufen der Gläubigen zum Heiligen Geist

Pfingstmontag- Das Mitfest des Heiligen Geistes

 

Hieromonach Serafim Pătrunjel vom Kloster Sâmbăta de Sus in Rumänien

 

 

Das Geheimnis des Empfangs des Geistes verläuft parallel zum Mysterium der Menschwerdung. Die heilende Gnade wird uns nicht nur von Christus, sondern auch vom Heiligen Geist gespendet. Der Geist, der Anfangshauch des Vaters, welcher den Menschen zum Lebewesen gemacht hat, ist der, welcher ihn auch vergeistlicht, damit er zum Mitglied des Leibes Christi und Gefäß des Heiligen Geistes wird. Im Heiligen Geist ist unser ganzes Leben. Darum rufen wir ihn beharrlich auf uns herab, um unser Leben instand zu halten. Die ganze Kirche betet in und um den Heiligen Geist. Ihn rufen wir am Pfingsttag an, wenn wir sein Kommen festlich begehen, weil er in diesem Fest seinen Ursprung hat.

 

„Himmlischer König, Tröster, Du Geist der Wahrheit, Allgegenwärtiger und das All Erfüllender, Schatzkammer der Güter und Spender des Lebens, komm, nimm Wohnung in uns, läutere uns von allem Makel und errette, Gütiger, unsere Seelen.“

 

Das ist unser persönliches Gebet und das Gebet der ganzen Kirche, welches am Anfang aller Gottesdienste gebetet wird, durch das wir den Heiligen Geist anrufen, in uns zu wohnen. „Es ist nicht zufällig, daß das Gebet mit der Anrufung als "König" beginnt. Dieser schlichte Ausdruck fasst das evangelische Ziel zusammen: Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen“ (Matthäus 6: 33). Vergeistlicht werden heißt, das Reich des Sohnes, welches gleichzeitig dem Heiligen Geist gehört, zu realisieren. Der Heilige Geist macht uns fähig, ins Reich Gottes einzutreten und es durch Adoption zu erben. Das zweite Attribut, das wir dem Geist zuteilen, ist „Tröster“Er ist der, welcher nach der Himmelfahrt des Sohnes ständig herabkommt, um uns zu trösten. Er ist nämlich selbst der seinen Jüngern von Christus verheißene Trost. 

 

 

„Der Geist der Wahrheit“ — Als der Heiland mit der Samariterin am Jakobsbrunnen redete, sagte er ihr, daß diejenigen, die den Vater anbeten, ihn auch im Geist und in der Wahrheit anbeten sollen. Der Geist und die Wahrheit sind selber Gott, die dritte Person der Heiligsten Dreieinheit, der Heilige Geist. Die wahren Anbeter bitten um die Herabkunft des Geistes über sie, damit ihnen vom Geist geholfen wird, ihre Gebete an den Vater zu richten.

 

 

Weiter bezeugen wir die Allgegenwärtigkeit des Geistes und dass Er die ganze Schöpfung zur Vollendung führt, indem Er alles vollbringt. Vor der Bitte erwähnen wir noch zwei Attribute des Geistes: „Schatzkammer der Güter und Spender des Lebens“. Der Heilige Geist, die dritte Person der Heiligsten Dreieinheit, ist selbst die Güte und das Leben, also Quell der Güter und Ursprung des Lebens. Nach der Erwähnung dieser Attribute, nach unserer Vorbereitung durch das Bewusstmachen der Bedeutung des Heiligen Geistes für uns, folgt der zweite Teil des Gebetes — die Anrufung: „Komm, nimm Wohnung in uns, läutere uns von allem Makel und errette, Gütiger, unsere Seelen!“ Die Idee des Wohnens des Geistes in und unter uns suggeriert uns die authentische Interpretation des Ausdruckes „Gemeinschaft des Geistes“ als wahre Gegenwart des Heiligen Geistes, des Brunnens, aus dem wir uns tränken, des persönlichen Ursprungs der Gnade, dessen wir uns zusammen erfreuen! Die Präsenz des Geistes in uns unterscheidet sich von der Präsenz durch Identifikation.

 

"Nimm Wohnung in uns!“ — „Mach aus uns Deine Wohnung, Dein Zelt, Deinen Tabernakel.“ Wir wissen vom heiligen Apostel Paulus, daß wir Gottes Tempel sein sollen (1. Korinther 3: 16). Das ist die erste Bitte, die wir an den Geist richten: Er soll kommen und in uns wohnen, er soll uns zu Kirchen der Göttlichkeit machen. Diejenigen, die an Pfingsten den Heiligen Geist empfangen hatten, wurden Mitglieder des Leibes Christi, wurden Heilige durch die Heiligkeit selbst und machten aus ihrem Wesen einen Tempel Gottes! Darum beten wir: „Komm, nimm Wohnung in uns.“ Die erste Wirkung des Wohnens des Geistes Gottes in uns ist unsere Reinigung, unsere Purifikation: „Läutere uns von allem Makel“Durch unsere Reinigung von Sünden wird in uns die reinigende Wirkung des Sohnes lebendig gemacht, der uns durch sein Blut geistlich gewaschen hat. Durch das Wohnungnehmen des Geistes in uns eignen wir uns die von Christus, dem Sohn Gottes, realisierte Reinigung selber an, werden lauterer, besser, bereit, das höchste Gut, die Finalität der Sohnes-Oikonomia, anzunehmen. „Und errette, Gütiger, unsere Seelen.“ Unser Heil, unser Eintritt in das Himmelreich, ist das Ziel der ganzen heilenden Wirkung der Heiligsten Dreifaltigkeit, das Ziel unseres Lebens und jeder Liturgie des Volkes Gottes. Dessen sind wir uns bewusst, nicht nur an Pfingsten, sondern sooft wir betend unser Heil durch das Wirken des Heiligen Geistes verlangen.

 

 

Das Mysterion der Allheiligen Dreieinheit Gottes

 

Erzpriester Michail Pomazansky

 

Gott ist Einer im Wesen und Dreifach in den Personen (griechisch: Hypostasen). Das Dogma der Dreieinheit (auch Trinität oder Dreifaltigkeit) ist das zweite grundlegende Dogma des Christentums. Eine ganze Reihe der großen Dogmen der Kirche sind unmittelbar darauf begründet, beginnend vor allen anderen mit dem Dogma unserer Erlösung. 

 

Aufgrund seiner besonderen Wichtigkeit begründet die Lehre von der Allheiligen Dreieinheit den Inhalt aller Glaubensbekenntnisse, welche Verwendung fanden oder noch in der Orthodoxen Kirche finden, genauso wie den der persönlichen Bekenntnisse des Glaubens, die zu verschiedenen Gelegenheiten von den Hirten der Kirche niedergeschrieben worden sind.

 

Weil das Dogma der Dreieinheit das wichtigste aller christlichen Dogmen ist, ist es zugleich das für den begrenzten menschlichen Verstand am schwersten fassbare. So wird auch verständlich, warum in der Geschichte der frühen Kirche kein Kampf derart intensiv ausgefochten wurde wie jener um die damit verbundenen oder zusammenhängenden Wahrheiten.

 

Das Dogma der Heiligen Dreieinheit umfasst zwei fundamentale Wahrheiten:

 

A. Gott ist Einer im Wesen, aber Dreifach in den Personen. Anders gesagt: Gott ist Drei-Einig, Drei-Hypostatisch, Er ist der Dreifaltige Eine im Wesen.

 

B. Die Hypostasen haben personale oder hypostatische Eigenschaften: Gott ist ungezeugt; der Sohn aber ist vom Vater gezeugt und der Heilige Geist geht vom Vater aus.

 

 

Wir beten die All-Heilige Dreieinheit in einem einzigen und untrennbaren Verherrlichung an. Bei den Kirchenvätern und in den Gottesdiensten wird die Dreieinheit oft als die Einheit in der Dreiheit, als eine Dreihypostatische Einheit bezeichnet. In den meisten Fällen, in denen Gebete an die eine Person der Heiligen Dreieinheit gerichtet sind, enden diese mit einer Doxologie an alle drei Personen (zum Beispiel in einem Gebet an den Herrn Jesus Christus: „Denn Dir sei alle Ehre, zusammen mit Deinem unerschaffenen Vater und dem Allheiligen Geist, in alle Ewigkeiten. Amen.“).

 

In den Anrufungen der Allheiligen Dreieinheit wird diese von der Kirche im Singular, nicht in der Pluralform, angesprochen. Zum Beispiel: „Denn Dich (und nicht „Euch“) preisen alle himmlischen Mächte, und Dir (nicht „Euch“) senden wir die Verherrlichung empor, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geiste, jetzt und immerdar und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen.“

 

Im Wissen um die mystischen Natur dieses Dogmas sieht die Kirche Christi darin eine große Offenbarung, welche den christlichen Glauben unvergleichlich über jedes Bekenntnis eines einfachen Monotheismus stellt, wie man solchen in den nichtchristlichen Religionen findet. Das Dogma der drei Personen weist auf die Fülle des mystischen inneren Lebens in Gott hin, denn Gott ist Liebe und die Liebe Gottes kann sich nicht nur auf die von Ihm erschaffene Welt erstrecken, sondern diese Liebe ist auch auf das innergöttliche Leben selbst gerichtet. 

 

Das Dogma der drei Personen weist umso klarer auf die Nähe Gottes zur Welt: Gott über uns, Gott mit uns, Gott in uns und in aller Schöpfung. Über uns ist der Vater, die ewig-fließende Quelle, wie dies in den Gebeten der Kirche zum Ausdruck kommt, die Grundlage alles Seins, der Vater der Barmherzigkeit, Der uns liebt und für uns, Seine Schöpfung, sorgt – denn wir sind der Gnade nach Seine Kinder.

 

 

Mit uns ist der Sohn, von Ihm gezeugt, Der um der göttlichen Liebe willen Selbst als Mensch für die Menschen erschienen ist, so dass wir mit unseren eigenen Augen erkennen und wissen, dass Gott in innigster Nähe zu uns ist – zusammen mit uns Teilhaber von Fleisch und Blut (Hebräer 2: 14) – auf aller-vollkommenste Weise.

 

In uns und in aller Schöpfung ist – durch Seine Kraft und Gnade – der Heilige Geist, Der alle Dinge erfüllt. Er ist der Spender des Lebens, der Lebens- Schöpfer, der Tröster, der Hort und die Quelle aller Güter. 

 

Die Drei Göttlichen Personen, deren Dasein ewig und vor- ewig ist, erschienen der Welt in der Ankunft und der Inkarnation des Sohnes Gottes; sie Selbst sind „eine Macht, ein Wesen, eine Gottheit“ (Stichera zu Pfingsten, Doxologie zu „Herr, ich rufe zu Dir“).

 

Da Gott in Seinem eigentlichen Wesen höchst bewusst in Seinen Gedanken und Seiner Selbst-Erkenntnis ist, so haben auch jede dieser drei ewigen Manifestationen Seiner Selbst als des Einen Gottes ein eigenes Selbst- Bewusstsein, und daher ist jede von Ihnen eine Person. Und diese Personen sind nicht einfach nur Formen oder isolierte Erscheinungen oder Eigenschaften oder Aktivitäten; eher ist es so, dass sie in der eigentlichen Einheit des Wesens Gottes enthalten sind. 

 

Wenn wir daher in der christlichen Lehre von der Dreieinheit Gottes sprechen, so reden wir vom mystischen, inneren, in der Tiefe der Gottheit verborgen Leben, das sich der Welt in der Zeit offenbart: im Neuen Testament, dadurch, dass der Sohn vom Vater in die Welt herabgesandt wurde, und durch die Handlungen des wunderwirkenden, lebensspendenden und mit rettender Kraft versehenen Trösters, des Heiligen Geistes.

 

 

Aus den Kniebeugungsgebeten

in der Vesper am Abend des Pfingstsonntags

 

Allein makelloser, anfangloser, unsichtbarer, unbegreiflicher, unerforschlicher, unveränderlicher, unüberwindlicher, unermesslicher, langmütiger Herr: Du allein hast Unsterblichkeit und wohnst im unzugänglichen Lichte.Du hast den Himmel geschaffen und die Erde und das Meer und alle Geschöpfe in ihnen. Du gewährst allen die Bitten - noch bevor Du gebeten wirst. Dich bitten wir und Dich rufen wir an, menschenliebender Gebieter, Dich, den Vater unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus, Der für uns Menschen und zu unserem Heile von den Himmeln herabgekommen ist und Fleisch angenommen hat vom Heiligen Geiste  und aus der Immerjungfrau und ruhmreichen Gottesgebärerin Maria. Er belehrte uns zuerst durch Worte,  später unterwies Er aber auch durch Taten, als Er das heilbringende Leiden erduldete. Er gab uns ein Vorbild, Deinen Dienern hier unten, obwohl sie sich Deine Gnade nicht verdient haben,  Dir Gebete darzubringen, indem wir Nacken und Knie beugen wegen unserer eigenen Sünden und den unwissentlichen Vergehen allen Volkes. Du selbst, gnadenreicher und menschenliebender Gott, erhöre uns nun  an welchem Tag auch immer wir Dich anrufen,  besonders aber an diesem Tage des Pfingstfestes, an welchem unser Herr Jesus Christus, nachdem Er gen Himmel gefahren war, und sich zu Deiner, des Gottes und Vaters, Rechten gesetzt hatte, den Heiligen Geist auf Seine heiligen Jünger und Aposteln herabgesandt hat; dieser ließ sich auch auf einen jeden von ihnen nieder und sie wurden alle erfüllt mit Seiner unerschöpflichen Gnade und verkündeten in fremden Zungen Deine Großtaten und weissagten. Nun also erhöre uns, die wir Dich bitten, und gedenke unser, die wir ansonsten hier unten hilflos und hoffnungslos sind, und hebe auf die Gefangenschaft unserer Seelen, der Du Milde hast für uns. Nimm uns an, die wir vor Dir niederfallen und rufen: „Wir haben gesündigt“. Zu Dir kommen wir vom Mutterschosse an, denn vom Mutterschosse an bist Du unser Gott. Doch unsere Tage sind verflossen in Nichtigkeiten. Wir haben Deine Hilfe verspielt und jede Rechtfertigung verloren; dennoch rufen wir voll Zuversicht auf Dein Erbarmen: Der Sünden unserer Unreife und unseres Unverstandes gedenke nicht, und reinige uns von unseren verborgenen Sünden; lass uns nicht im Alter verloren sein, wenn unsere Kräfte schwinden, verlasse uns nicht ehe wir in die Erde zurückkehren, mache uns würdig der Umkehr zu Dir, und sei uns geneigt in Huld und Gnade; lege an unsere Sünden den Maßstab Deiner Milde und stelle die Unerschöpflichkeit Deiner Erbarmungen der Menge unserer Sünden gegenüber. Blicke herab, oh Herr, von Deiner heiligen Höhe auf Dein vor Dir stehendes Volk, welches reichliche Gnade von Dir erwartet. Komm zu uns mit Deiner Gnade, reiße uns aus der Gewalt des Teufels; stärke unser Leben durch Deine heiligen und göttlichen Gebote; einem treuen Schutzengel vertraue Dein Volk an; versammle uns alle in Deinem Reich: gewähre Verzeihung denen, die auf Dich hoffen; vergib ihnen und uns die Sünden; reinige uns durch die Wirksamkeit Deines Heiligen Geistes und vernichte die gegen uns gerichteten Ränke des Feindes.Amen.

 

 

Das Fest der allheiligen Dreieinheit -

Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel

 

Der zweite Tag des Pfingstfestes heißt Tag des Heiligen Geistes. Es ist dies immer ein Montag. Genau dieser Tag ist der fünfzigste nach Ostern, deshalb heißt dieser Tag auch Pentekoste (griechisch: Κυριακή της ἁγίας Πεντηκοστής = Πεντηκοστή = “der fünfzigste Tag”) -Pfingsten (russisch: День Свято́й Тро́ицы oder auch Пятидеся́тница). Vor Christus hatte dieses Fest eine andere Bedeutung. Der Pfingsttag wurde in der Zeit des Alten Bundes seit dem Propheten Mose gefeiert, und wurde Wochenfest genannt. Dieses Fest war mit einer Vielzahl von Ritualen verbunden und wurde zur Erinnerung an die auf dem Berg Sinai durch Gott an Mose erfolgte Übergabe der Zehn Gebote eingeführt. Diese fand fünfzig Tage nach dem Auszug des Volkes Gottes aus Ägypten statt, deshalb wurde das Fest auch Pentekoste-Pfingsten genannt. Die Christen verbinden mit diesem Fest jedoch andere Erinnerungen. Die unten beschriebenen Ereignisse sind durch den Evangelisten Lukas nicht im Evangelium, sondern in der Apostelgeschichte berichtet worden. Vor Seinem Leiden und Seinem Tod versprach der Herr den Jüngern, ihnen den Tröster, den Geist der Wahrheit, zu senden. Vor Seiner Himmelfahrt wiederholte Er Sein Versprechen erneut. Nach der Himmelfahrt des Herrn kehrten Seine Jünger und Apostel nach Jerusalem zurück und gingen, wie die Überlieferung sagt, in dasselbe Haus auf dem Berg Zion, wo das letzte Abendmahl stattgefunden hatte. Dorthin waren auch die Mutter Gottes und einige Frauen gekommen. Sie fühlten sich wie eine einzige Familie und beteten alle gemeinsam in Erwartung der Erfüllung der Worte des Herrn und der Herabkunft des Heiligen Geistes und machten sich bereit, Seine Gnadengaben zu empfangen. Am zehnten Tag nach der Himmelfahrt des Herrn, genau an dem Tag, als Pfingsten gefeiert wurde und das Volk, das die Straßen und Plätze der Stadt füllte, zum Tempel ging, hörte man plötzlich um neun Uhr früh (in der dritten Stunde nach der Zeitzählung des Evangeliums) ein lautes Tosen in der Luft, wie es während eines Sturms oder einer starken Windböe geschieht. Dieses Tosen kam vom Himmel und drang langsam in das Haus, wo sich die Apostel versammelt hatten, und füllte alles mit seinem reinen Ton. Es war kein Wind, sondern nur ein Laut, der ihm ähnlich war. In diesem Augenblick erschienen mitten im Haus Zungen von Feuer, sie teilten sich und blieben über dem Haupt jedes Apostels stehen. Das Tosen des Sturms, der das Haus erfüllt hatte, bereitete die Apostel auf die Ankunft des Heiligen Geistes vor, und die Feuerzungen zeigten an, dass Er gekommen war. “Der Sohn Gottes kam sichtbar in die Welt, und auch der Heilige Geist musste sichtbar kommen” sagt der heilige Gregorios der Theologe. Auch früher, als der Heilige Geist bei der Taufe im Jordan auf Christus herabgekommen war, nahm Er die Form einer Taube an, und blieb nicht unsichtbar.

 

 

Dies war das erste Wunder, aber danach geschah ein zweites, ein noch verblüffenderes. Die Apostel und alle, die in dem Haus versammelt waren, als auf sie der Heilige Geist herabkam, begannen plötzlich in allen damals bekannten Sprachen zu reden. Dies war eine der Gaben des Heiligen Geistes. In allen Sprachen verherrlichten die Apostel die Größe Gottes, Seine wunderbaren Taten, deren Zeugen sie geworden waren und deren Sinn sie erst jetzt in ihrer Ganzheit begriffen.

 

In Jerusalem war an diesem Tag eine große Menschenmenge. Nach dem Gesetz des Moses mussten sich die Juden zu Pessach, Pentekoste und zum Laubhüttenfest hier im Tempel versammeln, der für das ganze Volk einzigartig war. Aber viele Juden lebten nicht mehr in Israel, sondern in anderen Ländern, deshalb war es sehr schwer für sie, dieses Gesetz zu befolgen zu weit und zu schwer war der Weg nach Jerusalem. Nur die Frommsten befolgten dieses Gesetz. Nachdem sie nun aus den verschiedensten Ländern nach Jerusalem gekommen und über dieses seltsame Getöse erstaunt waren, strebten viele von ihnen der Quelle dieses Brausens zu dem Haus auf Zion. Als sie näher kamen, hörten sie, dass die Apostel mit jedem von ihnen frei in dessen Sprache redeten: mit den Besuchern aus Persien und Medien, mit den Bewohnern Mesopotamiens, Judäas und Kappadokiens, Phrygiens, Ägyptens und Libyens, mit denen, die aus Rom gekommen waren, mit den bekehrten Heiden, mit den Bewohnern der Insel Kreta und der Wüste Arabiens. Mit allen redeten die Apostel in der ihnen bekannten Sprache und verkündeten die Herrlichkeit Gottes und Seine wunderbaren Taten.

 

 

Das versammelte Volk wunderte sich auch darüber, dass es den Lobpreis Gottes in verschiedenen Sprachen hörte; dies war doch nicht erlaubt: Gebete wurden nur in der heiligen hebräischen Sprache verrichtet; aber am meisten ergriff sie, was die Apostel erzählten. Alles war so einfach und gleichzeitig so erhaben und strömte eine solche überirdische Heiligkeit aus, dass es die Aufmerksamkeit unwillkürlich fesselte. Das Interessanteste war, dass jeder die Sprache hörte, an die er sich in den Jahren des Lebens in der Fremde gewöhnt hatte in Rom, in Griechenland, in Afrika oder in Indien. Aber die mit ihnen sprachen, waren doch einfache Menschen aus Galiläa, die nie eine fremde Sprache gelernt hatten und nur ihre eigene verwendeten. Einige wunderten sich, andere gerieten in Entsetzen. Alle sahen das ungewöhnliche Wunder, aber niemand konnte begreifen, wie es geschehen war. Voll Verwunderung fragten sie einander: “Was hat das zu bedeuten?” Bald fanden sich Leute, die alles erklären wollten, obwohl sie selbst nichts verstanden. Sie verspotteten die Apostel und sagten: “Sie sind vom süßen Wein betrunken.”

 

Als Petrus und die anderen Apostel das hörten, standen sie auf, und Petrus begann, um den Lärm der Menge zu übertönen, laut zu sprechen: “Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint, es ist ja erst die dritte Stunde.” Die dritte Stunde entspricht, wie wir uns erinnern können, bei uns heute neun Uhr am Morgen, es war dies die erste Gebetsstunde und die Zeit des Morgenopfers im Tempel. Bis zu dieser Stunde war es damals auch an normalen Tagen niemandem erlaubt, etwas zu essen, umso mehr wurde dieses Gesetz an einem großen Feiertag eingehalten.

 

 

Darauf sagte Petrus zu den Versammelten, dass was hier geschah, schon vom Propheten Jod vorhergesagt worden war, der viele Jahrhunderte vor diesem Tag gelebt hatte: Gott habe Seinen Heiligen Geist auf die Apostel gesandt, und jetzt prophezeiten sie. “Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird errettet”, so beendete der Apostel Petrus seine Rede.

 

 

Danach erzählte Petrus den Versammelten von Christus, von Seiner Predigt, Sei­nem Tod, Seiner Auferstehung und Himmelfahrt.

 

Die erste Predigt der Apostel, die sie nach der Herabkunft des Heiligen Geistes hielten, wirkte sehr stark auf die Zuhörer. Außerdem sahen alle die wunderbaren Zeichen und hörten die einfachen Galiläer, welche die Gaben des Heiligen Geistes empfangen hatten, in verschiedenen Sprachen reden.

 

Deshalb kamen viele zu ihnen und fragten: “Was sollen wir tun?” Da befahl der Apo­stel Petrus jedem, seine Sünden zu bekennen und sich taufen zu lassen, und versprach, dass jeder die Gabe des Heiligen Geistes erhalten werde, dessen wunderbares Wirken sie heute gesehen hatten.

 

Viele hörten aufmerksam zu und baten um die Taufe; an diesem Tag wurden etwa dreitausend Menschen in die Kirche aufgenommen, die bis dahin nicht an Jesus Chri­stus geglaubt hatten.

 

So endete der Pfingsttag, der damit zum Geburtstag der Kirche Christi wurde.

 

Die orthodoxen Christen schmücken an diesem Tag die Häuser und Kirchen mit grünen Zweigen und Blumen. Dieser Brauch stammt noch aus der Kirche des Alten Testaments, als die Häuser und Synagogen zu Pfingsten mit Grün geschmückt wurden, als Zeichen dafür, wie auf dem Berg Sinai an dem Tag alles grünte und blühte, als Mose die Gesetzestafeln erhielt. Der Saal auf Zion war an dem Tag, als der Heilige Geist auf die Apostel herab­ kam, nach allgemeinem Brauch auch mit Zweigen und Blumen geschmückt gewesen.

 

An Pfingsten wird auch der Erscheinung der Dreieinheit bei Abraham in Mamre gedacht, deshalb erinnert die mit Grün geschmückte Kirche auch an jenen Hain.

 

Die blühenden Zweige bedeuten auch, dass die Seelen der Menschen unter der Wirkung der Gnade Gottes in Taten der Tugenden erblühen. Die Gewänder der Geistlichen und des Altares sind grün. An diesem Tag hat der Gottesdienst folgende Besonderheit:

 

Nach der Göttlichen Liturgie beginnt sofort die Große Vesper, bei der nach dem Einzug und dem Großen Prokimenon die Priester spezielle Gebete zum Heiligen Geist lesen. Diese Gebete werden nur am Pfingstfest gelesen. Deshalb bemühen sich alle Orthodoxen, an diesem Tag unbedingt am Gottesdienst teilzunehmen. Die Geistlichen verrichten alle heiligen Handlungen mit Sträußen aus Birkenzweigen und Blumen in der Hand. Diese Sträuße werden mit Weihwasser gesegnet.

 

Quelle: Andreij Lorgus, Michail Dudko, Orthodoxes Glaubensbuch.

Eine Einführung in das Glaubens- und Gebetsleben

der Russischen Orthodoxen Kirche,

Verlag Der Christliche Osten Würzburg 2002.

 

 

Troparion, 8. Ton:

 

Gesegnet bist Du, Christus, unser Gott, der Du die Fischer zu Allweisen gemacht hast, indem Du ihnen den Heiligen Geist gesandt und durch sie den ganzen Erdkreis eingefangen hast; Menschenliebender, Ehre sei Dir!

 

Kondakion, 8. Ton:

 

Als er herabkam, die Sprachen zu verwirren, schied der Höchste die Völker; als er des Feuers Zungen verteilte, rief Er alle zur Einheit: und einstimmig verherrlichen wir den Allheiligen Geist.

 

 

Pfingsten- Der Geburtstag der Heiligen Kirche

 

Thomas Zmija

 

Unsere Heilige Orthodoxe Kirche nennt sich selbst einfach "die Kirche", da die östliche Orthodoxe Kirche die organische Fortsetzung derselbe Gemeinde (griechisch: εκκλησία = "ecclesia") ist, deren Geburtsstunde in der Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest in Jerusalem liegt.

 

An vielen Orten, die schon im Neuen Testament erwähnt werden, ist diese Gemeinde im Laufe der Geschichte dann immer dieselbe geblieben, das heißt, sie hat im Laufe der kommenden Jahrhunderte den gleichen Heiligen Orthodoxen Glauben treu bewahrt und ist damit der Lehre Christi und der Predigt Seiner Apostel treu geblieben. Deshalb bekennen wir auch im Bekenntnis des Orthodoxen Glaubens: "Ich glaube an die eine Heilige, Katholische und Apostolische Kirche".

 

Durch das Wirken der Heiligen Apostel wurde das Heilige Evangelium - von Jerusalem ausgehend - dann in der gesamten Welt verkündet und durch dieses Wirken der Apostel und ihrer Nachfolger wurde die Gemeinden der an Christus Gläubig gewordenen, also die Kirchen der Orthodoxen Christen, in der gesamten bewohnten Welt ausgebreitet. (Dies genau meint das griechische Wort καθολικός "katholikós", das "allumfassend" und "über den Erdkreis ausgebreitet" bedeutet.)

 

Deshalb haben sich die Orthodoxen in Griechenland und Russland früher auch einfach als "die Christen" bezeichneten und damit ganz selbstverständlich die orthodoxen Christen gemeint. So ist die Orthodoxe Kirche bist heute sowohl die authentische (d. h. mit der Botschaft Christi in vollkommener Übereinstimmung stehend), als auch die direkte historische Fortsetzung der Kirche des Apostolischen Zeitalters. In ihr ist sowohl die gesamte Heilige Apostolische Tradition (das heißt, die gesamte schriftliche und mündliche Lehre der Heiligen Apostel), als auch die apostolische Fülle des geistlichen, liturgischen und sakramentalen Lebens der von Christus selbst gestifteten Kirche treu bewahrt worden.

 

So ist, durch das zu Pfingsten auf die Heiligen Kirche herabgekommene Gnadenwirken des Heiligen Geistes, auch heute in der Orthodoxen Kirche die ganze Fülle der christlichen Heilsbotschaft gegenwärtig. Durch das Wirken des Heiligen Geistes hat das kirchliche orthodoxe Bewusstsein auch im Laufe der folgenden Jahrhunderte (in einer Abwehr gegen die Häresien und Verfälschungsversuche unkirchlicher oder gottloser Menschen) zur immer genaueren Präzisierungen der Worte des Glaubensbekenntisses gefunden, so dass die eine christlichen Heilsbotschaft - der  Eine, Heilige, Orthodoxe Glaube - den unser Herr und Gott und Erlöser Jesus Christus Selbst lehrte, den die Heiligen Apostel dann in aller Welt verkündeten, die Heiligen Väter im Laufe der kommenden Jahrhunderte treu bewahrten und überlieferten, auch von uns bis zum heutigen Tag mit den Worten des Bekenntnisses des Heiligen orthodoxen Glaubens bekannt wird:

 

"Πιστεύω εις ένα Θεόν, Πατέρα, παντοκράτορα, ποιητήν ουρανού και γης, ορατών τε πάντων και αοράτων. Και εις ένα Κύριον Ιησούν Χριστόν, τον Υιόν τον Θεού τον μονογενή, τον εκ του Πατρός γεννηθέντα προ πάντων των αιώνων. ως εκ φωτός, Θεόν αληθινόν εκ Θεού αληθινού, γεννηθέντα, ου ποιηθέντα, ομοούσιον τω Πατρί, δι' ου τα πάντα εγένετο. Τον δι' ημάς τους ανθρώπους και δια την ημετέραν σωτηρίαν κατελθόντα εκ των ουρανών και σαρκωθέντα εκ Πνεύματος Αγίου και Μαρίας της Παρθένου και ενανθρωπήσαντα. Σταυρωθέντα τε υπέρ ημών επί Ποντίου Πιλάτου και παθόντα και ταφέντα. Και αναστάντα τη τρίτη ημέρα, κατά τας Γραφάς. Και ανελθόντα εις τους ουρανούς και καθεζόμενον εκ δεξιών του Πατρός. Και πάλιν ερχόμενον μετά δόξης κρίναι ζώντας και νεκρούς, ου της βασιλείας ουκ έσται τέλος. Και εις το Πνεύμα το Άγιον, το κύριον, το ζωοποιόν, το εκ του Πατρός εκπορευόμενον, το συν Πατρί και Υιώ συμπροσκυνούμενον και συνδοξαζόμενον, το λαλήσαν δια των προφητών. Εις μίαν, αγίαν, καθολικήν και άποστολικήν Εκκλησίαν. Ομολογώ εν βάπτισμα εις άφεσιν αμαρτιών. Προσδοκώ ανάστασιν νεκρών. Και ζωήν του μέλλοντος αιώνος. Αμήν."

 

"Верую во Единаго Бога Отца Вседержителя, Творца небу и земли, видимым же всем и невидимым. И во единаго Господа Иисуса Христа, Сына Божия, Единороднаго, Иже от Отца рожденнаго прежде всех век; Света от Света, Бога истинна от Бога истинна, рожденна, несотворенна, единосущна Отцу, Имже вся быша. Нас ради человек и нашего ради спасения сшедшаго с небес и воплотившагося от Духа Свята и Марии Девы и вочеловечшася. Распятаго же за ны при Понтийстем Пилате, и страдавша, и погребенна. И воскресшаго в третий день по Писанием. И возшедшаго на небеса, и седяща одесную Отца. И паки грядущаго со славою судити живым и мертвым, Егоже Царствию не будет конца. И в Духа Святаго, Господа, Животворящаго, Иже от Отца исходящаго, Иже со Отцем и Сыном спокланяема и сславима, глаголавшаго пророки. Во едину Святую, Соборную и Апостольскую Церковь. Исповедую едино крещение во оставление грехов. Чаю воскресения мертвых. И жизни будущаго века. Аминь."

 

"Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und an den einen Herrn, Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, den aus dem Vater Geborenen vor aller Zeit. Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und um unseres Heiles Willen ist Er vom Himmel herabgestiegen, Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch geworden. Gekreuzigt wurde Er für uns unter Pontius Pilatus und hat den Tod erlitten und ist begraben worden und ist auferstanden am dritten Tage gemäß der Schrift. Er ist aufgefahren in den Himmel und sitzt zur Rechten des Vaters. Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, Gericht zu halten über Lebende und Tote, und Seines Reiches wird kein Ende sein. Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der vom Vater ausgeht. Er wird mit dem Vater und dem Sohne angebetet und verherrlicht. Er hat gesprochen durch die Propheten. Ich glaube an die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche. Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt. Amen."

 

 

Der Sonntag Aller Heiligen

 

Eine Predigt von Metropolit Anthony von Souroš

 

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes.

 

Die Mutter Gottes und die Heiligen, deren Gedächtnis wir heute feiern, die uns bekannt sind, weil Gott sie uns offenbart hat, und weil sie verstanden worden sind und anerkannt, entweder von ihren Zeitgenossen oder Jahre, manchmal sogar Jahrhunderte später, alle diese Heiligen sind die Antwort der Erde auf die Liebe Gottes.

 

 

Und diese Antwort wird von ihnen gegeben nicht nur in ihrem eigenen Namen, sondern im Namen der ganzen Schöpfung, und so auch in unserem Namen. Denn jeder von uns hat das Anrecht auf einen Namen, den Namen eines dieser Heiligen. Die Heiligen, deren Namen wir tragen, stehen vor Gott und bitten, dass ihr Name nicht unwürdig gemacht wird vor den Augen Gottes. Die Heiligen Gottes umarmen die ganze Schöpfung mit ihrer Liebe, mit ihren Fürbitten, in ihrem Gebet, mit ihrer wirklichen und dauernden Gegenwart.

 

Ist es nicht wunderbar, dass wir zu dieser riesigen Familie von Männern, Frauen und Kindern gehören, die verstanden haben, was der Herr meinte, als Er zu uns kam und unter uns lebte, uns lehrte und für uns starb? Sie dankten Ihm aus ganzen Herzen, sie verstanden Ihn mit ihrem ganzen Sinn, und sie nahmen Seine Botschaft an mit all ihrer Entschlossenheit in sich selbst, alles, was der Grund für die Kreuzigung war, zu überwinden.

 

Denn wenn auch nur einer auf Erden vom rechten Weg abgekommen, von Gott abgefallen wäre, würde Christus gekommen sein ihn auf Kosten Seines Lebens zu retten. Dies ist Sein eigenes Zeugnis zu einem Heiligen aus den ersten Jahrhunderten, der gebetet hatte, dass Sünder verdammt werden sollten. Christus erschien ihm und sagte: „Nie bete auf diese Weise. Wenn auch nur ein Sünder existiert hätte, Ich wäre für ihn gestorben.“

 

Die Heiligen sind Menschen, die Liebe mit Liebe erwidern, Menschen, denen bewusst ist, dass, wenn jemand für sie sterben kann, ihr einziger Dank ist, so zu werden, dass er nicht vergeblich gestorben wäre. Unser Kreuz auf uns nehmen heißt genau das: sich abwenden von all dem, was Christi Tod und Kreuzigung verursacht hat, von all dem, was Christus mit Hass und Verständnislosigkeit umgeben hat.

 

Wir alle könnten es tun, besser als d,ie, welche in Seiner Zeit lebten, denn sie könnten sich in Ihm getäuscht haben. Aber in unserer Zeit, nach zweitausend Jahren, da wir die Evangelien lesen können, und aus der Schrift die Person Christi hervortreten sehen, da wir Millionen von Zeugen haben, die uns berichten, dass Er wirklich Sein Leben für uns hingab, ist die einzige Antwort, die wir geben können, unser Leben für einander in Seinem Namen hinzugeben – wie können wir da nicht antworten?

 

Deshalb sollten wir uns an diesem Tag neu entschließen: zu lauschen in der gleichen Weise wie sie gelauscht haben, mit ihrem ganzen Herzen, ihrem ganzen Sinn, mit ihrem ganzen Willen, ihrem ganzen Selbst, um zu sehen was geschieht, zu hören was Er sagte, mit Dankbarkeit und Entschlossenheit zu reagieren. Und dann, wenn wir Gott die Kleinigkeit opfern –unsere Dankbarkeit und unseren guten Willen – wird die Kraft, die Stärke um auch in das Format zu wachsen, das Gott gewollt und für uns erwählt hat – die von Gott sein, wie Er sagte: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2. Korinther 12:9).

 

Und der Apostel Paulus, der das wusste, fügte in einem anderen Brief hinzu: „Alles vermag ich durch IHN, der mir Kraft gibt“ (Philipper 4:13).

 

Machen wir also einen Neubeginn, damit die Heiligen, deren Namen wir tragen, Freude an uns haben, vor allem die Muttergottes, die ihren Sohn dem Tod übergab, damit wir uns hingeben können, damit wir verstehen können, dass wir gerettet werden können und frohlocken, und dass Christus sehen kann, dass es nicht umsonst war, dass ER gelebt und gelehrt hat und gestoben ist.

 

Wir sollten Seine Verherrlichung sein, ein Licht. Vielleicht nur ein kleines Licht, wie eine kleine Kerze, vielleicht ein strahlendes Licht, wie einer der großen Heiligen – aber lasst uns ein Licht sein, das die Welt erleuchtet und sie weniger dunkel macht. Lasst unsFreude sein, damit andere lernen sich des Herrn zu erfreuen. Amen. 

 

 

Predigt zum Sonntag Aller Heiligen

 

von Erzpriester Michael Rahr

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

Für uns als eine der wenigen deutschsprachigen Gemeinden hierzulande bietet der heutige Tag einen besonderen Anlass über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unseres Heimatlandes nachzudenken. Deutschland ist ja auch für zahlreiche gebürtige nichtdeutsche orthodoxe Christen zur zweiten Heimat geworden, und für deren Kinder – mich eingeschlossen – zur einzigen Heimat, auch wenn die Liebe zur Heimat der Eltern und Großeltern im Herzen weiter bestehen bleibt. Doch leider kommt es immer noch vor, dass Deutschland für Orthodoxe aus Familien mit Migrationshintergrund nur als Wohnort, nicht aber als Heimat angesehen wird. So ergeben sich in Bezug auf die Zukunft zwangsläufig fast nur zwei Alternativen für die Nachkommen orthodoxer Einwanderer:

 

a) entweder man „wird Deutscher“, das heißt, man bricht mit der Tradition der Vorfahren und hält eine bestenfalls nur folkloristische Beziehung zum orthodoxen Glauben aufrecht, oder

 

b) man hält an der „Tradition der Väter“ fest und kapselt sich von der Gesellschaft ab und fristet ein subkulturelles Dasein inmitten der modernen Gesellschaft.

 

Da stellt sich doch die Frage: gibt es denn keinen „goldenen Mittelweg“?

 

Mir scheint, dieser Königsweg könnte in der Erkenntnis bestehen, dass Deutschland ein Land mit christlicher Tradition ist, dass es in der Himmlischen Kirche nicht wenige Heilige gibt, die entweder auf deutschem Boden gewirkt oder von deutscher Herkunft waren. Das „Deutsche Land“ umfasst im kirchenhistorischen Kontext ja nicht nur das politische Gebilde unserer heutigen Bundesrepublik, sondern den gesamten deutschsprachigen Raum (vormals auch die Niederlande) bzw. auch die ehemaligen deutschen Gebiete im Osten. Wer einen Kalender der "Gesellschaft Orthodoxe Medien"  besitzt, hat eine Vorstellung davon, wie viele Heilige in dieser, für „gebürtige“ Orthodoxe weitestgehend verborgenen abendländischen Schatztruhe der ungeteilten Kirche schlummern, die die christliche Kultur dieses Landes geprägt und durch ihr Wirken, ihr Leben und ihren Tod Zeugnis für das Evangelium abgelegt haben. 

 

Heute leben wir jedoch – und das muss auch gesagt werden – in einem Land, in dem die Normen des Evangeliums eigentlich nur noch eine periphäre Rolle spielen. So haben in den zurückliegenden vierzig Jahren Frauen ihr „Recht auf Abtreibung“ erstritten, gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind der „traditionellen“ Ehe rechtlich so gut wie gleichgestellt, Prostitution gilt ganz offiziell nicht mehr als sittenwidrig. Was noch kommen wird, können wir uns heute noch gar nicht vorstellen. Kurzum, vor einem halben Jahrhundert waren Frömmigkeit und Sittsamkeit die Norm, Sittenlosigkeit war nur im privaten Sektor möglich. Heute ist es umgekehrt: Sittenverfall jedweder Art wird als Allgemeingut gefeiert, während Frömmigkeit und Sittenstrenge als Privatangelegenheit gerade noch geduldet werden. Nein, ich will nicht alles schlechtreden. Wir leben in einem wunderbaren Land mit einer reichen Kultur, einer großen Geschichte, in dem wir heute in Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand leben und alle Möglichkeiten zu einem glücklichen und zufriedenen Leben haben. Dafür sind wir dankbar. Aber die angesprochene rasante „Entwicklung“ der Gesellschaft bereitet uns Sorgen.

 

Demnach stellt sich die Frage für uns Orthodoxe heute, wie wir uns gegenüber dem deutschen Heimatland verhalten sollten. Nach meiner tiefsten Überzeugung gibt es im Einklang mit der Heiligen Tradition und der Heiligen Schrift nur einen Weg: ob wir es wollen oder nicht, wir sind Teil der Gesellschaft. So wie es die Christen im Römischen Reich, im Osmanischen Reich und in der Sowjetunion waren. Und wenn wir nur zu zehnt oder zu zwölft zusammen beten, dann sind wir eben nur ein kleiner, aber doch ein integrativer Bestandteil dieses Landes. Wir können mit dem was wir sind, was wir haben, diesem Land dienen – die gebürtigen Deutschen und die eingewanderten Mitbrüder und -schwestern. Das ist unser Charisma – uns von Gott anvertraut, für die Ausübung dessen wir dereinst Rechenschaft ablegen werden. Und ich frage mich: gibt es für Christen eine schönere Aufgabe, als mit Christus den uns umgebenden Menschen zu dienen? Mit Christus! Denn: „wo zwei oder drei in Meinem Namen versammelt sind, da bin Ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18: 20), und: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Matthäus 28: 20).

 

Wenn wir nicht das in unserer Macht Stehende tun, wird dieses Land, wird diese Gesellschaft eben ohne die „orthodoxe Fraktion“ auskommen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand unter uns das ernsthaft anstreben möchte. Unsere kleine und immer noch nicht voll funktionsfähige Gemeinde ist ein kleiner Beitrag, ein Zukunftsmodell. Gott allein wird bestimmen, wann dieser Protoyp in Serie gehen wird. 

 

Die Heiligen des Deutschen Landes, wozu auch „russische“ Heilige wie unser seliger Isidor oder die Großfürstin Elisabeth gehören, sind uns leuchtende Beispiele und inständige Fürsprecher auf diesem Weg. Ihre Gebete erbitten wir ganz besonders an diesem Tag. Amen.

 

 

Der Sonntag Aller Heiligen

 

Vater Nicon Patrinacos

 

Die Orthodoxe Kirche feiert das Gedächtnis aller Heiligen am ersten Sonntag nach Pfingsten. Gleich nach den Verfolgungen sah man die Notwendigkeit einen Tag im Kirchenkalender für die Ehrung „aller Heiligen“ zu reservieren. Offensichtlich, und obwohl die Kirche bereits das Gedenken von wohlbekannten Heiligen feierte, war es nicht möglich jede(n), der oder die sich für ihren Glauben an Christus hingegeben hatte, einzeln mit Namen zu kennen. Und obwohl die Tage für ihr Gedächtnis in den verschiedenen lokalen Kirchen variierten, sahen die Gläubigen der sich verbreitenden christlichen Kirche die Notwendigkeit, nicht nur des Lebens und des Martyriums der Kämpfer für den neuen Glauben zu gedenken, sondern auch die Gemeinschaft mit ihnen aufzurichten.

 

Der heutige Tag für die Feier des Festes Aller Heiligen geht bis auf die Zeit des Johannes Chrysostomus zurück, der in einer seiner Reden in Konstantinopel sagt, dass das Gedenken an die Martyrer der orthodoxen Kirche am ersten Sonntag nach dem Pfingstfest begangen wird. Das Fest Aller Heiligen war immer nicht nur als Gelegenheit für die Kirche betrachtet worden, ihrer lebenden Schar der Gläubigen die nachzueifernden Ideale nahe zu bringen, sondern auch als Gelegenheit eine Einheit zwischen der triumphierenden Kirche Christi im Himmel und der kämpfenden auf Erden zu errichten. 

 

Troparion

 

Mit dem Blute Seiner Märtyrer auf der ganzen Welt hat Deine Kirche sich wie mit Purpur und feinem Linnen geschmückt. Und dadurch ruft sie Dir zu, Christus, o Gott: Deinem Volke sende hernieder Deine Erbarmungen, schenke Frieden Deinem Reich und unseren Seelen das große Erbarmen.

 

Kontakion

 

Als Erstlingsfrüchte der Natur bringt Dir, dem Pflanzer der Schöpfung, Herr, die Welt die Gott tragenden Martyrer dar. Auf ihre Fürbitten bewahre durch die Gottesgebärerin Deine Kirche, Dein Volk in tiefem Frieden, reicher Erbarmer. 

 

 

Die beiden Sonntage

"Alle Heiligen Russlands" und "Alle heiligen Neomärtyrer und Bekenner Russlands unserer Tage"

 

Thomas Zmija v. Gojan

 

Am Sonntag nach Allerheiligen – dem zweiten Sonntag nach Pfingsten – gedenken die orthodoxen Landeskirchen der Heiligen, die in ihrem Volk und auf der Erde ihres Heimatlandes während ihres Lebensweges der Liebe zu Christus aufgestrahlt sind. Dabei können wir am Leben dieser Heiligen erkennen, wie der uns allen gemeinsame, orthodoxe Glaube gleichsam Fleisch und Geist geworden ist im kirchlichen Leben, der jeweils besonderen Spiritualität und der gesamten christlichen Kultur der verschiedenen orthodoxen Völker. So gedenken die Griechen an diesem Sonntag aller heiligen Märtyrer, die in ihre unverbrüchlichen Treue zu Christus unter dem türkisch-islamischen Joch aufgestrahlt sind, die Russen, Ukrainer und Weißrussen gedenken all jener Heiligen, die das Heilige Russland, die Святая Русь („Svataja Rus“) als ihr geistliches Vermächtnis hervorgebracht hat, aber auch die Serben, Rumänen, Bulgaren, Georgier, Araber und die vielen übrigen orthodoxen Völkerfamilien gedenken ebenso dankbar, der dem Herzen dieser Menschen besonders nahen Heiligen, weil sie in ihrem Leben die gerade ihnen gemäße Art der Nachfolge Christi zu begreifen und zu erkennen vermögen.

 

Deshalb kann man diesen, in allen orthodoxen Kirchen auf je eigene Weise, begangenen Feiertag nicht gründlicher missverstehen, als wenn man ihn nur als griechischen, russischen oder anderen, x-beliebigen nationalkirchlichen Festtag betrachtet. Wir feiern an diesem Feiertag nicht unsere jeweilige Nation als "Krone der Orthodoxie" oder gar des gesamten Christentums. Diese Häresie tritt seit dem 19. Jahrhundert als Krebsgeschwür am Leibe der Orthodoxie unter vielen unterschiedlichen Namen auf.  Man kann am wahren Wesen christlich-orthodoxer Heiligkeit nicht stärker vorbeigehen, als wenn wir diese Heiligen egoistisch für uns vereinnahmen wollen.

 

Die rum-orthodoxen und griechischen Neomärtyrer unter dem türkisch-islamischen Joch sind für uns in einer Zeit des sich nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa beständig ausbreitenden islamistischen Terrorismus, nicht einfach nur Bestandteil der jeweiligen kirchlichen Erinnerungskulturen dieser orthodoxen Völker, sondern sprechen mit ihrem Lebensbeispiel klar und deutlich zu allen Christen darüber, welche Risiken echtes Christsein in einer verstärkt muslimisch geprägten Gesellschaft mit sich bringen wird. Die Heiligen Russlands geben uns in einer zunehmend säkularisierten und entchristlichten Umwelt einen klaren Orientierungspunkt dafür, dass echtes Christsein nicht nur die Freizeit, sondern das gesamte Leben eines jeden Christenmenschen prägen soll. Die heiligen Neomärtyrer und Bekenner aus Russland, Rumänien, Serbien, Bulgarien, Albanien und dem heutigen Nahen Osten rufen uns beständig zum mutigen Widerstehen gegen jede Form antichristlicher Ideologie und organisierter Unmenschlichkeit auf. Die frühchristlichen und altkirchlichen Heiligen, die in den verschiedenen deutschen Gegenden aufgestrahlt sind und die zunehmend auch von den hier inzwischen heimisch gewordenen orthodoxen Christen verehrt werden, sind für die gesamte orthodoxe Diaspora hier in Deutschland weitere Orientierungspunkte am Himmel der christlich-orthodoxen Heiligkeit.

 

 

Trotzdem möchte ich meine Aufmerksamkeit nun allen Heiligen Russlands zuwenden, die nicht nur für die Menschen in Russland und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, sondern auch für uns, die wir als russische Menschen oder deren Nachkommen in der Diaspora (=Zerstreuung) leben, von besonderer Bedeutung sind. Auch die nichtrussischen Menschen, die inzwischen ihre persönliche, geistliche Heimat in den orthodoxen Kirchengemeinden gefunden haben, die der russischen orthodoxen Tradition verpflichtet sind, gehören selbstverständlich zu dieser Familie der „russischen“ Christen, denn auch sie leben und lieben die russischen Form, ein orthodoxer Christ zu sein. So sollte der Blick auf alle Heiligen Russlands unsere Herzen nicht in die Enge, sondern in die Dankbarkeit gegenüber Gott, der wunderbar ist in seinen Heiligen (vgl.: Psalm 68: 35) und Weite der christlichen Bruderliebe führen.

 

 

Wer sind diese russischen Heiligen? Es sind unsere älteren Geschwister, unsere Vorbilder und Helfer, unsere Orientierungssterne am Himmel der russischen Heiligkeit. Wir verherrlichen sie heute mit einem besonderen Festtag, die namentlich Bekannten sowie die namenlose Gebliebenen, deren Heiligkeit nur Gott allein kennt. Sie sind uns Brüder und Schwestern, die mit ihrem ganzen Wesen an Christus geglaubt und danach gelebt haben und die auch uns auf dem Weg zur Heiligkeit begleiten und anspornen wollen.

 

Es gibt keine orthodoxe Kirche, die nicht durch die Erfahrung des Martyriums gegangen ist. Deshalb begeht die russische Kirche am Sonntag, der auf den Sonntag aller Heiligen Russlands folgt, das Gedächtnis aller Neomärtyrer und Neobekenner der russischen Kirche. 

Während des zwanzigsten Jahrhunderts ging die russische und fast alle anderen orthodoxen Kirchen durch ein je eigenes grausames Martyrium. Auch in Rumänien, Serbien und Bulgarien, vor allem aber in Albanien, erlebten unzählige Märtyrer und Bekenner ihre eigenes, persönliches Golgatha und bekannten ihre unverbrüchliche Treue zu Christus mit dem Siegel ihres eigenen, vergossenen Blutes.

 

Aber das blutige Martyrium ist nicht der einzige Weg zur Heiligkeit. Alle Heiligen und auch jeder einzelne orthodoxe Christ, der Christus ernsthaft nachfolgen will, muss sein ganz persönliches Kreuz auf sich genehmen (vgl.: Lukas 9: 23) und durch einen persönlichen Feuerofen von Sorgen und Versuchungen schreiten. Dieses „kleine Martyrium“ ist integraler Bestandteil eine jeden ernsthaften Christenlebens.

 

 

Deshalb sind der heutige und der kommende Sonntag in der Kirche Christi nicht Tage der Trauer, sondern Festtage der tiefen Dankbarkeit und des unerschütterlichen Vertrauens, denn Gott hat Sich durch das Leben Seiner Heiligen in der von Anfechtungen und menschlichem Versagen geprägten Geschichte verherrlicht. Aus der lebendigen Gemeinschaft mit dem HERRN, für die uns die Märtyrer und Heiligen aller Zeiten Zeugnis geben, haben die ernsthaften Christen immer wieder die spirituelle Kraft zum Leben unter oft widrigen Umständen gefunden. Am Ende war es ihre tiefe Liebe zu Christus, die ihnen am Ende auch die Kraft gab, die Bereitschaft zum kompromisslosen Bekenntnis,  zum Martyrium, zu finden.

 

Aus dem russischen Gulag gibt es erschütternde Berichte von Gefangenen, die im Geheimen – ohne Bücher, Gewänder, Geräte – still mit einem Stückchen Brot und einem irgendwie ergatterten Quäntchen Wein die Göttliche Liturgie gefeiert haben. Von einem der heiligen Bekenner wird berichtet, er habe die Göttliche Liturgie wegen des fehlenden Antimensions auf dem eigenen Leib vollzogen. Oft aber war auch dies nicht möglich, so dass sie  nur die geistliche Kommunion mit Christus im innigen Gebet erfahren konnten. Die Zugehörigkeit zum einen Leib Christi in der Kirche hat sie dabei genährt und gestärkt. Und im sowjetischen Gulag gab es unter den dort versammelten Heiligen bereits jene Überwindung der Spaltungen in der Kirche, um die wir als eine Kirche in Freiheit immer noch beten.

 

 

Das orthodoxe Christentum der Heiligen Russlands, das wir im Leben einer heiligen Fürstin Olga, eines heiligen Fürsten Vladimir, der heiligen Märtyrer Boris und Gleb, der heiligen Väter Antonij und Feodisij vom Kiever-Höhlenkloster, des heiligen Sergius von Radoneš, der heiligen Metropoliten Philareth von Moskau, und all der unzähligen Neomärtyrer Rußlands erblicken können, ist der tiefe orthodoxe Glaube und die aus diesem Glauben erwachsende, das eigene Leben vollkommen verändernde, Erfahrung von der Existenz eines neuen gnadenvollen Lebens. So ereignet sich in der Kirche bereits jetzt der Anbruch der Verklärung einer gefallenen Welt. Durch die glorreiche Auferstehung Christi ist dieser Anbruch des neuen Lebens, des kommenden Äons, bereits im geistlichen Leben der Kirche gegenwärtig. Und es ist diese verwandelnde Kraft Christi, die im Leben der Kirche durch die Gnadengabe des Heiligen Geistes gegenwärtig ist, die die bleibende Erfahrung, das wirkliche Erbe der Heiligen Russland ist. Dieses im Leben der russischen Heiligen gegenwärtige, geistliche Erbe der Святая Русь ("Svataja Rus"), des Heiligen Russlands, ist zugleich auch das einzige wirkliche Heilmittel, das die russischen Menschen nach 70 Jahren der erlittenen Verwundungen durch die Herrschaft der Gottlosen und ihren zynischen Nihilismus heilen wird. Das Beispiel des Heiligen Seraphim von Sarov lehrt uns, dass im Leben eines orthodoxe Christen immer nur eines von existentieller Wichtigkeit ist: den Heiligen Geist zu erwerben und dadurch den göttlichen Frieden zu finden. Die Heiligen begleiten uns durch ihr Gebet und Beispiel auf diesem Wege.

 

Diese orthodoxe russische geistliche Erbe und die damit verbundene Hoffnung auf die geistliche Wiedergeburt des gesamten russischen Landes feiern wir heute gemeinsam als gläubige russische und nicht-russische Kinder des Teiles der orthodoxen Kirche, der sich dem geistlichen Erbe der Heiligen Russlands besonders verbunden weiß.

 

Alle Heiligen Russlands  bittet für uns!

 

 

Die Verklärung unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus

 

6. August

 

Das Fest, Geschichte und Bedeutung

 

Der griechische Urtext der Evangelien spricht eigentlich nicht von einer Verklärung Christi, sondern von der Gestaltverwandlung, Metamorphosis, als Hinweis auf seine Auferstehungsherrlichkeit. Die synoptischen Evangelien geben die Gestaltverwandlung des irdischen Leibes als Offenbarung der verborgenen göttlichen Würde zu erkennen. Die Verklärung ist geprägt von der Auferstehung, und das Ereignis atmet den Geist seiner Erhöhung durch den Vater.

 

Die Verwandlung Christi wird als Licht-Herrlichkeit beschrieben, wobei besonders das Leuchten seines Angesichtes hervorgehoben wird. Auch Moses Gesicht „strahlte Licht aus“; auf ihm lag der Widerschein der Herrlichkeit Gottes, als er nach seiner Begegnung mit Jahwe vom Berg herabstieg und die göttlichen Weisungen dem Volk übergab (Ex 34,29-35). Der Lichtglanz Christi aber stammt aus seiner eigenen, in ihm verborgenen Gottheit. Mögen auch Mose, dem Führer aus ägyptischer Sklaverei und Gesetzgeber, und Elija, dem Erstpropheten und großen Streiter für Jahwes Ehre, die beide auf dem Berg Horeb (Sinai) mit Gott sprechen durften, eine einmalig hervorragende Rolle im Leben des israelitischen Volkes zugefallen sein, der „geliebte Sohn“ ist erhabener als die Diener und seine Autorität erstreckt sich über alle Völker.

 

Die Feier der Metamorphosis erlangte zur Zeit Kaisers Justinian (527- 565) Allgemeingeltung. Das Fest dürfte von der Gedächtniskirche ausgegangen sein, welche im 4. Jahrhundert auf dem ca. 600 m über der galliläischen Ebene sich erhebenden Berg Tabor errichtet worden war. Nach syrischer Überlieferung fand die Verklärung vierzig Tage vor der Kreuzigung statt. Wegen des Bußcharakters der Großen Fastenzeit vor Ostern wurde das Fest in der Orthodoxie auf den 6. August gelegt, vierzig Tage vor dem Fest der Kreuzerhöhung.

 

Die Verlegung in den Hochsommer zeigt, dass Christi Verklärung einen ausgesprochenen kosmischen Charakter trägt. Denn die Verherrlichung gilt dem irdischen Leib des Gottessohnes, der in seiner Menschwerdung die irdische Materie in sich aufgenommen hat und durch sie in Gemeinschaft steht mit allen Menschen und Geschöpfen der Erde. Die erhoffte Verklärung des Kosmos wird von den Gläubigen gefeiert, wenn sie am 6. August die Erstlingsfrüchte, Trauben und Weizenähren, zur Kirche bringen und sie segnen lassen. Aus ihnen werden die Gaben von Brot und Wein gewonnen, die für die Verwandlung in Christi Leib und Blut in der eucharistischen Feier bestimmt sind.

 

Im Abendland, wo das Fest der Verklärung bereits im griechisch geprägten Süditalien gefeiert wurde, erlangte es erst im Jahr 1457 allgemeine Geltung. Damals hat Papst Calixtus III. es zum Gedächtnis und als Dank für den Sieg am 6. August 1456 über den türkischen Sultan Mehmed II. eingeführt, der nach der Eroberung von Konstantinopel (1453) sich anschickte, Belgrad einzunehmen. 

 

Die Feier und die biblische Botschaft

 

Wie allen Hochfesten kommt dem Fest der Verklärung, der Gestaltverwandlung Christi, eine große Bedeutung zu. Die Feier beginnt schon am Abend zum 5. August mit dem Esperinos; am Ende dieses Abendlobes weist das Apolytikion programmatisch auf Bedeutung und Inhalt der Feier hin: 

 

"Der Verklärung Christi lasst uns entgegeneilen und festlich die Vorfeier begeben, ihr Gläubigen, und lasst uns rufen: Gekommen ist der Tag der in Gott begründeten Freude. Zum Berge Tabor stieg der Herr hinauf, um Seiner Gottheit Schönheit erstrahlen zu lassen."

 

Apolytikion zum 5. August

 

Der Orthros (Morgengottesdienst) am 5. August klingt aus mit einem Hymnus, der Christus in Verbindung bringt mit den großen Führergestalten des Alten Bundes:

 

"Als des Gesetzes und der Propheten Schöpfer und Vollender, Christus, haben Dich bezeugt, da sie Dich bei Deiner Verklärung in der Wolke sahen, Mose, der Gott schaute, und Elija, der Lenker des feurigen Wagens, der, ohne zu verbrennen, gen Himmel fuhr. Mit ihnen würdige auch uns Deiner Erleuchtung, Herr, damit wir Dich mit Liedern preisen in alle Ewigkeit."

 

Troparion am 5. August

 

Im feierlichen Abendlob zum 6. August, im Großen Esperinos und der folgenden Litia, dem Bittgesang, erklingen festliche Hymnen, und alttestamentliche Lesungen weisen mit ihren Vor-Bildern auf das Mysterium der Verklärung Christi hin: Auf dem Berg Sinai darf Mose in der Wolke Gottes Herrlichkeit schauen, die sich „wie verzehrendes Feuer“ offenbart (Ex 24, 12-18). Auf die Bitte des Mose: „Lass mich doch deine Herrlichkeit schauen!“, antwortete der Herr: „Ich will alle meine Schönheit vor dir vorüberziehen lassen“ (Ex 33, 11-23. 34, 4-6. 8). Der Prophet Elija erlebt auf dem Berg Horeb im leisen Säuseln des Windes Gottes Gegenwart (1 Kön 19, 3-16).

 

Zum Abschluss der abendlichen Feier erklingt das Apolytikion, das als Festtroparion am nächsten Morgen von Neuem gesungen wird:

 

"Du wurdest verklärt auf dem Berge, Christus, Gott,

und zeigtest Deinen Jüngern Deine Herrlichkeit,

soweit sie diese zu ertragen vermochten.

Erstrahlen lass auch auf uns Sünder Dein ewiges Licht,

auf die Fürbitten der Gottesgebärerin,

Spender des Lichts, Ehre sei Dir."

 

 

Im Orthros (Morgengottesdienst) wird, umrahmt von den Hymnen, vor allem den Dichtungen des Kosmas und des Johannes von Damaskus, das Lukas-Evangelium (9, 28-36) von der Verklärung Christi als der Erfüllung der Vorabbilder verkündet.

 

Bei der Göttlichen Liturgie kommt in der Lesung der heilige Apostel Petrus zu Wort, der die Leser im Glauben stärken und vor falschen Lehren bewahren will (2 Petr 1,10-19). Das Evangelium des Matthäus erzählt, dass die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes sich bei der Gestaltverwandlung Christi in Furcht „auf ihr Angesicht niederwarfen“ (Mt 17, 1-8). Diese Bemerkung haben vor allem die russischen Ikonographen eindrucksvoll ins Bild gesetzt. Nach der Göttlichen Liturgie werden die Erstlingsfrüchte, vor allem die ersten Weintrauben, gesegnet.

 

In Russland, wo wegen der des Klimas keine Weintrauben wuchsen, wurden anstelle der Trauben Äpfel gesegnet. Deshalb heißt das Fest der Verklärung Christi dort auch "Apfel-Christus- Fest" (Яблочный Спас или Преображение Господне).

 

Mit einer Nachfeier am 7. August klingt das Fest der Verklärung aus.

 

Quelle: zusammengestellt von Thomas Zmija v. Gojan nach Andreasbote August/ September 2005.

 

 

 

Christi Verklärung - Das Dankfest für die erste Traubenernte

 

Thomas Zmija v. Gojan

 

Während vor allem die evangelischen Christen in Deutschland das Erntedankfest zwischen Ende September und Anfang Oktober feiern und das amerikanischen Thanksgivingsfest im November begangen wird, feiern die orthodoxen Christen das Dankfest für die erste Traubenernte bereits im Monat August. Denn obwohl das Fest der Verklärung Chrіѕtі bereits іn den Spätѕommer fällt, läutet es im bäuerlichen Jahreskreis der orthodoxen Länder den Herbst - und damit verbunden - den Dank an Gott für den von Ihm geschenkten Erntesegen ein (Genesis 27: 28; Numeri 18: 12). Hier schließt sich der bäuerliche Kreislauf von Aussaat und Ernte, der mit den Gebeten zur Segnung der Saaten im Frühjahr begonnen hatte. Heute, wo so gut wie keiner unter den Orthodoxen in Deutschland noch in der Landwirtschaft arbeitet, ist dieser bäuerliche Zusammenhang des Festes der Verklärung Christi bei unseren Gläubigen weitgehend in Vergessenheit geraten.

 

Der Monat Auguѕt іѕt іn den südlichen Ländern auch seit jeher die Zeіt der Weіnlese gewesen. In den orthodoxen Balkanländern beginnt sie tradіtіonell am Tag nach Christi Verklärung. Deshalb ist mit diesem Fest auch die Segnung der ersten Trauben verbunden. Die Bauern bringen die reifen Trauben in die Kirche, wo sie nach der Göttlichen Liturgie gesegnet werden. Danach werden die Trauben an Familienmitglieder, Verwandte und Freunde verteilt. Das Ritual der Traubensegnung ist in den orthodoxen Balkanländern auch deshalb von besonderer Bedeutung, da man aus Ihnen auch den besonders süßen, kirchlichen Dessertwein (кагор = Kagor) keltert, der dann bei der Feier der Heiligen Eucharistie, aber außer bei diesem Sakrament auch bei anderen kirchlichen Segenshandlungen Verwendung finden wird. Aus diesem Grunde gibt es den orthodoxen Volksbrauch, die Weinbeeren und andere Früchte erst nach dem Segen am Fest der Verklärung Christi zu essen. Den nach dem orthodoxen Volksglauben hat Gott die Fülle der Früchte erschaffen, um damit den frommen Christen Segen zu Teil werden zu lassen. Deshalb werden von den orthodoxen Christen am Fest der Verklärung vor allem die süßen Trauben, als die Frucht Gottes genossen (vgl.: Psalm 104:15).

 

Erѕt naсh der Ѕegnung der ersten Weіntrauben konnte in den orthodoxen Balkanländern die eigentliche Weinlese beginnen. Jedoch galt es als unglücksverheißend, den Feiertag durch den Beginn der Weinlese zu entweihen. Deshalb begann man mit der Lese erst am Tag nach dem Fest. In die erste Pressung für den neuen Wein wurden dann zuoberst in die Kelter auch einige der gesegneten Weinreben gelegt. Der Festtag der Verklärung wurde mit einer reichen Festtafel, sowie Musik und Tanz möglichst unter den fruchttragenden Obstbäumen begangen. Die Nacht zum 06. August gilt im orthodoxen Volksglauben in den Balkanländern als besonders segensreich, da Gott an diesem Abend die Pforten des Himmels öffnen soll, um die Bitten und Wünsche der Menschen in besonderer Weise zu erhören.

 

Da in Russland und den anderen nördlichen Ländern keine Weintrauben wachsen, wurden  am Fest Christi Verklärung hier vor allem Äpfel, aber auch andere Früchte zum Segnen in die Kirche getragen. So erhielt das Fest der Verklärung im russischen Volksmund auch den Beinamen Я́блочный Спа́с = Apfel-Christus-Fest. Traditionell gehört zur Festtafel in Russland an diesem Tage unverzichtbar der Apfelkuchen.

 

Die Fruchtsegnung am Fest der Verklärung Christi ist ein Zeichen des Dankes für Gottes reiche Gaben und Wohltaten, die bekannten und unbekannten, die wir in Laufe des Jahres von Ihm und Seiner Güte empfangen haben. Denn der heilige Johannes Chrysostomos lehrt uns, dass „ der Bauer die Früchte des Feldes nicht so sehr durch seine Arbeit, als vielmehr durch die Güte Gottes, der sie wachsen lässt, erhält."

 

 

 

Christi Verklärung

 

hl. Kyrill von Alexandrien

 

Der Herr stieg auf den Berg; drei auserwählte Jünger nahm er mit. Dann wurde er verwandelt in ein außergewöhnliches, gottwürdiges Leuchten, so daß auch sein Gewand durch das darauf fallende Licht zu leuchten schien. Mose und Elija standen neben Jesus und sprachen miteinander über seinen Tod, den er in Jerusalem erfahren sollte, d.h. über das Mysterium des Heilsplanes im Fleisch, über, wie ich meine, das heilbringende Leiden am ehrwürdigen Kreuz. ... Dass Mose und Elija neben Jesus standen und miteinander redeten, gehörte zum Heilsplan; so sollte deutlich werden, daß unser Herr Jesus Christus vom Gesetz und von den Propheten begleitet werde, daß Gesetz und Propheten im voraus auf den Herrn hingewiesen und ihn gemeinsam verkündet haben. Denn die Verkündigung des Gesetzes unterscheidet sich nicht von der der Propheten. Darüber, meine ich, haben der erhabene Mose und Elija, der ehrwürdigste Prophet, miteinander gesprochen.

 

Man muss aber noch etwas anderes bedenken: Da das Volk meinte, Jesus sei Elija oder Jeremia oder ein anderer Prophet (vgl. Mt 16,14), führt Christus die Führer (des jüdischen Volkes) herbei, damit man den Unterschied zwischen den Dienern und dem Herrn erkennt. 

 

Noch eine weitere Überlegung kann man anstellen: Die Juden hatten Jesus dauernd beschuldigt, das Gesetz zu übertreten, und hielten ihn für einen Gotteslästerer, weil er sich die Herrlichkeit des Vaters anmaße, die ihm nicht zustehe; sie sagten: »Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält« (Joh 9,16), und weiter: »Wir steinigen dich nicht wegen eines guten Werkes, sondern wegen der Gotteslästerung; denn du bist nur ein Mensch und machst dich selbst zu Gott« (Joh 10,33). Der Herr wollte nun zeigen, daß beide Vorwürfe Verleumdungen sind, daß er in jeder Hinsicht unschuldig ist, daß weder sein Wirken ein Vergehen gegen das Gesetz ist, noch daß es eine Anmaßung der Ehre ist, die ihm nicht zustehe, wenn er sich dem Vater als gleich bezeichne. Deshalb führt er jene Männer herbei, die in beiderlei Hinsicht anerkannte Zeugen waren. Mose hatte das Gesetz gegeben, und die Juden konnten nun daraus schließen, daß der Herr das Gesetz nicht verachtet, wie sie meinten. Wäre er ein Übertreter und Feind des Gesetzes gewesen, hätte ihn der Gesetzgeber nicht geehrt. Und Elija war erfüllt vom Eifer für Gottes Ehre. Hätte sich Christus gegen Gott gestellt und behauptet, er sei, ohne es zu sein, dem Vater gleich, hätte er also in Anmaßung gehandelt, wäre Elija nicht an seine Seite getreten und hätte ihm nicht gehorcht. ... 

 

Die seligen Jünger sind darüber irgendwie für kurze Zeit eingeschlafen, als Christus sich dem Gebet hingab; sie stillten dem Heilsplan entsprechend menschliche Bedürfnisse. Als sie dann erwachten, wurden sie Augenzeugen der so ehrwürdigen und wunderbaren Verwandlung. Der herrliche Petrus glaubte schon, die Zeit des Gottesreiches sei bereits angebrochen, und dachte, auf dem Berg bleiben zu dürfen. Drei Hütten, meinte er, sollte man bauen, da er nicht wusste, was er sagte. Doch die Zeit der Vollendung der Welt war noch nicht angebrochen, und auch die Heiligen der jetzigen Zeit können noch nicht teilhaben an der ihnen verheißenen Hoffnung. Denn Paulus sagt: »Christus wird unseren armseligen Leib verwandeln in die Gestalt seines verherrlichten Leibes« (Phil 3,21). Da das Heilswerk noch am Anfang stand und seine Vollendung noch nicht gefunden hatte, wie hätte da Christus, der aus Liebe zur Welt gekommen war und für sie leiden wollte, sie jetzt schon rechtens verlassen können? Er hat die himmlische Daseinsweise verborgen und den Tod im Fleisch auf sich genommen und ihn durch seine Auferstehung von den Toten vernichtet. Petrus wusste also nicht, was er sagte.

 

Außer der wunderbaren und unaussprechlichen Schau der Herrlichkeit Christi ereignete sich noch etwas anderes Nützliches und Notwendiges, damit nicht nur bei Petrus und den Jüngern, sondern auch in uns der Glaube gefestigt werde. Aus der Wolke ertönte von oben die Stimme Gottes des Vaters: »Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hö- ren.« ... Sieh, in Gegenwart des Mose befiehlt der Vater den heiligen Aposteln, auf Jesus zu hören. Hätte er des Mose Gesetz zu befolgen verlangt, hätte er gesagt: Weil ihr Mose glaubt, haltet das Gesetz. Nun hat aber Gott der Vater dies keineswegs gesagt, obwohl Mose und Elija anwesend waren; er heißt sie vielmehr, auf Jesus zu hören.

 

Quelle: Heiliger Kyrill von Alexandrien; Homilie zur Verklärung des Herrn, 9. Predigt.

 

 

Das Geheimnis der Verklärung und das Mysterium der Rettung

 

Heiliger Justin (Popovic) von Čelije

 

Auf seinem gottmenschlichen Weg in dieser Welt führte der Herr Christus Seine menschliche Natur auch durch die Verklärung als ein notwendiges Ereignis in Seiner göttlichen Heilsökonomie. Indem Sich der Herr auf dem Tabor verklärte, zeigte der Herr, dass die Verklärung der menschlichen Natur durch die Göttliche eine unumgängliche Bedingung für die gottmenschliche Askese der Rettung der Welt von Sünde, Bösem und Tod ist. Denn das Heil ist unmöglich ohne die Verklärung der menschlichen Natur durch Gott aus der sündigen in eine heilige, aus einer schlechten in eine gute, von der sterblichen zur unsterblichen. In der Tat besteht die Rettung in der allumfassenden Verklärung der menschlichen Natur durch Gott. 

 

 

Eine riesige göttliche Kraft durchdrang auf wunderbare Weise die menschliche Natur im Moment der Verklärung des Heilands. Die gealterte und in Sünden geschwärzte menschliche Natur fand Eingang in den geheimnisvollen Vorgang der Verklärung und Vergottung, denn sie wurde ganz von dem Tabor-Licht der Gottheit Christi umfangen: da Er Sich in den ganzen Adam kleidete, durchleuchtete Christus die von alters her geschwärzte menschliche Natur, indem Er sie durch die Verklärung Seines Leibes verklärte und vergottete (vgl.: am 7. August, Kanon, Ode 3). Durch Seine wunderbare Menschwerdung und herrliche Verklärung vergottete der Herr die menschliche Natur (vgl.:  am 5. August Vorfest der Verklärung des Herrn, Morgengottesdienst, zu den Aposticha).  Durch Seine Verklärung veränderte der Herr die menschliche Natur, an die einstmals die Worte gewandt waren: Erde bist du und zu Erde wirst du zurückkehren (Gen 3, 19). Am Tag der Verklärung des Heilands verherrlichen wir die Vergottung der menschlichen Natur, ihre Veränderung zum Besseren, ihre natürliche Erhebung und ihren Übergang zum Übernatürlichen. Das vollbrachte der Heiland durch Seine Gottheit (vgl.: Hl. Andreas von Kreta Oratio in Domini nostri transfigurationem; P. gr., t. 97, col. 933 A).

 

Durch Seine Verklärung verklärte der allgütige Herr das Ebenbild Gottes im Menschen, und er leuchtete in seinem ursprünglichen göttlichen Glanz und Schönheit auf. Denn Sinn und Zweck der Verklärung des Gottmenschen ist es – den Menschen und alles Menschliche zum Ebenbild Gottes als der Wesenhaftigkeit des menschlichen Wesens zurückzuführen; den sündigen Staub von der gottebenbildlichen menschlichen Seele zu entfernen; die Gottebenbildlichkeit der menschlichen Natur in ihrer bezaubernden gottebenbildlichen Wesenhaftigkeit und Kraft als dem von Gott verliehenen Ursprung wiederherzustellen, durch den auf verlässlichste Weise die Ewigkeit garantiert wird. Das durch die Verklärung des Retters erneuerte Abbild Gottes im Menschen strahlte auf wie die Sonne, der Körper aber – wie Licht. In ihrer Urwesentlichkeit ist die gottebenbildliche Seele des Menschen ein entfernter Abglanz des göttlichen Lichtes, des Lichtes, welches in seinem vollen Glanz auf dem Tabor durch den allerheiligsten Leib des Gottmenschen Christus aufleuchtete. Durch Seine Verklärung zeigte der Herr, dass Sinn und Wert und die unverwesliche göttliche Schönheit des Körpers, der Materie, darin liegt vom göttlichen Licht erfüllt zu werden, durch es zu strahlen, darin zu leben, denn das Licht ist eine Synonym für das Leben und die Unsterblichkeit (vgl.: Joh 1, 4), wie die Finsternis das Synonym für Tod und Verwesung ist. Das von der Sünde verzerrte und entstellte Ebenbild Gottes im Menschen übergoss der Heiland mit göttlichem Licht bei Seiner Verklärung und stellt seine Schönheit und Güte wieder her ( vgl.: am 9. August zu "Herr ich rufe zu Dir" in der Vesper). Bei der Schöpfung des Menschen aus Erde, sagt der heilige Damaskinos, ehrte ihn der Herr durch Sein eigenes Ebenbild und Abbild, machte ihn zum Bewohner von Eden und zum Freund der Engel. Da wir jedoch das Ebenbild des Göttlichen Abbildes durch den Unrat der Leidenschaften verfinsterten und verdunkelten, ermöglichte uns der barmherzige Herr eine andere Art Seiner Gemeinschaft mit uns, viel wunderbarer und zuverlässiger als die erste. Er verweilte in der Größe Seiner Gottheit und nahm Anteil an dem Niederen, d.h. an der menschlichen Natur, vergottete in Sich die menschliche Natur, vereinigte das Original mit dem Abbild, und offenbarte bei der Verklärung Seine Eigene Schönheit. Und Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, denn der Hypostase nach ist Er mit dem immateriellen Licht vereint, und aus ihm leuchtet die Sonne der Wahrheit (vgl.: Hl. Johannes Damascenus, Homil. in Transfigurat. Domini, 4; P. gr., t. 96, col. 552 C). Gemäß Seiner unermesslichen Menschenliebe nimmt Gott der Schöpfer das Bild des Knechtes an und rettet in Seiner Verklärung dieses Ebenbild aus der alten Verfinsterung, da Er mit dem Antlitz aufleuchtete und das Licht Seiner Gottheit in Seinem Körper zeigte (vgl.: am 9. August, zu "Herr ich rufe zu Dir", Stichiren des Festtags in der Vesper).  Da Er das Licht der Welt ist, wohnt der Herr auf wunderbare Weise stets der Welt durch Sein Licht inne, aber auf dem Tabor zeigte Er im Überfluß dieses Sein Licht, mit welchem Er die Welt von der Sünde rettet (vgl.: am 9. August, zu "Herr ich rufe zu Dir", Stichiren des Festtags in der Vesper). Mit dem Wunsch, die menschliche Natur aus einer schlechten in eine gute, aus einer unheiligen in eine heilige, aus einer verfinsterten in eine lichte zu verwandeln, stieg der Herr Christus auf den Tabor und zeigte Seinen Jüngern Seine Gottheit, durch welche Er auch die menschliche Natur rettet (vgl.: Am 11. August, im Abendgottesdienst, Aposticha). Die Verklärung der Heilands ist der Quell unerschöpflicher verklärender Kraft, welche die gesamte Schöpfung und alle Wesen verklärt, weshalb wir auch dem wunderbaren Retter singen: Offenkundig wird die Schöpfung durch Deine Verklärung, Christus, verklärt (vgl.: am 9. August im Abendgottesdienst zu den Aposticha).

 

Quelle: Andreasbote August/September 2010

 

 

Mariae Entschlafung

 

УСПЕНИЕ ПРЕСВЯТОЙ БОГОРОДИЦЫ

Ἡ ἁγίας Σκέπης τῆς ὑπεραγίας Θεοτόκου

 

am 15. August

 

Das dritte der großen Feste des Sommers ist das Gedenken an den Tod der Allheiligen Jungfrau Maria, das in der liturgischen Sprache „Entschlafung unserer Herrin“ heißt. Vom theologischen Standpunkt aus ist es das bedeutendste der Jungfrau geweihte Fest. Ihm geht ein 14- tägiges Fasten voraus, das „Gottesmutterfasten“, analog den Fasttagen vor dem Fest der Apostel Petrus und Paulus. Diese Fastenzeit beginnt am 1. August und endet am Abend des 14. August. Das Fest selbst ist am 15. August.

 

Viele Charakteristika des Festes sind anderen der Jungfrau geweihten Festen entnommen. So erzählt das Evangelium im Orthros vom Besuch Marias bei Elisabeth (Lk 1,39-56). Die Epistel (Phil 2,5-11) und das Evangelium (Lk 10,38-42.11,27-28) für die Liturgie werden auch am 8. September gelesen, dem Tag der Geburt Mariae. Man wird bemerken, dass die Schriftstellen, die am 15. August gelesen werden, sich nicht auf den Tod der Allheiligen beziehen. Nur in den Gesängen der Vesper und des Orthros findet man die besondere Bedeutung, die die Kirche dem Fest am 15. August beimisst.

 

Es ist eine zweifache Bedeutung und wird genau wiedergegeben in einem Satz, der zur Vesper gesungen wird: „Die Quelle des Lebens wird in die Gruft gelegt, und eine Leiter zum Himmel wird das Grab!“ Der erste Teil – „Die Quelle des Lebens wird in die Gruft gelegt“ – zeigt, dass wir des Todes der Allheiligen Jungfrau gedenken. Wenn wir jedes Jahr andächtig der Todestage des Vorläufers, der Apostel und Martyrer gedenken, so gibt es noch viel mehr Gründe den Tod der Muttergottes feierlich zu begehen, die ja auch unsere Mutter ist und deren Heiligkeit und Ehre die der Auserwählten weit übertrifft.

 

Aber das Fest am 15. August ist mehr als ein Gedenken des Todes der Maria. Der zweite Teil des Satzes heißt: „und eine Leiter zum Himmel wird das Grab!“ Das Grab eines jeden, der in Christus gestorben ist, ist in gewisser Weise eine Leiter, die zum Himmel führt. Trotzdem ist es im Falle von Maria etwas besonderes. Die gesungenen liturgischen Texte meinen etwas mehr:

 

„Öffnet die Tore weit und empfängt über der Welt die Mutter des ewigstrahlenden Lichtes ... denn heute ist der Himmel geöffnet sie zu empfangen ... Die Engel besingen dein heiliges Entschlafen ... das wir im Glauben feierlich begehen ... lasst alle Erdensöhne im Geiste erzittern ... und freudig die ehrwürdige Himmelfahrt der Gottesmutter begehen.“ 

 

Dies macht klar, dass es um mehr geht als den Empfang der Seele Marias im Himmel. Obwohl im byzantinischen Kalender das Fest vom 15. August nicht den Namen Himmelfahrt trägt (wie in der lateinischen Kirche), drücken doch die Texte den Glauben an die leibliche Aufnahme Marias aus. Nach dieser Vorstellung fiel der Leib Marias nicht dem natürlichen Zerfall nach dem Tode anheim, denn er blieb nicht im Grab. Maria wurde von den Toten erweckt und von Engeln zum Himmel empor getragen (die Aufnahme unterscheidet sich von der Himmelfahrt dadurch, dass Christus aus eigener Kraft zum Himmel auffuhr). Die Aufnahme Marias ist außerhalb – und über – der Geschichte. Der Glaube an die Aufnahme ist durch keine biblische Erzählung belegt oder durch einen historischen Zeugen, der wissenschaftlich akzeptabel wäre. Sie wurde auch nicht dogmatisch definiert. Die Kirche hat bis heute keinem Gläubigen auferlegt, dass er sich zur leiblichen Aufnahme bekennen müsse. Aber auch wenn die Kirche nicht auf einem solchen (innerlichen oder äußerlichen) Bekenntnis besteht, kann man doch sagen, dass das orthodoxe Bewusstsein die Leugnung der Aufnahme Mariae in den Himmel nicht nur als verwegen, sondern auch als Lästerung ansehen würde. Außerdem, wie kann man eine Tatsache leugnen, die historisch gar nicht beweisbar ist? Der Glaube an die Aufnahme ist nicht durch Dokumente belegt. Das orthodoxe kirchliche Bewusstsein, erleuchtet durch den Hl. Geist, wurde allmählich davon überzeugt, dass wenn „der Lohn der Sünde der Tod ist“ (Röm 6,23), Maria einen besonderen Sieg über den Tod errungen hat. In gleicher Weise wie Jesus (auch wenn man hier das richtige Augenmaß behalten muss), wurde auch sie in ihrem Leib verherrlicht. Diese Verherrlichung der allreinen und allheiligen Mutter Gottes in ihrer Seele und in ihrem Leibe – und nicht der eine oder andere materielle Symbolismus oder historische Gegebenheiten – sind Gegenstand des Festes vom 15. August.

 

Quelle: A Monk of the Eastern Church, The Year of Grace of the Lord, A Spiritual and Liturgical Commentary on the Calender of the Orthodox Church, Crestwood N.Y. 1992, page 242 ff.

 

 

Der heilige Vorläufer und Täufer Johannes 

 

Fest am 29. August

 

Zweimal während des Sommers gedenken wir des Vorläufers, Johannes des Täufers. Wenn wir die beiden Gedächtnisse zu den ‚kleineren’ Festen gerechnet haben, dann nicht weil wir die ‚größere’ Bedeutung des Vorläufers verkennen: wir vergessen nicht, dass die Kirche ihn selbst über die Apostel stellt. Aber es scheint, dass das große Fest des Täufers das Fest der Theophanie ist: in den Augenblick, da Johannes Jesus tauft, erlebt er den Höhepunkt seines irdischen Lebens und seines Dienstes. Mehr noch, die Kirche weiht den Tag nach Theophanie (7. Januar) dem Gedächtnis des Vorläufers. Die beiden Feste im Sommer sind am 24. Juni, der Geburt des Täufers, und am 29. August, seinem Märtyrertod geweiht. Lesung (Röm 13,11-14,4) und Evangelium (Lk 1,1-15.57-58.76.80) erzeugen eine adventliche Atmosphäre: Das Evangelium beschreibt die Vision des Zacharias im Tempel und die Beschneidung des Johannes. Zacharias, der nicht geglaubt hatte, wurde zeitweise stumm. Ein Priester, der die göttliche Botschaft mit Unglauben oder gewisser Zurückhaltung empfängt kann nicht zu seinem Volk ‚sprechen’ (im tiefsten Sinne des Wortes).

 

Die Bedeutung des Festes am 29. August wird ausgedrückt in den Worten, die zur Vesper gesungen werden: „Enthauptest wurdest du wegen des Gesetzes des Herrn“. Denn dieses Fest feiert nicht so sehr den Mann, der Jesus taufte und Buße predigte, als den, der das moralische Gesetz hochhielt und getötet wurde, weil dieses Gesetz verhasst war. Das Evangelium zur Liturgie (Mk 6,14-30) erzählt dieses Ereignis, in dem Schande mit Grausamkeit sich mischt. Die Tochter der Herodias verlangt, nachdem sie vor Herodes getanzt hatte, von diesem das Haupt des Johannes in einer Schale, denn Johannes hatte zu Herodes gesagt: „Du hattest nicht das Recht, die Frau deines Bruders zur Frau zu nehmen.“ Diese Perikope beginnt mit den Worten: „Andere sagten: Er ist Elija.“ Denn der Mut des Elija, der die Verbrechen von Ahab und Isebel anprangerte, lebte weiter in Johannes; und Jesus selbst vergleicht die beiden Propheten miteinander (Mt 17,12 f.). Johannes vor Herodes bleibt ein Vorbild des Protests des Gewissens in Namen des ewigen Gesetzes gegen seine Missachtung durch die herrschende Klasse. Mehrmals hat die Geschichte gezeigt wie tief eine Kirche fallen kann, wenn ihre Führer sich dem Willen eines Tyrannen unterwerfen.

 

Ein paar Ebenen tiefer muss auch unser Gewissen uns manchmal zum Protest anregen gegen unsere unmittelbare Umgebung, gegen unsere Freunde, gegen unsere Familie, gegen eine Institution oder einen Vorgesetzten.

 

Bei der Liturgie lesen wir eine Perikope aus der Apostelgeschichte (Apg 13,25-33), die gewählt wurde, weil sich Paulus zu Beginn seiner Rede in der Synagoge von Antiochien in Pisidien auf Johannes den Täufer bezieht. 

 

Um das Fest zu beschließen – das nur zwei Tage vor den Ende des Kirchenjahres liegt – besinnen wir uns darauf wie das Gedenken an den Vorläufer sich mehrere Male während des Jahres mit dem Kreis des Lebens Jesu mischt und wir können die Worte aus dem Kathisma des Orthros wiederholen, die eine passende Zusammenfassung der Rolle des Johannes sind: „Lasst im Lobpreis uns vereinen, ihr Gläubigen, dessen, der Vermittler war zwischen dem Gesetz und der Gnade“. 

 

Quelle: A Monk of the Eastern Church, The Year of Grace of the Lord, A Spiritual and Liturgical Commentary on the Calender of the Orthodox Church, Crestwood N.Y. 1992, page 243 f. 

 

 

Die Reliquie des ehrwürdigen Hauptes des heiligen Propheten, Vorläufers und Täufers Johannes 

 

Thomas Zmija

 

Der heilige Johannes war Sohn der heiligen Elisabeth und des heiligen Zacharias. Er wurde etwa ein halbes Jahr vor unserem Herrn und Erlöser Jesus Christ geboren. Der schon alte Priester Zacharias, dessen Ehe lange kinderlos geblieben war, opferte im Tempel und erhielt durch den heiligen Erzengel Gabriel die Verheißung, dass ihm ein Sohn geboren werden würde. Der heilige Zacharias aber zweifelte und bat um ein Zeichen. Deshalb wurde er vom Engel mit Stummheit geschlagen. Die dann tatsächlich in hohem Alter schwanger gewordene Elisabeth wurde in der Schwangerschaft von der allheiligen Gottesgebärerin Maria besucht, die bei ihr blieb bis zur Geburt des heiligen Johannes. Elisabeth, nach der Geburt über die Namensgebung befragt, wusste aus ihrer Eingebung, dass der Knabe entgegen der Familientradition Johannes heißen sollte. Gleichzeitig schrieb Zacharias den Namen auf eine Wachstafel, erhielt nun seine Sprache zurück und brach in den im Lukasevangelium (1, 67 - 79) überlieferten Lobgesang aus:

 

„Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, denn Er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David, wie Er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten, dass Er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, Ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“.

 

 

Der heilige Johannes trat erstmals im Herbst des Jahres 28 öffentlich als Bußprediger auf, darüber berichtet auch der römische Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Er lebte als Asket in der Wüste, wo er mit rauem Kamelhaar bekleidet, von Heuschrecken und wildem Honig ernährt (Markusevangelium 1, 6; Matthäusevangelium 3, 4) geschildert wird, was an den heiligen Propheten Elias erinnert. Er verkündete am Jordan das Kommen des von den Juden ersehnten Messias, vollzog zur Vorbereitung hierauf die Bußtaufe mit Wasser als Symbol für die Rettung im kommenden Weltgericht und versammelte eine Schar von Anhängern um sich. Dabei wurde er vom Fürsten Herodes bespitzelt, vorbeugend von Soldaten umgeben und von den Pharisäern zur Rede gestellt, ob er der Messias sei (Lukasevangelium 3, 1 - 20). Die christliche Kirche sieht in ihm den letzten großen Propheten des alten Bundes.

 

Der heilige Johannes taufte unseren Herrn Jesus Christus im Jordan, wahrscheinlich an der heute Qasr el Jahud genannten Stelle auf der Ostseite des Flusses nahe des Toten Meeres. Dabei wurde die besondere Sendung Jesu und seine Göttlichkeit zum ersten Mal öffentlich offenbar: Aus dem Himmel erscholl eine Stimme: „Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe Ich Wohlgefallen gefunden.“ (Lukasevangelium 3, 24)

 

Von König Herodes Antipas wurde Johannes dann gefangen genommen, weil der ihm die unrechtmäßige Eheverbindung mit seiner Schwägerin Herodias öffentlich vorgehalten hatte. Die hasserfüllte Herodias bewegte ihre Tochter Salome, als diese dem von ihrem Tanz entzückten Vater einen Wunsch äußern durfte, das Haupt des heiligen Johannes zu fordern. Dieser wurde enthauptet und Salome brachte ihrer Mutter das Haupt auf einer Schale (Markusevangelium 6, 14 - 29).

 

Nach den Überlieferungen der syrischen Kirche begruben die heiligen Apostel Andreas und Johannes den Leichnam in Sebaste, einer Stadt in Samarien - dem heutigen Shomron /as-Samarah. Im 4. Jahrhundert wurde dort eine Kirche errichtet, deren Reste 1931 ausgegraben wurden. In Ein Kerem, dem Geburtsort des heiligen Johannes, steht am Platz seiner Geburt die Kirche des heiligen Johannes und am Ort der vorherigen Begegnung zwischen der allheiligen Gottesgebärerin Maria und der heiligen Elisabeth die Kirche der Heimsuchung.

 

In der Legenda Aurea wird Johannes auch als Engel bezeichnet, nach Maleachi 3, 1: „Siehe, ich sende meinen Engel vor mir her“ In der orthodoxen Tradition wird der heilige Johannes deshalb meist mit Flügeln dargestellt. Als unser aller Fürsprecher beim Jüngsten Gericht ist sein Platz traditionell zur Linken Christi. 

 

 

Die erste Auffindung des wahren Hauptes Johannes des Täufers

 

Die kirchlichen Überlieferungen berichten uns, dass Herodias den Kopf zur Bestattung mit dem Körper nicht frei gab, sondern ihn verfluchte und in ihrem Palast an einem unreinen Ort vergrub. Die fromme Ioanna, Ehefrau des Haushofmeisters Husa (Lk 8,3) aber wusste, wo Herodias das Haupt vergraben hatte. So nahm sie das Haupt und begrub es in einem der Landsitze des Herodes auf dem Ölberg.

 

Nach vielen Jahren ging dieser Besitz auf den frommen Innokentius über. Als er dort im Rahmen von Baumaßnahmen Fundamente ausheben ließ, wurde das Gefäß mit dem wahren Haupt des heiligen Johannes des Täufers aufgefunden. Innokentius erfuhr von der Reliquie und es geschahen zahlreiche Wunder. So ließ er dort zur Aufbewahrung der Reliquie ein Heiligtum erbauen. Vor seinem Tod aber befürchtet Innokentius, dass die Reliquie in falsche Hände geraten könnte und er vergrub das Haupt dort, wo er es aufgefunden hatte. Nach seinem Tod verwaiste das Heiligtum und verfiel langsam.

 

So geschah die erste Auffindung des Hauptes des heiligen Johannes des Täufers. 

 

 

Die zweite Auffindung des wahren Hauptes Johannes des Täufers

 

Zu Zeiten des Kaisers Konstantin des Großen, als sich der christliche Glaube immer mehr durchzusetzen begann, entwickelte sich auch die Tradition der Pilgerreisen an die heiligen Stätten in Palästina. Auch zwei Novizen aus den östlichen Provinzen des römischen Reiches pilgerten ins Heilige Land. Während der Reise erschien ihnen zweimal der heilige Johannes der Täufer und offenbarte ihnen den Ort, wo sein heiliges Haupt begraben lag. Tatsächlich fanden die Novizen das Haupt und legten es in einen Beutel aus Kamelleder. Auf dem Weg in ihre Heimat trafen sie mit einem armen Töpfer zusammen, der auf Arbeitssuche war. In ihm fanden sie einen zuverlässigen Wegbegleiter und ließen ihn deshalb den Beutel mit dem Haupt des heiligen Johannes tragen. Unwissend über den Inhalt des Beutels trug der Töpfer diesen den ganzen Weg, bis ihm der heilige Johannes erschien und ihn aufforderte, mit der Reliquie von den faulen Novizen zu fliehen, was er auch tat. Er versteckte sich zu Hause und behütete ehrfürchtig das heilige Haupt. Vor seinem Tod legte er die Reliquie in ein Gefäß zur Wasseraufbewahrung (vermutlich eine Amphore, denn er war ja ein Töpfer) und übergab diese seiner Schwester. Die Reliquie wurde von einem ehrfürchtigen Christen zu anderen weitergegeben, bis sie schließlich in den Besitz des Priesters Ephstatius gelangte, der mit der Häresie des Arianismus anhing. Da er die Richtigkeit seiner häretischen Lehren mit den durch die heilige Reliquie erfolgten Heilungen zu belegen suchte, konnte er viele Leichtgläubige und Schwache verführen. Als er schließlich genötigt war zu fliehen und vergrub das heilige Haupt in einer Höhle mit der Hoffnung, bald zurückkehren zu können, um die arianische Häresie weiter zu verbreiten. Dies jedoch lies Gott nicht zu und in der Höhle siedelten sich ehrfürchtige Novizen an und es entstand ein Kloster an diesem Ort. 452 n. Chr. wurde Marcellus, dem Abt des Klosters, vom heiligen Johannes der Ort gezeigt, wo sein heiliges Haupt lag. Diese Auffindung wird als die zweite Auffindung von der Kirche gefeiert. Die heilige Reliquie wurde zunächst nach Emessos gebracht und von dort dann später nach Konstantinopel.

 

 

Die dritte Auffindung des wahren Hauptes Johannes des Täufers

 

In Konstantinopel verblieb das heilige Haupt dann bis zum Beginn der ikonoklastischen Wirren, als die Verehrung der heiligen Ikonen und Reliquien bekämpft wurde. In dieser Zeiten der Unruhe in Konstantinopel und in Verbindung mit dem Exil des heiligen Johannes Chrysostomos wurde die Reliquie in die Stadt Emesa (Homs) gebracht. Von dort wurde sie nach Comana Pontica in der Landschaft Pontus (Kleinasien) überführt. Als die Angriffe der islamischen Sarazenen immer stärker wurden (ca. 810-820) und das heilige Haupt wieder in der Erde vergraben. Als die Ikonenverehrung wiederhergestellt worden war, wurde dem Patriarchen Ignatios (847-857) in einer Vision während des Nachtgebetes vom heiligen Johannes dem Täufer dieser Ort geoffenbart. Der Patriarch berichtete darüber dem Kaiser, welcher eine Gesandtschaft zum besagten Ort schickte. Diese fand dort zum dritten Mal das heilige Haupt von Johannes dem Täufer (etwa um 850). Später wurde das Haupt nach Konstantinopel überführt und dort in der Hofkirche aufbewahrt. Ein Teil dieser Reliquie befindet sich heute auf dem Berg Athos.

 

In den Heiligenleben des Dimitrij von Rostow ist ein Verweis am Ende des Textes über die Auffindungen des Hauptes wiedergegeben. Darin steht, dass nach 850 ein Teil der Reliquie im Prodromoskloster und ein anderer Teil im Studionkloster in Konstantinopel aufbewahrt wurde. Im Jahre 1204 wurde die Reliquie von Kreuzfahrern nach Amiens in Frankreich gebracht. Neben der Kathedrale von Amiens gibt es noch weitere Orte, die beanspruchen, das Haupt des heiligen Johannes als Reliquie zu besitzen. Zum einen die Kirche San Silvestro in Capite in Rom. Auch die Omayadden-Moschee (in vorislamischer Zeit die Johanniskathedrale) in Damaskus beansprucht, das Haupt des Täufers zu verwahren. 2010 wurde bei Ausgrabungen auf der bulgarischen Schwarzmeerinsel Sweti Iwan im Altar des ehemaligen kaiserlichen Klosters des heiligen Johannes des Täufers ein Reliquiar mit der Inschrift „Johannes der Täufer“ gefunden. In der Urne wurden Zahn, Hand-, Fuß- und Kieferknochen entdeckt. Bulgarische Archäologen wollen die Reliquien, die im 4. Jahrhundert n. Chr. von Konstantinopel nach Sosopol gelangt waren, dem heiligen Johannes dem Täufer zuordnen. 

 

 

Von Konstantinopel nach Amiens

 

1204 beim Sturm Konstantinopels durch die Kreuzritter, wurde die byzantinische Hauptstadt geplündert und verwüstet. Nach westlicher Überlieferung hat der Kanoniker Wallon de Sarton aus Picquigny in den Ruinen ein Etui gefunden, in dem sich eine Silberschale befand. Auf der Schale waren in einem Glasreliquiar die Reste eines menschlichen Kopfes zu sehen. Es fehlte lediglich der Unterkiefer. Über der linken Augenbraue war die Spur eines Schwerthiebes zu erkennen. Die griechische Inschrift bestätigte, dass das Reliquiar das heilige Haupt Johannes des Täufers enthielt. Die Spur über der Braue stimmte mit dem Bericht des heiligen Hieronymus überein. 

 

Wallon de Sarton beschloss die Reliquie in die Picardie im Norden Frankreichs zu bringen. Am 17. Dezember 1206, dem dritten Sonntag der Weihnachtsfastenzeit, hat der Bischof von Amiens Richard de Gerberoy die heilige Reliquie feierlich empfangen in Amiens empfangen. Der Bischof war von der Echtheit der Reliquie überzeugt und so begann die Verehrung der Reliquie in Nordfrankreich. 

 

1220 hat der Bischof von Amiens den Grundstein für den Bau der neuen Kathedrale „Notre-Dame d'Amiens“ gelegt, die nach vielen Erweiterungen zur prunkvollsten gotische Kirche ganz Europas heranwuchs. In diese Kathedrale wurde das Haupt des heiligen Johannes des Täufers gebracht und im Laufe der Zeit wurde Amiens zu einem Wallfahrtsort, der nicht nur für einfache Christen, sondern auch für die Könige, Prinzen und Prinzessinnen Frankreichs anzog. 

 

1604 wollte Papst Klemens VIII. die Basilica di San Giovanni in Laterano bereichern und bat die Kanoniker von Amiens um ein Reliquienstückchen. 

 

Während der französischen Revolution 1789 wurde in ganz Frankreich das Kirchengut vernichtet und konfisziert. Das Reliquiar des heiligen Johannes des Täufers blieb bis 1793 in Amiens. Dann haben Vertretern des Pariser Konvents seine Auslieferung verlangt. Sie rissen alle Edelmetallteile von der Reliquie und befahlen den Kopf auf dem Friedhof zu vergraben. Aber nach ihrer Abreise nahm der Bürgermeister der Stadt Louis Alexandre Lescouve die Gebeine insgeheim an sich und verwahrte sie in seinem Hause. Nach einigen Jahren übergab der ehemalige Bürgermeister die Reliquie an den Abbe Lejeune zur Aufbewahrung. Im Jahre 1816 wurde das Haupt des heiligen Johannes der Kathedrale in Amiens zurückgegeben. 

 

In der Orthodoxen Kirche wird der Reliquien des heiligen Johannes des Täufers an folgenden Feiertagen in besonderer Weise gedacht:

 

 am 7. Januar der Gedenktag der Übertragung der Hand des heiligen Johannes nach Konstantinopel.

 

 am 24. Februar der Gedenktag der ersten Auffindung seines ehrwürdigen Hauptes im 4. Jahrhundert und der zweiten Auffindung dieser Reliqui im Jahr 452.

 

 am 25. Mai der Gedenktag der dritten Auffindung seines ehrwürdigen Hauptes um das Jahr 850.

 

 am 29. August der Gedenktag der Enthauptung. 

 

 

Das Fest der Erhöhung des heiligen und lebenspendenden Kreuzes

 

am 14. September

 

Jedes Jahr feiert die Orthodoxe Kirche am 14. September das „Fest der Erhöhung des verehrten und lebenspendenden Kreuzes.“ Es ist eines der großen Feste des Kirchenjahres und hat einen wichtigen historischen Hintergrund. Obwohl eine oder zwei Hymnen des Tages sich etwas unklar auf die Vision des Kreuzes am Himmel beziehen, ist das tatsächliche Gedenken nicht der konstantinischen Vision vor der Schlacht gegen Maxentius am 28. Oktober 312 gewidmet. Als er am Ausgang der kommenden Schlacht für Italien zweifelte, sah er die Balken des Kreuzes sich am Himmel ausstrecken und die Worte „In diesem Zeichen siege“. Als er die Schlacht gewonnen hatte, begann er den Christen zu helfen und ließ sich noch kurz vor seinem Tod taufen.

 

Auch bezieht sich das Fest nicht auf die Auffindung des Kreuzes in Jerusalem ungefähr im Jahre 326, nach der Tradition durch die Hl. Helena, die Mutter Konstantins. Es gibt viele Geschichten über dieses Ereignis, und Konstantin hat tatsächlich eine große Kirche über dem Hl. Grab errichtet, in dem das Kreuz in einem Reliquiar aufbewahrt wurde. Drei Jahrhunderte später wurde die Kirche von den Persern während ihrer Kriege gegen das Römische Reich zerstört. Welche Feste auch immer in Jerusalem im Gedenken an die Auffindung des Kreuzes gefeiert wurden, sie wurden durch die Ereignisse während der Regierungszeit von Kaiser Heraklius überschattet, deren man nun im heutigen Fest gedenkt.

 

Als Heraklius nach dem Sturz des unwürdigen Phokas am 5. Oktober 610 zum Kaiser gekrönt worden war, wurden die Provinzen von allen Seiten von Persern, Awaren und Slawen überrannt. Er begann eine Reihe von internen Reformen, wie z.B. die Beendigung der kostenlosen Weizenverteilung, die es ermöglicht hatte, dass in Konstantinopel viele Arbeitsscheue ihre Zeit im Zirkus und bei Spielen verbringen konnten, anstatt etwas Nützliches zu tun, und er versuchte die Finanzen der Regierung zu verbessern. Er begann auch im Laufe der Zeit eine Reihe von Kämpfen, um die Herrschaft von Byzanz über die benachbarten Teile des Reichs wieder herzustellen. Die Perser hatten einige Jahre Syrien und Kleinasien belästigt und griffen im Jahre 613 die Stadt Damaskus an. Im nächsten Jahr nahmen sie Jerusalem ein und ließen dort zur Bewachung eine Garnison Soldaten zurück. Die Bevölkerung rebellierte, kaum dass das Heer der Perser abgezogen war und massakrierte die Garnison. Darauf kehrten die Eroberer um und es wird ihnen nachgesagt, dass sie 90.000 der Einwohner töteten, wobei sie die Juden verschonten, die ihnen bei der Eroberung geholfen hatten. Sie nahmen Patriarch Zacharias und den Behälter mit den Reliquien des Kreuzes mit nach Persien. 

 

Dieser Raub wurde von allen Christen als die größtmögliche Katastrophe angesehen, denn die heiligen Reliquien waren für sie der größte Schatz und Schutz der Stadt. Dazu kam noch die Frechheit des Königs der Perser, Chosroes, der die Christen ob ihrer Religion und ihrem Gott verspottete, der so offensichtlich versagt hatte ihnen zu helfen. Die nächsten acht Jahre war Heraklius mit den Awaren beschäftigt und konnte erst 622 wieder gegen die Perser vorgehen. Er führte zwischen 622 und 627 sechs Kriege und besiegte schließlich Chosroes und seine Generäle entscheidend, aber mit großen Verlusten. Das Reich war in großer Gefahr: 626 waren die Perser in Kleinasien gegenüber der Stadt am anderen Ufer des Bosporus und die barbarischen Verbündeten lagerten im Norden von Thrakien. Aber Heraklius brachte es fertig sie zu vertreiben und das Land wieder unter seine Kontrolle zu bringen.

 

Er brachte den Patriarchen und die Kreuzreliquien, die unversehrt waren, wieder nach Jerusalem zurück. Die Bevölkerung verlangte die Reliquien zu sehen und zu verehren und deshalb wurden sie feierlich erhoben, damit alle sie sehen und verehren konnten. Der Kaiser nahm einen Teil des heiligen Holzes mit nach Konstantinopel. Seit der Zeit der Auffindung des Kreuzes durch die Kaiserin Helena, waren kleine Stücke des Kreuzes als heiligste Reliquien über die ganze Welt verschickt worden; der verbleibende Teil war groß, aber noch tragbar. 

 

Der teuer errungene Sieg von 626 hatte sowohl Perser wie Byzantiner erschöpft. Da erschien eine neue Gefahr am Horizont: Chosroes und Heraklius erhielten Schreiben von einem Araber namens Mohammed, der sie einlud sich zum Islam, dem gerade neu gegründeten Glauben, zu bekehren. Sie lehnten beide ab, aber sie würden viele und schwierige Begegnung mit den Muslimen haben. Die Angriffe der Araber auf das Reich begannen 629, Damaskus wurde 635 eingenommen und 637 Jerusalem. Heraklius begab sich nach Jerusalem und brachte die heiligen Reliquien nach Konstantinopel in Sicherheit, aber der Patriarch blieb zurück um die neuen Herren zu begrüßen.

 

Die Erhöhung des Kreuzes in der Kirche ist eigentlich eine patriotische Zeremonie mit Gebeten für die Regierenden und ihr Volk, für Kirche und Staat, für ihre Errichtung und Bewahrung. Das drückt sich im Wesentlichen im Festtroparion aus: 

 

Rette, Herr, Dein Volk, und segne Dein Erbe,

den Sieg der Könige über die Barbaren schenke uns,

und Deinen Schutz durch das Gesetz des Kreuzes. 

 

Ihr Reich war für die Byzantiner die zivilisierte Welt, die Ökumene, wo Gesetz und Recht galten; außerhalb der Grenzen waren die Barbaren, Völker, die in anderen, unverständlichen Sprachen redeten und deren Sitten wild und fremd waren. Das Christentum war Teil ihrer byzantinischen Welt, Mittler zu Heil und Kultur. Das ist das Erbe, das vom byzantinischen Kaiserreich über die Zeiten hinweg vermittelt wurde, der Kampf für Kultur gegen die Mächte der Zerstörung. Wenn wir heute dieses Fest feiern, sollten wir daran denken. Es passt, dass das Fest der Kreuzerhöhung ein Fasttag ist. Das ist zwar ungewöhnlich, aber es betont das Verständnis unserer Vorfahren, dass Siege schwer zu erzielen sind und Gutes nur durch Opfer erreicht werden kann.

 

Quelle Andreasbote August/ September 2013

 

 

Maria und Martha Maria und Martha

 

zum Fest des Schutzes der allheiligen Gottesgebärerin am 01./28. Oktober

 

In der Liturgie dieses Tages lesen wir zwei zusammengezogene Perikopen aus dem Lukas-Evangelium (Lk 10,38-42 und 11,27-28), die die Kirche an allen Marienfesten wiederholt und denen die Wiederholung selbst das Gewicht einer besonders wichtigen Erklärung gibt. Jesus lobt Maria von Bethanien, die zu seinen Füßen sitzt und seinen Worten lauscht, dass sie „das Bessere gewählt habe, das soll ihr nicht genommen werden“, denn „nur eines ist notwendig“. Nicht dass der Herr Martha, die ganz in Anspruch genommen war für ihn zu sorgen, getadelt hätte, aber Martha machte sich „viele Sorgen und Mühen“. Die Kirche bezieht die Anerkennung, die Maria von Bethanien durch Jesus zuteil wurde auf das kontemplative Leben, insoweit es verschieden (wir sagen nicht: gegensätzlich) zum aktiven Leben ist. Die Kirche bezieht diese Anerkennung auch auf Maria, die Mutter des Herrn, die als Vorbild für alles kontemplative Leben betrachtet wird, denn wir lesen an anderer Stelle des Evangeliums nach Lukas: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen ... Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“ Lk 2,19.51). Vergessen wir auch nicht, dass die Jungfrau Maria sich schon vorher, wie Martha und in viel höherem Maße als Martha, dem praktischen Dienst an Jesus geweiht hatte, denn sie hatte den Retter ernährt und aufgezogen.

 

Im zweiten Teil des Evangeliums des Tages lesen wir, dass ein Frau ihre Stimme erhob und zu Jesus sagte: „Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat.“ Worauf er antwortete: „Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Diese Worte sollten nicht als Geringschätzung des Lobes gesehen werden, das die Frau Maria zubilligt oder als Unterschätzung ihrer Heiligkeit, sie bringen eher die Dinge in das rechte Licht und zeigen wo das wahre Verdienst Marias liegt. Dass Maria die Mutter Christi wurde war ein Geschenk, es war ein Privileg, das sie annahm, aber das seinen Ursprung nicht in ihrem persönlichen Willen hatte. Andererseits war es ihr eigenes Bemühen, dass sie das Wort Gottes hörte und es behielt. Darin liegt die wahre Größe Marias. Gewiss, Maria ist gebenedeit, aber nicht hauptsächlich deshalb, weil sie Jesus getragen und genährt hat; vor allem ist sie in einzigartiger Weise gesegnet, weil sie gehorsam und treu war. Maria ist die Mutter des Herrn; sie ist die Beschützerin der Menschen: aber vor allem und zu allererst ist sie die, die das Wort hörte und es bewahrte. Darin liegt die im heiligen Evangelium Grund gelegte Begründung unserer Marienverehrung.

 

Quelle: A Monk of the Eastern Church, The Year of Grace of the Lord, A Spiritual and Liturgical Commentary on the Calender of the Orthodox Church, Crestwood N.Y. 1992, page 32 f.